Asteroideneinschlag im Jahr 2032? Was wissen wir über 2024 YR4
[Anmerkung: Dieser Artikel wurde am 30.01.2025 geschrieben, je nach Datenlage kann er nicht mehr aktuell sein. Und: Es besteht kein Grund für Angst vor einem Asteroideneinschlag]
Wenn in den Medien Schlagzeilen in der Art von “Asteroid rast auf Erde zu!” oder “Asteroid könnte Erde treffen!!” auftauchen, dann ist das so gut wie jedesmal Clickbait, Falschinformation oder einfach nur Quatsch. Aber prinzipiell kann es durchaus passieren, dass ein Asteroid mit der Erde kollidiert. Das ist in der Vergangenheit vorgekommen, auch in der jüngeren Vergangenheit, zum Beispiel im Jahr 2013 in Tscheljabinsk (Opens in a new window). Und es wird auch in der Zukunft passieren. Katastrophen, bei denen ein globales Massensterben auftritt, wie damals vor 65 Millionen Jahren beim Aussterben der Dinosaurier sind allerdings selten. Sowas passiert im Durchschnitt alle paar 100 Millionen Jahre einmal. Kleinere Einschläge sind aber häufiger und wenn es dazu kommen sollte, dann stehen die Chancen gut, dass wir vorab davon wissen. Wir suchen den Himmel ständig nach Asteroiden ab und entdecken dabei immer wieder welche, die der Erde nahe kommen. Manchmal auch so nahe, dass eine Kollision vorerst nicht ausgeschlossen werden kann. Das ist im aktuellen Fall bei der Entdeckung des Asteroiden 2024 YR4 so. Grund zur Besorgnis besteht aber trotzdem nicht.
Der Asteroid mit der offiziellen Bezeichnung 2024 YR4 wurde am 27. Dezember 2024 entdeckt, und zwar mit dem Asteroid Terrestrial-impact Last Alert System (ATLAS), einem automatisierten Netzwerk aus Teleskopen, das speziell dafür da ist, um Asteroiden zu finden, die in die Nähe der Erde gelangen können. Und um zu verstehen, wie es weitergeht, muss man zuerst einmal mit ein paar Mythen über Asteroiden aufräumen, die wir den einschlägigen Science-Fiction-Filmen verdanken. In den Hollywood-Filmen schaut ja ein Astronom (und sehr selten eine Astronomin) durchs Teleskop, sieht einen Asteroid, drückt ein paar Knöpfe am Computer und weiß dann sofort, dass das Ding auf der Erde einschlagen wird, inklusive genauer Zeit und genauem Ort. In der Realität läuft das anders. Wenn man einen Asteroid beobachtet, dann hat man zuerst nur ein paar Beobachtungsdaten, die - so wie alle Beobachtungsdaten überall in der Wissenschaft - mit Fehlern behaftet sind. Auch die Umlaufbahn, die man aus diesen Daten berechnen kann, ist also nicht exakt. Wenn man sich so eine Umlaufbahn vorstellt, dann denkt man ja meistens an eine dünne Linie, die sich durch ein Diagramm des Sonnensystems zieht. In der Realität ist die vorläufige Bahn aber keine Linie, sondern eher eine breite Röhre. Irgendwo darin wird sich der Asteroid bewegen, aber wir wissen nicht, wo genau. Sollte die Erde sich innerhalb dieser Röhre befinden, dann heißt das nicht, dass es fix eine Kollision geben wird. Sondern vorerst nur, dass eine Kollision nicht ausgeschlossen werden kann.
Die Details der Himmelsmechanik sind komplex. Aber vereinfacht gesagt wird die Wahrscheinlichkeit für eine Kollision umso größer, je kleiner die Röhre ist, sofern die Erde darin liegt. In den allermeisten Fällen muss man sich darüber keine Gedanken machen, weil selbst die provisorischen Umlaufbahnen weit an der Erde vorbei führen. Aber in einigen Fällen besteht eben zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Kollision. Was dann passiert hängt von diversen Faktoren ab. Wenn es sich um einen sehr kleinen Asteroid handelt, der nur ein paar Meter groß ist, dann ist es eigentlich egal, ob er mit uns kollidiert oder nicht. Für die Wissenschaft wäre es natürlich enorm interessant, so ein Ereignis zu beobachten, aber Asteroiden dieser Größe brechen bei einem Zusammenstoß mit der Erde schon weit über der Erdoberfläche auseinander. Im besten Fall sehen wir eine helle Riesen-Sternschnuppe, vielleicht kriegen wir aber auch gar nichts davon mit. So oder so: Für uns besteht keine Gefahr.
Sollte der Asteroid aber größer sein, dann wird man sich auf jeden Fall bemühen, mehr Beobachtungsdaten zu bekommen. Je öfter der Asteroid beobachtet wird, desto genauer können wir die Bahn bestimmen. Die Röhre schrumpft und in so gut wie allen Fällen wird die Erde irgendwann außerhalb davon landen. Die Kollisionswahrscheinlichkeit sinkt auf Null. Manchmal dauert es aber auch: Dann schrumpft die Röhre zwar, die Erde liegt aber immer noch darin. Oder anders gesagt: Dann steigt die Kollisionswahrscheinlichkeit zuerst einmal an.
