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Alternative Heilmethoden und braune Esoterik 

Als Kind habe ich regelmäßig Globuli bekommen. Ich bekam zu hören, dass Krankheiten lediglich ein Ausdruck für "ungelöste Konflikte" seien. Aha meine immer wiederkehrenden Mandelentzündungen waren also nur deshalb da, weil ich Probleme hatte, die ich nicht lösen konnte? Solche Aussagen haben mich damals nicht nur zutiefst verstört, sondern ich fühlte mich auch schlecht und unzulänglich. Mit dem Erwachsensein habe mich komplett von der Homöopathie getrennt. Da war einfach dieses Unbehagen und das ständige Gefühl für alles was in meinem Körper los war selbst verantwortlich zu sein.

Alternative Heilmethoden scheinen vor allem in der aufgeklärten Mitte der Gesellschaft einen großen Anklang zu finden. Schon Säuglinge werden kurz nach der Geburt Osteopath*innen vorgestellt, um von Anfang an alles "richtig" zu machen, um die Entwicklung in "guten Bahnen" zu lenken oder um vermeintliche Geburtstraumata aufzulösen. Die Idee: Blockaden sollen sanft gelöst werden, um die Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Klingt toll. Das Problem: Es gibt keine wissenschaftlichen Belege (Abre numa nova janela) für die Wirksamkeit jener Methode - auch wenn nach außen etwas anderes suggeriert wird.  

Ja, ich kann sogar ein Stück weit nachvollziehen, dass sich Menschen alternativen Heilmethoden zuwenden. Die Heilpraktikerin nimmt sich viel Zeit, hört zu und schenkt den Menschen, die zu ihr kommen Empathie und Verständnis. Genau das finden wir im regulären Gesundheitswesen nur noch selten, stattdessen fühlen wir uns vielleicht sogar abgefertigt und eben nicht ernst genommen. Aber wir befinden uns damit auf einem schmalen Grat. So passiert es schnell, dass wir von der Osteopathie, den Globulis oder den wohltuenden Gesprächen bei der Heilpraktikerin schnell in eine rechte Esoterik gelangen. Dass wir auf aggressive Impfgegner*innen sowie Verschwörungstheoretiker*innen stoßen und wir uns sukzessive - ohne es gleich zu merken - in einem alternativen braunen Mileu wiederfinden. 

Aber ist es nicht ein bisschen übertrieben, dass wir alles  und jede*n gleich in die rechte Ecke stellen?  Denn nur weil jemand impfkritisch ist oder zum*r Heilpraktiker*in geht, ist er*sie doch nicht gleich rechts oder sogar rechtsextrem. So etwas zu behaupten ist doch diffamierend. 

Selbstverständlich sind Menschen, die sich alternativen Heilmethoden zuwenden oder diese praktizieren, nicht per se rechts. Aber: Es gibt Zusammenhänge und Überschneidungen zwischen ihnen und diese sollten uns bewusst sein. Gerade in Zeiten der Pandemie können wir sehr gut beobachten, wie schnell es passiert, dass wissenschaftliche Erkenntnisse geleugnet oder gar (absichtlich) umgedeutet werden. Diese Entwicklung kommt nicht aus dem Nichts. Sie kommt auch nicht plötzlich. All das war schon zuvor da. All das wabert schon seit vielen Jahren mitten unter uns. Die Pandemie war möglicherweise "nur" ein Brandbeschleuniger. Denn: All die Verschwörungstheorien, die während der Pandemie verbreitet wurden und werden, gab es auch schon zuvor (Abre numa nova janela). Zum Beispiel jene über die Weltgesundheitsorganisation, über Bill Gates oder über Impfungen.

Und auch das ist nicht neu: Rechte und rechtsextreme Akteure*innen haben sich schon immer gerne in alternativen sowie esoterischen Räumen aufgehalten. Sie "lieben" okkultistische Praktiken und stehen der evidenzbasierten Medizin (von ihnen "Schulmedizin" genannt) skeptisch bis ablehnend gegenüber (Abre numa nova janela). Insbesondere während der Zeit des Nationalsozialismus spielte Esoterik eine zentrale Rolle. Und dies muss in einen Zusammenhang mit Antisemitismus gebracht werden - genau darauf verweist die Gründerin und Geschäftsführerin der Organisation "Der goldene Aluhut" Giuli Silberberger in diesem Artikel (Abre numa nova janela):

"Medizin wurde damals wie heute an Universitäten gelehrt und viele jüdische Ärzte und Professoren hatten vor und zu Beginn der NS-Zeit an ent-
sprechenden medizinischen Fakultäten einen Lehrstuhl inne. Den Nazis
war dies natürlich ein Gräuel, so wie alle Errungenschaften eines jüdischen
Geistes. Schnell entstand der Begriff 'verjudete Schulmedizin', um die etablierte, an Universitäten gelehrte, evidenzbasierte Medizin zu stigmati-
sieren"

Aber wer sind die Rechten heute?

Hierzulande herrscht nach wie vor diese eine problematische stereotype Annahme: Rechte Akteure*innen befinden sich am Rande der Gesellschaft, denn die Nazis sind schließlich immer die "Anderen" und haben mit "uns" nichts zu tun. Dieses Konzept wird in den Sozialwissenschaften als "Othering (Abre numa nova janela)" bezeichnet und beinhaltet die Funktion, sich selbst (und all jene, die zur eigenen Gruppe gezählt werden) von einer "anderen" Gruppe abzugrenzen. Auf diesem Nährboden entstehen nicht nur Feindbilder und Ressentiments, vielmehr werden diese auch noch dadurch legitimiert. 

