Ein Märchen für mehr Lachen und Lebensfreude
Als Schreibtherapeutin und Coach weiß ich, wie wichtig es ist, seine eigenen Gefühle anzunehmen und auszudrücken. Ich weiß es aus eigener, leidvoller Erfahrung, die mich einst an den Rand des Abgrunds brachte.
Ich bin heute noch soooo dankbar dafür, dass die Märchen mich gefunden haben und mein Leben in eine völlig andere Richtung drängten.
Eines Tages war ich sehr, sehr traurig und sah das Licht am Horizont nicht mehr. Ich setzte mich nieder und wollte mir den Ballast von der Seele schreiben. Dabei heraus kam das Märchen , dass du hier lesen kannst.
In diesem Märchen finden wir eine wundervolle Metapher für die täglichen Herausforderungen, denen wir begegnen können, wenn wir versuchen, unsere Authentizität zu leben.
Der kleine Papagei lehrt uns, dass es okay ist, anders zu sein und dass wir nicht die Zustimmung anderer brauchen, um glücklich zu sein und zu lachen.
Wie der Papagei sein Lebenslicht verschenken wollte
© Gudrun Anders
Es war einmal ein kleiner, bunter Papagei, der mit vielen anderen Artgenossen in einem schönen Wald lebte. Eigentlich liebte der Papagei das Leben, denn es gab viel zu sehen und zu hören und noch viel mehr zu entdecken. Aber es gab auch Momente im Leben des Papageis, wo er traurig war.
Seine Eltern rügten ihn nämlich oft, wenn es darum ging, seine Lebendigkeit und Fröhlichkeit aus sich heraus zu lassen. Er war ein fröhlicher Papagei, der lachen wollte. Aber seine Eltern verstanden das nicht recht, und weil sie es nicht verstanden, durfte ihr kleiner Sohn nicht anders sein als sie selbst. Genau das waren die Momente, in denen der Papagei stunden- und tagelang traurig in der Ecke saß und sich fragte, warum er eigentlich hier auf der Welt war, wenn das Lachen verboten war.
Eines Tages war es wieder einmal so weit. Wegen einer klitzekleinen Kleinigkeit tadelten ihn die Eltern und sofort liefen Tränen auf dem Gesicht des kleinen, bunten Papageien herunter. Wieder einmal verstand er die Welt nicht mehr. Was war denn die Welt ohne Lachen noch wert?
Traurig sonderte er sich von den Anderen ab, denn er wollte niemanden hören und mit niemandem sprechen. Ich werde mein Lebenslicht dem lieben Gott zurückgeben, dachte der Papagei bei sich, als er langsam und mit gesenktem Haupt den Waldweg hinunter schlurfte. Es war bereits dunkel und seine Kameraden schliefen schon. Nur der Vollmond warf noch sein Licht auf den Wald. Und so wanderte er weiter und kam an einem Briefkasten vorbei. Dort machte er Halt.
Das ist es, dachte der Papagei. Ich werde dem lieben Gott mein Lebenslicht per Post zuschicken. Soll der doch sehen, was er damit macht. Dann nahm er einen Zettel, schrieb darauf an den lieben Gott, dass er sein Lebenslicht hiermit wieder abgeben wollte und warf den Zettel in den Briefkasten. Dann legte er sich unter den Briefkasten zur Ruhe und wollte auf die Antwort warten. Als er bereits beim Einschlafen war, spuckte der Briefkasten den Zettel plötzlich wieder aus und ihm genau vor die Füße.
„He, was soll das?“ rief der Papagei aufgebracht. „Du kannst doch nicht so einfach meinen Zettel wieder ausspucken!“
„Erstens kommt der Zettel nicht an, wenn du keine Adresse drauf schreibst und zweitens ist das nicht so einfach wie du denkst, dein Lebenslicht abzugeben. Hier auf Erden funktioniert es so, dass der liebe Gott dir sagt, wann du es wieder abgeben darfst und nicht umgekehrt.“
„Mag ja sein, “ grunzte der Papagei, „ich habe aber keine Lust mehr. Ich will mein Lebenslicht nicht mehr. Der liebe Gott soll es gefälligst zurücknehmen. Die Welt ist so blöd, wenn man nicht mal mehr lachen darf.“
„Wer sagt das?“ fragte der Briefkasten.
„Na, meine Eltern“, sagte der kleine Papagei. „Die wollen einfach nicht, dass ich lache und fröhlich bin. Was also soll ich hier auf Erden?“
„Soll ich es dir sagen?“ fragte der Briefkasten und sprach, ohne eine Antwort abzuwarten, weiter: „Du bist hier, um zu lernen, auch dann noch zu lachen, wenn andere es nicht wollen! Was kümmert es dich, wenn deine Eltern nicht lachen können oder wollen? Du lebst doch dein eigenes Leben. Gewiss ist es ganz schön doof, wenn selbst die Eltern einen nicht verstehen, ich kenne was davon. Aber warum nimmst du deren Traurigkeit an, wenn du ganz genau fühlst, das es dir damit schlecht geht?“
Der Papagei war ruhig geworden und dachte nach. Eigentlich hatte der Briefkasten ja Recht mit dem, was er sagte. Warum kümmert er sich dann darum, dass andere ihn rügten, wann er lustig war? Eigentlich war das Quatsch, das sah er ein. Aber es tat ihm weh, zu sehen, dass seine Eltern traurig waren und er lachte. Und dennoch: sie mussten einsehen, dass sie verkehrt lagen und nicht er.
Er überlegte noch eine Weile, dann bedankte er sich bei dem Briefkasten für die Tipps und versprach, darüber noch weiter nachzudenken.
Der Papagei machte es sich gemütlich und blickte zum Vollmond auf und schlief dann bald ein. In der Nacht träumte er, dass auch der Mond ihm noch einmal sagte, dass er sich nicht darum kümmern sollte, was andere tun. Er sollte lachen, wenn er Spaß daran hatte und sich nicht darum kümmern, ob anderen das gefiel oder nicht. Der Mond sagte ihm, dass er zu sich selber stehen sollte, dann würde es ihm gut gehen und auch der liebe Gott wäre zufrieden mit ihm.
Als der Papagei am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich wieder gut und um eine Erkenntnis reicher. Fröhlich und beschwingt nahm er seinen Zettel und zerriss ihn in tausend kleine Teile.
Er wollte jetzt sein Lebenslicht behalten und mehr noch: Er wollte seinen Eltern und allen anderen Lebewesen mitteilen, dass Fröhlichkeit und Lachen die schönsten Dinge auf der Welt waren.
Er wollte sich von anderen nicht mehr in die Traurigkeit hineinziehen lassen. Das stand für ihn jetzt fest wie das Amen in der Kirche. Der kleine Papagei tat es auch.
Es dauerte gar nicht lange, bis er überall für seine Fröhlichkeit bekannt war. Bald kamen viele Menschen zu ihm und ließen sich von ihm erzählen, wie sie für immer fröhlich sein konnten.
Und wenn er nicht gestorben ist, dann lacht er auch noch heute!
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