The Black Onyx: Ein Rollenspiel küsst Japan wach
Nachdem ich das hierzulande kaum bekannte The Black Onyx (1984) im Podcast DoubleXP (Abre numa nova janela) mit Jochen Gebauer erwähnte, sei der spielhistorische Grund dazu kurz erläutert. Wenn ich nach den Wurzeln japanischer Rollenspiele (JRPG) gefragt wurde, fielen mir meist die drei populären Marken ein: DragonQuest (1986), Final Fantasy (1987) und Phantasy Star (1987).
Sie alle haben das damals noch junge Rollenspiel auf unterschiedliche Art interpretiert und sehr erfolgreiche Reihen etabliert, wobei Phantasy Star von Sega übrigens als erstes Spiel den bis heute prägenden Anime-Stil verwendete. Doch die Ursprünge des Genres liegen etwas weiter zurück, sowohl im Westen als auch Osten.
Im Rahmen meiner Recherche stieß ich bereits auf einige japanische Prototypen aus den früher 80ern, die noch weitgehend unabhängig von westlichen Einflüssen auf 8-Bit-Maschinen wie PC-88, Sharp X1 oder FM-7 in Dungeons entführten. Viele sind leider verloren, aber der älteste von ihnen heißt Underground Exploration (1982) und kam von Koei - dazu gab es diese Erkundung (Abre numa nova janela).
Mann kann darüber diskutieren, ob Spiele dieser Art schon JRPG waren, aber Vorläufer passt deutlich besser, denn die meisten erinnerten noch an abstrakte Text-Adventures. Zumal das Rollenspiel als Begriff zu dieser Zeit in Japan nicht geläufig war; Koei nannte sein Spiel damals Simulation Game. Es sollte jedoch nicht lange dauern, bis das Roleplaying Game als neues Genre die ganze Insel wach küssen sollte.
Daran hatte ein Spiel den größten Anteil, noch bevor Wizardry (1985, FM-7) und Ultima (1988, PC-88; Sharp X1) in Japan auf dem NES so richtig populär wurden: The Black Onyx von Bullet-Proof Software. Das erschien 1984 auf dem PC-88 von NEC und schlug quasi ein wie ein Feuerball. Es wurde zum Spiel des Jahres gekürt, war mit über 150.000 verkauften Einheiten ein Bestseller und etablierte als erstes japanisches Computerspiel das Rollenspiel als Genre. Inhaltlich klang das alles recht bekannt, denn es orientierte sich auch hinsichtlich seiner düsteren Art stark an Wizardy (1981):
Aus der Egosicht ist man mit seiner Gruppe aus fünf Helden auf der Suche nach einem legendären Turm, in dem sich angeblich der schwarze Onyx befindet. Dieser soll den Fluch einer in Dunkelheit versunkenen Stadt namens Utsuro bannen sowie ewige Jugend und Glück bringen. Man wechselt zwischen der Stadt und einem sechs Etagen tiefen Dungeon voller Monster, kann aber auch NPC mit aufnehmen. Nur wenn man diese Level in richtiger Reihenfolge meistert, öffnet sich ein Zugang zum Turm samt Artefakt.
Auch wenn das wie ein Wizardry-Klon anmutet, obwohl ebenso eine Nähe zu Vorläufern wie Oubliette (1977) oder Temple of Apshai (1979) besteht, konnte The Black Onyx einiges an Innovationen hinzufügen, darunter die erste Charakteranpassung des Genres; die Helden änderten sogar ihr Äußeres je nach Ausrüstung. Außerdem gab es farbige Lebensbalken statt numerischer Hitpoints. Es ist also nicht etwa so, dass da nur kopiert wurde. Trotzdem waren die westlichen Einflüsse selbst auf dem Cover offensichtlich, das sich am Film sowie der Ästhetik von Conan the Barbarian (Abre numa nova janela) orientierte, der gerade populär war.
Die Nähe zum Spiel von Sir-Tech kam natürlich nicht von ungefähr, denn die Idee dazu hatte ein von Amerika nach Japan ausgewanderter Wizardy- & D&D-Fan namens Henk Rogers, den einige vielleicht in Bezug auf Tetris kennen - auch diesen Klassiker brachte er 1988 (samt der umkämpften Lizenz) quasi nach Japan, wo es dann u.a. von Nintendo portiert wurde.
Aber ein paar Jahre vorher entwickelte er The Black Onyx. Rogers benötigte eigenen Angaben zufolge etwa neun Monate, um dieses Solo-Projekt zu verwirklichen, das in der ersten Version schmale 55 Kilobyte (!) klein war. Ursprünglich wollte er mehrere Klassen anbieten, aber aus Zeit- und Platzgründen blieb es beim Warrior.
Allerdings musste er zunächst einige Überzeugungsarbeit leisten: Als erst die japanischen Publisher und dann die Redakteure nicht verstanden, was so ein Rollenspiel sein soll, zumal sie auch kein Pen&Paper kannten, versuchte es Rogers mit Übersetzern und Spielsitzungen direkt in deren Büros. Vor allem von der Charaktererstellung samt individuellem Aussehen waren diese wohl begeistert; die ersten Kritiken fielen sehr positiv aus.
Der kommerzielle und spielerische Erfolg von The Black Onyx inspirierte schließlich andere japanische Entwickler wie Chunsoft, so dass 1986 DragonWarrior aka DragonQuest für das Famicom/NES folgte. Und das gilt als das erste typische JRPG. Zwar wurden bekannte Elemente wie rundenbasierte Kämpfe oder das Gruppen-Management weiter ausgebaut. Aber jetzt kamen auch charakteristische Unterschiede hinzu, sowohl was die im Vergleich zu westlichen Vorbildern buntere Kulisse als auch die stringentere Erzählweise betraf. Aber das ist eine andere Geschichte.
PS: Es gibt in Japan übrigens die Legende vom so genannten Hohl-Schiff, dem Utsuro-bune. Inwiefern das mit der (fast) gleichnamigen Stadt aus The Black Onyx in Verbindung steht, konnte ich bisher nicht herausfinden.
(Bilder: Oben: The Black Onyx, PC-88, 1984, Screenshot von Mobygames (Abre numa nova janela); Unten: The Black Onyx, PC-98, 1984, Cover von Mobygames (Abre numa nova janela).)