Die Rechten sind längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sie sind unsere Nachbar*innen oder Kollege*innen, die uns zum Kaffee und Kuchen einladen und die so hilfsbereit sind. Sie sprechen von Liebe, Freiheit, Demokratie, aber auch von Heilung, Transformation oder von "impfkritischen Entscheidungen".  

Auch hier gilt: Nicht jede*r Impfskeptiker*in ist gleichzeitig rechtsextrem oder Verschwörungstheoretiker. Eine Verallgemeinerung ist einerseits weder hilfreich noch richtig. Andererseits gilt es dennoch genau hinzuschauen, weil gerade beim Thema Impfen krude "Theorien" verbreitet und Ängste geschürt werden. Und das nicht erst seit der Corona-Pandemie. Seit Jahren gibt es Kampagnen und Aufrufe sich gegen Impfungen zu entscheiden. Diese beziehen sich in der Regel auf Infektionskrankheiten, wie etwa Masern, Mumps oder Röteln. Solche impfkritischen Bewegungen kommen tatsächlich meist aus der Alternativmedizin und werden nicht selten von Heilpraktiker*innen, Homöopath*innen, aber auch von Anthroposoph*innen vertreten. Der Journalist und Autor Andreas Speit schreibt in seinem Buch (Abre numa nova janela) "Verqueres Denken - Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus" folgendes (S.110):

"Dass Impfkritik und Alternativmedizin häufig zusammengehen, liegt im wahrsten Sinne des Wortes in der Natur der Sache. Mit dem Begriff 'Alternativmedizin' werden unterschiedliche Methoden und Praxen bezeichnet, die nicht evidenzbasiert sind. Zu diesen nicht auf den Wirkungsprinzipien der Naturwissenschaften aufbauenden Heilmethoden werden unter anderem energetische Heilungen, magnetische Strahlungseindämmung oder elektromagnetische Abschirmungen und chemikalische Vermischungen verstanden."

Was mich immer wieder erstaunt ist, dass genau das - nämlich dass es keine evidenzbasierten Nachweise für die Wirksamkeit alternativer Heilmethoden gibt - seltsamerweise kaum jemanden stört. "Irgendwas wird schon dran sein", höre ich dagegen immer wieder sagen und dies hinterlässt bei mir wiederum einen bitteren Beigeschmack. Auch führe ich immer wieder jene Diskussion, dass es ja nicht schaden könne sich der alternativen Medizin zuzuwednen. Entweder sie erzielt Wirkung oder eben nicht. Denn:

"Wer heilt hat recht!" - Wirklich?

Diese Aussage ist - zu Ende gedacht - schlichtweg falsch. Denn sie suggeriert, dass es völlig egal ist, was tatsächlich geholfen hat und was nicht. Aus dieser Perspektive ist es nicht nowendig valide Aussagen darüber zu machen, welche Therapie- und Heilmethoden wirksam sind und welche nicht. Das ist aber fatal, wie die Medizinerin und ehemalige Homöopathin Natalie Grams-Nobann in diesem Artikel (Abre numa nova janela) sagt:

"Denn was wäre, wenn wir in der Medizin immer nur von einer stattgefundenen Besserung auf das dafür verantwortlich geglaubte Mittel  rückschließen würden? Was, wenn wir nicht verlässlich sagen könnten, was überhaupt ein Potenzial hat, zu wirken, zu verzögern, zu lindern oder zu heilen? Dann wäre jede Behandlung ein Experiment am lebenden Objekt mit zweifelhaftem Ausgang."

Für mich persönlich ist die Sache klar: Alternative Heilmethoden, wie etwa Homöopathie oder Osteopathie, kommen für mich nicht in Frage. Dennoch kenne ich natürlich auch Menschen aus meinem eigenen Umfeld, die zum Beispiel regelmäßig zur Heilpraktikerin gehen. Das kann ich gut aushalten. Weder verurteile ich sie, noch versuche ich sie davon abzubringen. Ich halte auch keine ungefragten Vorträge oder versuche sie aktiv zu "bekehren". Wer bin ich denn das zu tun? Wer mich frägt, weshalb ich eine solche Abneigung gegenüber dem Thema "Alternative Heilmethoden" habe, bekommt ganz klar eine Antwort. Ansonsten dränge ich mich nicht auf. Das ist nicht meine Art und würde somit nicht zu mir passen.

Ich schreibe daher viel lieber Texte ins Netz, um solche Themen auszuführen und zu sensibilisieren. Weil ich Aufklärung für wichtig erachte. Und genau das ist eine Idee dieses Newsletters. 

Dieser Text war eine kleine, knappe Einführung in ein größeres und sehr komplexes Thema. Das Thema Esoterik und Alternative Heilmethoden ist hier noch nicht zu Ende. Es gibt noch so viel zu sagen und Schwerpunkte zu setzen. Ich werde dies sicherlich an der ein oder anderen Stelle wieder aufgreifen.

Was ich noch sagen möchte:

Ich weiß: Es gibt derzeit so viele tolle und wertvolle Newsletter, die von wunderbaren Menschen geschrieben werden. Das Angebot ist riesig. Daher habe ich mich auch immer wieder gefragt: Macht es wirklich Sinn ebenfalls ein solches Angebot zu machen? Ist da nicht die Gefahr groß, dass aufgrund des Überangebots dieser Newsletter total untergeht? Und ja: Es ist - realistisch gesehen - auf jeden Fall so. Da mache ich mir nichts vor. 

Ich habe nun dennoch beschlossen diesem Projekt eine Chance zu geben. Vielleicht erreiche ich eine kleine, aber feine Stammleser*innenschaft und damit wäre für mich schon sehr viel erreicht. 

Ich bin gespannt wie sich dieses Projekt entwickelt. 

Denn ich möchte schreiben: Über das Leben, das Mensch-sein, über die Gefahren von rechten Strömungen und über Wissenschaft. 

Alles Liebe,

Sandra