Der Blues der Nonne
Emahoy Tsegué-Maryam Guèbrou: The Homeless Wanderer (1960/70er)
Blues wie aus einem Paralleluniversum – geschrieben von einer feministischen Nonne aus Äthiopien: Heute nehmen wir einen besonders gut versteckten Schleichweg.
Emahoy Guèbrou, geboren 1923 in den besseren Kreisen Äthiopiens, ins Schweizer Mädcheninternat geschickt, erhält klassischen Musikunterricht erst dort, dann in Kairo, verwirft ihre Pläne, Pianistin zu werden, geht ins Kloster, lebt zehn Jahre barfuß auf einem Berggipfel als Nonne (wo sie den Namen Emahoy annimmt). 1935 fällt Mussolini in ihre Heimat ein. Im völkerrechtswidrigen Abessinienkrieg, dem letzten und größten kolonialen Eroberungsfeldzug der Geschichte, verliert Emahoy drei Familienmitglieder.
Sie geht als erste Frau in den äthiopischen Staatsdienst, ist die erste Frau, die für den orthodoxen Patriarchen in Jerusalem übersetzt. Vor allem aber entwickelt sie eine eigene musikalische Sprache, die klingt als wäre Duke Ellington durch orthodoxe Pentatonik gegangen, um Chopin zu besuchen. Oder umgekehrt.
Im Jahr 2008, Emahoy ist mittlerweile 85, wird sie durch die Veröffentlichung der CD “Ethiopiques 21 (Abre numa nova janela)” endlich einem breiteren (aber immer noch sehr schmalen) Publikum bekannt. Auf der CD spielt sie ihre Stücke selbst ein. 2013 veröffentlicht die israelische Künstlerin Maya Dunietz erstmals die Noten zu Emahoys Musik. Dunietz ist es auch, die mit der Musik der komponierenden Nonne um die Welt tourt. In unserem heutigen Video spielt sie Emahoy Guèbros “Homeless Wanderer” und es lohnt sich, in diese merkwürdige, charmante, lässige Musik hineinzuhören:
https://www.youtube.com/watch?v=TcfNvhU2RkE (Abre numa nova janela)Links: YouTube (Abre numa nova janela), das ganze Album auf Spotify (Abre numa nova janela).
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Gabriel