LöwenPost 2025/07
(ursprünglich am 22.2.2025 veröffentlicht)
Sino Kolumne: Steigende Lebenshaltungskosten in Singapore ~ KI in der öffentlichen Verwaltung in China ~ Microunternehmen in China

Im November finden in Singapore Parlamentswahlen statt und das dominierende politische Thema im Stadtstaat sind die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Durch COVID und den Verwerfungen an den Energiemärkten erlebt Singapore genau wie in anderen Ländern diese Kostensteigerungen. Die Regierung hat in den letzten Jahren an Einwohnern mit geringem Einkommen als Ausgleich elektronische Gutscheine für Lebensmittel, Medizin und andere Ausgaben verteilt. Dies ist eine richtige und notwendige Maßnahme, allerdings nur für kurze Zeiträume sinnvoll. Sonst wirken solche Almosen des Staates nicht nur kostentreibend für den Staatshaushalt, auch Menschen, die gerade über der Einkommensgrenze liegen, fragen sich, warum sie die gestiegenen Kosten allein Schultern müssen, während andere das Geld vom Staat geschenkt bekommen. Dieser Geldsegen vom Staat passt darüber hinaus nicht zur gesellschaftlichen Philosophie in Singapore, wo schon immer mehr Wert auf Schaffung von Arbeitsplätzen und geschäftsfördernde Rahmenbedingungen gelegt wurde. Die immer wieder betonte Devise "a fair, not welfare, society" (Eine gerechte Gesellschaft - keine Wohlfahrtsgesellschaft) passt nicht so recht für ein langfristiges Gutscheinsystem. Trotzdem setzt es die Regierung in diesem Wahljahr sogar noch vermehrt ein, um vielleicht den ein oder anderen Wähler noch von der Regierungspartei zu überzeugen. Singapore setzt somit unter der neuen Führung auf Wahlgeschenke, eine Art von Bestechlichkeit, welche in den westlichen Demokratien Gang und Gäbe ist, ja geradezu zur demokratischen Wahlshow dazugehört. Ich vermisse bei der derzeitigen Regierung, dass sie Konzepte erarbeitet, die über Strukturreformen die Steigerung der Lebenshaltungskosten für Geringverdiener stoppt. Der von mir hochgeschätzte Autor und Journalist Han Fook Kwang (unter anderem "Hard Truths To Keep Singapore Going") hat dazu jetzt noch einen anderen interessanten Aspekt aufgegriffen: Wie sieht es mit der Wettbewerbssituation in Singapore aus? Haben sich nicht mittlerweile kleine regionale Oligopole gebildet, die zwar nicht mit bewussten Preisabsprachen hantieren, aber wo ganz einfach Wettbewerber fehlen, die sich dem Preiskampf und damit marktwirtschaftlichen Mechanismen widmen? Gerade bei den Supermärkten wird der Markt von wenigen großen Unternehmen (FairPrice, Sheng Siong) dominiert. Es ist zumindest eine Betrachtung und Überlegungen wert, wie man diese Wettbewerbssituation im unteren Preissegment optimieren kann. Es ist dabei auch nicht hilfreich, dass durch Modernisierungen gegebenenfalls solche günstigen Einkaufsparadiese wie in Toa Payoh oder anderen Orten verdrängt werden. Klar, die meisten Menschen in Singapore sind sehr wohlhabend und bevorzugen mondäne Shopping Centre, aber die Infrastruktur für günstige Waren darf nicht vernachlässigt werden, wenn man alle Menschen in der Gesellschaft gute Lebensbedingungen ermöglichen will. Ja, man muss solche günstigen Shopping Paradiese sogar systematisch planen und Immobilien mit günstigen Mieten dafür bereit stellen. Die landeseigene CapitaLand besitzt schon den größten Kuchen der Einzelhandelsflächen, macht aber wahrscheinlich lieber Geschäfte mit teuren Läden, die dann auch mehr für die Miete abdrücken können. Der Wohlstand in Singapore gibt es her, aber um alle Menschen einen angenehmen Lebensstandard zu bieten, sollte die Regierung in diese Richtung mit Konzepten und Strategien arbeiten und das Gutscheinsystem nur bei außerordentlichen Ereignissen aktivieren.
Während in vielen Ländern große ergebnislose KI-Konferenzen stattfinden, integrieren viele Städte und Kommunen in China KI, wie die KI-Plattform DeepSeek, mit großem Tempo in die Prozesse der öffentlichen Verwaltung. Von Beijing, Shanghai, Hangzhou, Guangzhou bis Chengdu und Chongqing nutzen KI in ihren Verwaltungen. So hat die Stadt Shenzhen 240 Verwaltungsprozesse zur Dokumentenverarbeitung, Behördendienste, Notfallmaßnahmen und Investitionsförderung der KI übertragen. Damit werden Verwaltungsdokumente heute in nur wenigen Minuten erzeugt, für die es zuvor 5 Tage benötigt hätte. Eine Kategorisierung von Anfragen konnte die Genauigkeit von 70% auf 95% erhöhen, was Zuständigkeitsgeschiebe vermeidet. Die KI wird dabei von Beamten überwacht, die für die Ergebnisse auch verantwortlich sind und diese deswegen auch genau prüfen. Es zeigt auch, dass der Einsatz von KI höhere Transparenz und Fairness in die Verwaltungsprozesse bringt. Die Effizienzsteigerungen sind enorm. Der intelligente Einsatz der KI in der chinesischen Verwaltung offenbart erstaunlicherweise eine hohe Innovationskraft im öffentlichen Dienst in China.
Die National School of Development (NSD) der Beijing-Universität hat im letzten Monat eine interessante Studie über Kleinst- und Microunternehmen in China veröffentlicht. Bei diesen Unternehmen handelt es sich um kleine Einzel- oder Familienunternehmen. 45% der Unternehmen sind Einzelunternehmen und haben keine weiteren Beschäftigten und trotzdem kommt der gesamte Sektor auf etwa 400 Millionen Beschäftigte. Das ist ein gewaltiger Anteil der Bevölkerung und verdient in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik mehr Aufmerksamkeit. Denn fast ein Drittel der Unternehmen verfügen nur über eine Liquiditätsreserve von bis zu einem Geschäftsmonat. Etwa 40% der Unternehmen sind kaum rentabel, machen also Verluste oder kommen gerade so über die Runden. Vielleicht werden einige davon noch von Familienmitgliedern unterstützt. Knapp die Hälfte der Unternehmen hat ein Jahreseinkommen von bis zu 15.000 Euro, was somit kein besonders großes Einkommen darstellt. Und trotzdem gibt es hunderte Millionen Chinesen, die mit ihrem Engagement und Fleiß den Lebensunterhalt auf diese Weise erwirtschaften oder dazu beitragen. Es ist diese arbeitsame Kraft, die China so auszeichnet. Ich finde, dass die Regierung gerade für solche Kleinstunternehmen die Rahmenbedingungen überprüfen und zum Beispiel die soziale Absicherung, politische Rahmenbedingungen (willkürliche Gebühren, fairer Marktzugang), schnelle Rechtshilfe bei Zahlungsrückständen und die Steuerlast verbessern sollte. Es ist eine starke Kraft der gesamte chinesischen Wirtschaft.