„Wenn im Theater der Applaus in dieses rhythmische Stakkato übergeht, dann bin ich sofort raus.“
Der Taktvoll-Fragebogen mit dem Biologen und Wissenschaftsjournalisten Peter Spork

Einer, der sich auskennt mit den biologischen Rhythmen und auch noch wunderbar darüber schreiben kann, ist der Biologe und Wissenschaftsjournalist Peter Spork. In seinen zahlreichen Büchern und Artikeln finden sich Tipps und erhellende Erklärungen für einen gesünderen Lebensstil, der die eigenen biologischen Rhythmen achtet. Dabei arbeitet Peter auf der Grundlage neuester wissenschaftlichen Erkenntnisse. Und glücklicherweise kommen seine Texte dabei überhaupt nicht dröge daher.
Einen guten Überblick über Peters Bücher, Texte und Aktivitäten – auch als Redner – bieten seine Webseite (Opens in a new window) oder seine Artikel bei RiffReporter (Opens in a new window). Dort erscheint gerade die Artikelserie „Hallo wach! Wie es uns gelingt, mit der Zeit zu leben. Peter dazu: “Ein Leben gegen die Zeit macht unzufrieden, leistungsschwach und oft sogar krank. Dagegen hilft eine neue Zeitkultur.“
Empfehlenswert – genauso wie seine Antworten hier im Taktvoll-Fragebogen. Viel Spaß bei der Lektüre!
1. Lerche oder Eule?
Genau in der Mitte, also ein klassischer durchschnittlicher Chronotyp. Das ist allerdings später als die meisten Menschen denken. Im Urlaub ohne Wecker schlafe ich von halb eins bis neun.
2. Was gehört für dich unbedingt zu einem guten Start in den Tag?
Ein guter Kaffee, eine Süddeutsche Zeitung, ein leichtes gesundes Frühstück (in dieser Reihenfolge) – und idealerweise davor genügend Zeit, um eine Runde laufen zu gehen oder wenigstens ein paar Kraft- und Dehnübungen auf der Yogamatte zu machen.
3. Pflegst du eine spirituelle Praxis?
Ich mache schon mein ganzes Leben lang intensiv und viel Sport – früher in einer Mannschaft, heute meistens alleine. Spirituell wird das für mich, wenn ich mich aus eigener Kraft durch die möglichst unberührte Natur bewege – mit dem Rennrad auf einer einsamen Landstraße oder beim Trail-Running oder Wandern in den Bergen.
Meine Art der Spiritualität ist das Gefühl, eins mit der Natur zu werden. Und das gelingt mir, wenn ich auf meine Natürlichkeit reduziert in der Natur aufgehe, sie sozusagen in mich hineinlasse und sie mich auch in sich.
4. Wie bereitest du dich auf ein besonderes Ereignis vor (einen Wettkampf, ein Konzert, ein schwieriges Gespräch)?
Bei mir sind das meist Vorträge vor großem Publikum oder aber auch TV-Auftritte. Die gehen mir schon Tage vorher nicht mehr aus dem Kopf. Wann immer der Kopf frei ist – beim Laufen, Radfahren oder Duschen zum Beispiel – denke ich über alle Möglichkeiten nach und lege mir Antworten, Pointen, Scherze oder auch Überleitungen und Erklärungen schon mal zurecht. Deshalb höre ich bei solchen Gelegenheiten auch keine Musik.
5. Was bringt dich aus dem Takt?
Wenn ich einen Fehler gemacht habe und wenn andere zu Recht sauer auf mich sind. Das macht mir richtig Stress.
6. Welche Jahreszeit magst du besonders? Warum?
Ganz ehrlich: Ich mag jede Jahreszeit, Hauptsache, sie ist typisch: Im Winter muss es sonnig, klirrend kalt mit Schnee sein. Im Frühjahr liebe ich die plötzlich aufkommende Wärme, die Wiederkehr von Natur und Energie. Der Sommer ist meine liebste Jahreszeit, wenn es richtig schön heiß ist. Und der Herbst muss stürmisch, neblig und rau sein. Dann habe ich in jeder Jahreszeit das Gefühl, es sei meine Liebste.
7. Schreibst du Tagebuch?
Ich schreibe schon Bücher und journalistische Artikel. Das reicht.
