Ein Gefühl wie Aufatmen - 06.02.2023
Irgendwas hat sich in meiner Brust geöffnet, seit ich meinen Job als Journalist verlassen und mich der Klimabewegung angeschlossen habe. Da ist mehr Raum, Weite.
Was macht uns unfrei?
Da sind Gesetze, die Polizei, der Staat, aber da haben wir in Deutschland vergleichsweise Glück: Wir leben sehr frei.
Dann sind da die gesellschaftlichen Normen, die Scham, wenn man abweicht, die Stimme der inneren Kritik, wenn man scheinbar versagt, und auch das kann uns unfrei machen.
Wem Klimaschutz wichtig ist, der erfährt das beim Grillen mit Freund:innen. Du isst kein Fleisch, du bist nicht in der Ingroup, du bist draußen, Grenzen werden gezogen.
Du machst keine Karriere, weil du dieses zerstörerische System ablehnst? Dann bekommst du keine Anerkennung, zählst nichts.
Du schaffst es nicht, komplett auf Auto, Fleisch und sonstige Späße zu verzichten? Du verurteilst dich selbst, machst dir Vorwürfe, dich selbst immer kleiner, schnürst dich ein.
Ich hatte das nicht erwartet, aber diese Gedanken sind wie weggewischt seit meinem Wechsel.
© RONJA RØVARDOTTER (Opens in a new window)
Zum einen ist da die neue Umgebung: Kürzlich saß ich mit zwei Leuten von der Letzten Generation in einem Café und wir besprachen ein paar Sachen, und zum ersten Mal seit langer Zeit, kamen die Dinge, die ich sagte, nicht als radikal rüber, stattdessen sahen es die Anderen auch einfach so: Wir brauchen Nullemissionen bis 2030. Weniger wird wahrscheinlich nicht reichen. Ein Umfeld, dass die gleiche Sprache spricht – einfach super schön.
Und dann ist da aber auch dieses Gefühl, mich außerhalb des Systems gestellt zu haben, und mich deshalb nicht mehr schuldig fühlen zu müssen für das was passiert, denn ich verantworte den ganzen Scheiss nicht mehr mit. Ich bin raus, und ja – dagegen.
Was das auch bedeutet: Attacken von außen. Die WELT veröffentlichte einen Artikel über meinen Wechsel, stellte da abstruse Zusammenhänge her, auf ZEIT Online verglich mich ein Autor mit religiösen Fanatikern.
Das verunsichert. Kostet Energie. Tut weh. Aber was die da verzapfen ist im schlimmsten Fall Schwachsinn und im besten einfach ihre eigene Sicht auf die Welt. Und ich habe eine andere. Und die zu leben, ich glaube, das ist es, was sich so befreiend anfühlt.