Schauen wir uns jetzt an, was beim Asteroid 2024 YR4 passiert ist. Einen Tag nach seiner Entdeckung hatte man 16 Beobachtungen gesammelt. Die vorläufige Umlauf”röhre” enthielt die Erde und die Wahrscheinlichkeit für eine Kollision lag da bei 1:1860. Im Laufe des Januars sind immer mehr Beobachtungen dazu gekommen und die Umlaufröhre ist um die Bahn der Erde herum geschrumpft. Am 30. Januar 2025 hatte man 261 Beobachtungen und die Kollisionswahrscheinlichkeit lag bei 1:77. Anders gesagt: Die Chance auf eine Kollision mit der Erde liegt bei 1,3 Prozent. Oder noch einmal anders gesagt: Die Wahrscheinlichkeit, dass wir nicht getroffen werden, liegt bei 98,7%
Wenn man es so formuliert, klingt es nicht sehr bedrohlich. Trotzdem: Eine Einschlagswahrscheinlichkeit von mehr als einem Prozent ist etwas, bei dem die Astronomie aufmerksam wird. Selbst dann, wenn es sich um ein vergleichsweise kleines Objekt handelt. In der Astronomie gibt es für diesen Fall die “Turiner Skala”. (Opens in a new window) Das kann man ein bisschen mit der Erdbeben-Skala vergleichen; je nach Größe des Asteroid und seiner Einschlagswahrscheinlichkeit, wird ihm eine Zahl zwischen 0 (keine Gefahr) und 10 (globale Katastrophe) zugewiesen. 2024 YR4 steht derzeit bei 3. Das bedeutet: “Aufmerksamkeit der Astronomie erforderlich”. Oder, um den kompletten offiziellen Text zu zitieren:
Eine engere Annäherung, welche die Aufmerksamkeit der Astronomen erfordert. Aktuelle Berechnungen ergeben eine Wahrscheinlichkeit von über einem Prozent für eine Kollision, welche lokale Zerstörungen verursachen würde. Weitere Beobachtungen werden sehr wahrscheinlich zu einer Rückstufung in die Klasse 0 führen. Falls die Begegnung weniger als ein Jahrzehnt entfernt ist, verdient sie Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und von offizieller Seite.
Genau das passiert jetzt. Die Astronomie ist aufmerksam. Es werden jetzt sehr schnell sehr viele neue Beobachtungen angestellt. Und wir werden sehr bald wissen, ob die Kollisionswahrscheinlichkeit auf Null fällt oder nicht. Und wenn nicht? Dann muss man sich keine großen Sorgen machen.
Der Durchmesser des Asteroiden liegt zwischen 40 und 100 Metern. Das ist ein großer Brocken, aber definitiv nichts, was eine globale Katastrophe anrichten kann. Dazu muss ein Asteroid mindestens 1000 Meter groß sein (das Ding, das die Dinosaurier ausgelöscht hat, war circa 10 Kilometer groß). Mit 100 Metern ist der Asteroid aber zumindest theoretisch groß genug, um bis zum Erdboden durchzukommen (im Detail hängt das von seiner Zusammensetzung ab). Wenn er die Erde trifft, kann er einen Krater schlagen und dort wo er das tut, einiges an Zerstörung anrichten. Die betrifft aber nur die nähere Umgebung, im schlimmsten Fall einen Umkreis von ein paar Dutzend Kilometern. Das heißt übrigens nicht, dass im Umkreis von diesen paar Dutzend Kilometern alles Leben ausgelöscht wird. Aber so weit würde in diesem Fall die Druckwelle reichen, die dann Scheiben zum Zerberstern oder Mauern zum Einfall bringen könnte.
Aber, und das ist ein wichtiges “Aber”: Der Großteil der Erde ist unbewohnt. 2/3 sind Ozean, ein Großteil der Landoberfläche ist Wüste, Wald, Gebirge oder anderweitig unbewohnt. Das heißt: Selbst wenn der Asteroid mit der Erde zusammenstoßen sollte, ist die Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass er das gerade dort tut, wo Menschen leben.
Die besten Daten, die wir zurzeit haben (Opens in a new window), gehen von einem Durchmesser des Asteroiden von etwa 55 Metern aus. Eine Kollision der Erde mit 2024 YR4, wenn sie denn stattfinden sollte, wird am 22. Dezember 2032 stattfinden. Das Internation Asteroid Warning Network (IAWN) hat berechnet (Opens in a new window), dass ein Einschlag in einem Korridor möglich ist, der vom östlichen Pazifik über das nördliche Südamerika, den Atlantik, den zentraleren Teil von Afrika und Südasien reicht. Aber zu 98,7 Prozent wird das nicht passieren. Der Asteroid wird noch bis April von der Erde aus beobachtbar sein und bis dahin werden wir genug Daten gesammelt haben, um besser wissen zu können, wie es mit einem Einschlag aussieht. Grund für Sorge oder gar Panik besteht aber definitiv nicht.