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Folge 26

Etwas Altes: Hässliche Körperworte im Deutschen

Ihr kennt es. Wenn man mit klassischen deutschen Begriffen eigene und fremde Körperteile bezeichnet, möchte man am liebsten Transhumanist*in werden und irgendwo sein hüllenloses Bewusstsein uploaden: »Brustwarze«, »Schambein«, »Leberfleck«. Aber warum nimmt man es einfach hin, dass etwas Gegebenes, menschliche Körper, sprachlich so unnötig negativ aufgeladen werden, Schluss damit!

Für Nummer drei, den Leberfleck  – uuuuh uuuh uuuh –, wenn angeboren, auch bekannt als Muttermal – uuuuh, was habt ihr immer nur mit Müttern – oder Pigmentfleck – besser, aber nicht top – mache ich jetzt hands on einen Umbenennungsvorschlag: Hautpunkt. »Hautpunkt« ist sachlich, schlicht und doch poesiefähig. Hautpunkt. Gern geschehen.

Es ist auch mental praktisch, einen erträglichen Begriff für etwas zu haben, das heute hunderte Male auf den meisten Menschenkörpern zu sehen ist. Früher hatten Kinder in meinem Gesichtsfeld übrigens so gut wie nie Hautpunkte, ich selbst habe meinen ersten mit 16 bekommen, ich erinnere mich sehr genau, weil ich es als unerhörten Makel empfand. Heute habe ich längst ungefähr eine Galaxie voll. Meine Kinder aber hatten viel, viel früher Hautpunkte, was zeigt, dass ihre Körper mehr Schädigungen durch UV-Strahlung abwehren mussten – danke auch dafür nicht, jahrzehntelang Klimakatastrophenleugnende.

Etwas Neues: Wut rappen, dichten, malen, filmen

(Ja, so etwas schreibe ich nicht zum ersten  und auch nicht zum letzten Mal.)

Man kann ohne Intensitätseinbußen SEHR wütende, SEHR energiegeladene Kunst machen, ohne dabei unnötig auf Menschen(gruppen) rumzutrampeln, die es gesellschaftlich eh schon schwer haben.  Der einzige persönliche Verzicht, den man dabei leisten muss – für viele längst kein Verzicht mehr, sondern ein Bedürfnis –, ist, dass man sich dabei nicht mehr selbst als Bösewichtvillainsatangangsterpate romantisieren kann.

Leute, wirklich, es gibt die perfekten Gegner: Nazis. Nazis im Parlament, Nazis bei der Polizei, Nazis im Schuldienst, Nazis in öffentlichen Verkehrsmitteln, Nazis auf dem Campingplatz, Nazis im Einkaufszentrum, Nazis beim Straßenfest, Nazis bei der Familienfeier. Für feinziselierte ästhetische WUT  gibt es obendrein Konservative, die lieber Nazis den Rücken stärken, als längst passierte und passierende Veränderung hinzunehmen.

WUT hat sogar einen Buchstaben weniger als HASS, was angemessen ist, weil sie noch konzentrierter, noch essenzieller ist. – Vom ungünstigen SS in HASS ganz zu schweigen. – Hass bringt Menschen nur auf und zu nichts Gutem. Rational begleitete, gerecht(fertigt)e Wut aber bringt Menschen auf die Füße, auf die Straße. Hass macht reaktionär, rational begleitete Wut handlungsbereit.  Ich weiß, wovon ich spreche, jeder einzelne bite der Präraffaelitischen Girls ist wutgetränkt.

These: Wer künstlerisch etwas draufhat bzw. nicht einfach aus Bequemlichkeit mit alteingeübten Wirkungsschablonen arbeitet, kann auf Behindertenfeindlichkeit, Queerhass, Misogynie, Rassismus, Antisemitismus und Klassismus verzichten und Sachen hervorbringen, die nicht nach Soziologieseminar klingen. Zeigt doch einfach mal, was ihr könnt und verteidigt nicht immer nur weiter bockig, was euch nicht herausfordert. Verlagert den Battle, die Provokation in euch selbst, ringt mit und um Sprache.

Wenn Künstler*innen keine neuen Wirklichkeiten schaffen, wer dann.

Etwas Geborgtes: Ein Zitat

»Die Entgegensetzung von Regel/Verbot vs. Freiheit entkoppelt beides von Begründungsfragen; letztlich ein irrationaler Reduktionismus und Formalismus.« – @momorulez (Abre numa nova janela) auf Twitter

(Zitate sind bei Accounts immer auch Folge- und bei Büchern Kaufempfehlung.)

Etwas Uncooles: Konservativer Autokannibalismus

Wie sehr kann man eigentlich Veränderung ablehnen, dass man unter bizarren Vorwänden autokannibalistisch Personen aus der eigenen Marginalisiertengruppe attackiert, nur, damit alles bei den Alten bleibt. Es muss den so handelnden Personen klar sein, was sie gesellschaftlich anrichten, und es ist ihnen egal oder es zumindest wert.

Guerlica

»Aber, Präraffaelitische Girls, wie stellt ihr euch das vor, was bleibt denn von Comedy, wenn man auf die – ja, ist schon bisschen mies, haha, aber geil – Arschigkeit gegenüber, äh, Satire über Frauen, BIPoC, Arme verzichtet?

»Comedy.«

»Aber, Präraffaelitische Girls, wie stellt ihr euch das vor, was bleibt denn vom Rap, wenn man auf den – ja, ist schon bisschen mies, haha, aber geil – Diss von Frauen, Behinderten, jüdischen Menschen verzichtet? «

»Rap.«

Aber, Präraffaelitische Girls, wie stellt ihr euch das vor, was bleibt denn von der Kunst, wenn man auf die unnötige Diskriminierung, äh, notwendige Provokation verzichtet?

»Kunst.«

»Wisst ihr noch, damals, 2021, als man für viele Menschen überraschend feststellte, dass sich die Grenzen der Kunst auch in andere Richtungen als Femizid, Rassismus, Antisemitismus, Behindertenfeindlichkeit, Queerhass und Klassismus ausloten ließen.«

Zurück zu den die Grenzen der Kunst Auslotenden, wir sehen uns nächste Woche wieder. Seid lieb, nur nicht zu Nazis.

XOXO,
FrauFrohmann

Weiterhin die Bitte, kleine Steady-Abos abzuschließen (Abre numa nova janela), damit ich den Verlag nicht schließen muss. Die Lage ist sehr ernst. Lieben Dank für die erste große Supportwelle in den letzten Wochen, ihr helft mir damit nicht nur finanziell.

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