8. Welche Rituale deiner Kindheit praktizierst du heute noch, evtl. jetzt mit den eigenen Kindern?
Auch hier wird es wieder sportlich. Das schönste Ritual ist gemeinsames Spazierengehen bis hin zum Wandern – und zwar vor allem dann, wenn es schwierige Dinge zu besprechen oder einen Streit auszuräumen gilt.
9. Tanzt du?
Als Kind habe ich sehr gerne getanzt. Das ist mir irgendwie verloren gegangen. Ich vermisse es aber auch nicht.
10. Du kommst nach einem anstrengenden Tag nach Hause, welche Musik hörst du?
Ein Klavierkonzert von Beethoven. Oder Egberto Gismonti.
11. Ein freier Tag liegt vor dir, was machst du am liebsten?
Ausschlafen, dann einfach dösen und sehr lange Zeitung lesen (inklusive RiffReporter) – und dann Sport.
12. Welche Rhythmen in der Natur begeistern dich?
Die Meeresmücke Clunio lebt in der Brandungszone von Gezeitengewässern. Männchen und Weibchen haben gerade mal 20 Minuten Zeit, um aus der Puppe zu schlüpfen, sich zu finden und zu paaren sowie Eier abzulegen. Und dieses Zeitfenster tut sich nur alle 14,76 Tage auf, wenn das Meer sich so weit wie möglich zurückzieht.
Über solche und viele andere chronobiologische Rhythmen – etwa den 17-Jahreszyklus der periodischen Zikaden Nordamerikas – habe ich in meinem Buch „Das Uhrwerk der Natur“ geschrieben. Es ist leider vergriffen, aber bei RiffReporter kann man das passende Kapitel im Internet lesen (Opens in a new window).
13. Wie sehen kleine Atempausen in deinem Alltag aus?
Ich erledige gerne kleine Dinge im Haushalt: Wäsche aufhängen, einkaufen gehen, Bad putzen, Staubsaugen. In kleinen Häppchen strukturiert das den Tag und lenkt von der Arbeit ab. Außerdem kann man dabei sehr gut nachdenken oder einfach Radio hören – eigentlich immer Deutschlandfunk – oder einen Podcast.
14. Zeitung lesen: Papier oder digital?
Nur noch digital.
15. Urlaub: immer das gleiche Ziel oder jedes Mal Neues entdecken?
Beides: Wenn möglich, machen wir zweimal im Jahr Urlaub. Dann geht es einmal in ein Häuschen, das der Großfamilie gehört, und einmal entdecken wir etwas Neues. Aber es darf ruhig in Europa sein. Flugreisen und Ferntourismus vermeiden wir inzwischen.
16. Wie wichtig sind dir gemeinsame Mahlzeiten mit dem Partner/der Partnerin, der Familie?
Sehr wichtig. Das ist auch eines der ganz wichtigen Rituale. Ich vergaß, es oben zu erwähnen. Und was unbedingt dazugehört: Gemeinsam kochen.
17. Partnerschaft, deine Erfahrung: „Gegensätze ziehen sich an“ oder „Gleich und gleich gesellt sich gern?“
Auch wieder beides: Psychisch und von der (früh-)kindlichen Prägung her sollten sich Partner*innen meines Erachtens recht ähnlich sein. Aber es hilft auch, wenn sie unterschiedliche Interessen und Ausbildungen haben.
18. Liest du vor dem Einschlafen? Welches Buch liegt gerade auf deinem Nachttisch?
Meistens bin ich zu müde dazu. Außerdem muss ich schon tagsüber so viel Fachliteratur lesen. Am meisten lese ich im Urlaub, dann aber sehr viel. Derzeit lese ich von Philipp Tingler „Rate, wer zum Essen bleibt“. Sehr unterhaltsam.
19. Gibt es eine Zahl, die eine besondere Bedeutung in deinem Leben hat?
Die 17. Das war früher beim Mannschaftssport meistens meine Rückennummer.
20. Welche Rituale oder Rhythmen sind dir unangenehm?
Singen, vor allem in großen Gemeinschaften. Eigentlich alles, was große Menschenmengen rhythmisch zueinander bringt: Klatschen, mit den Füßen stampfen, marschieren, skandieren. Wenn zum Beispiel im Theater der Applaus in dieses rhythmische Stakkato übergeht, dann bin ich sofort raus.
21. Was fällt dir zum Begriff „taktvoll“ ein?
Musik, Rücksichtnahme, Zuhören, andere Meinungen und Lebensweisen akzeptieren.
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