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Q

Quelle

Diese Scham. Plötzlich wuchern die Haare, überall, wie bei einem Affen. Die Schule verlangt einen Gymnastikanzug für den verhassten Sportunterricht. Komisch, der ist ja Mangelware in den staubigen Sportläden des sozialistischen Landes. Eigentlich müsste man sagen, der ist ja nicht zu kriegen, also befreit mich doch von Stangenklettern, Bocksprüngen und Schwebebalken, dem Beinespreizen. Von den Brechreiz verursachenden, nach Schweiß, Staub und Bohnerwachs stinkenden Umkleideräumen, den von Angstschweiß und Teenagerhormonen verpesteten Turnhallen.

Man muss ihn tragen, anders als beinfrei ist der Sportunterricht nicht gestattet. Manche ergattern irgendwie ein farbenfrohes Polyesterding; das stinkt schon, bevor darin geschwitzt wird. Wenn sie jetzt mal aufhören würde zu wachsen, würde ihr vielleicht der schwarze Baumwollanzug noch das Schuljahr über passen, den sie in einem Ballettfundus hat mitgehen lassen. Aber der löst nur ein Problem. Er sitzt zwar fest am Oberkörper, aber die Beine sind ja frei - und der Schritt ist so schmal geschnitten. 

Die Sportlehrer sind sowieso die schlimmsten. Alle scheinen auf der Suche nach Talenten für eine Olympiade zu sein, für eine Drill-Sportschule. Bitterkalter, unerbittlicher deutscher „Gesunder Körper - gesunder Geist“. Im Kasernenton wird gebellt, hier gilt es Höchstleistungen zu erbringen. Und das in diesen, den unfertigen Körper so bloßlegenden, unbarmherzigen Anzügen. Sie möchte sich verhüllen von Kopf bis Fuß. Möchte selbst nicht sehen, was da vor sich geht. Niemand soll das sehen.

Aber so sind die Regeln. Gymnastikanzug. Wie demütigend und peinlich alles. Wie schrecklich auch, dass die Jungs sie plötzlich so aus dem Augenwinkel anschielen, ihre Bande. Da wächst was auf ihrer Brust, es ist einfach nicht zu stoppen. Sie will nicht, dass die so komisch werden zu ihr jetzt. Bis gestern waren es doch einfach ihre Buddies, sie eine von ihnen.

Die Mädchen in ihrer Klasse, sowieso allesamt dumme Zicken, beäugen und betrachten sich gegenseitig. Aus den früher verständnislosen Blicken auf sie werden nun herablassende, abschätzende und manchmal begegnet ihr regelrechter Hass.

Warum die das irgendwie wundervoll finden und miteinander vergleichen, wer mehr oder weniger von diesem befremdlichen Etwas auf sich wachsen hat. Die sind doof, ja klar, aber die machen ihr das Leben jetzt schwer.

Diese Blutungen plötzlich und nichts, womit man das eindämmen kann. Es gibt auch keine gescheiten Hygieneartikel in dem abgerockten Land. Die Binden kleben nicht. Wie auch. In ihrem Herbarium löst sich ja auch schon nach kurzer Zeit der Klebestreifen auf, nur durch Rumliegen im Regal. Nicht mal Zeichenblöcke können die leimen. Hat man mal irgendwo ein kostbares Heft mit Aquarellpapier ergattert, kommt man schon zu Hause nur mehr mit Einzelblättern an.

Die vorsintflutlichen Tampons sind so halbgepresste Wattebällchen, von einem Netz aus Kunstfasern überzogen wie ein Fischernetz - vielleicht besser als die Binden, aber wie funktioniert das? Wo macht man das hin? In sich hinein etwa?

Keiner erklärt es ihr und wen soll man fragen? Diese ganz natürliche Sache, die ist doch einfach nur schrecklich und beschämend. Ein schlecht klebendes Ungetüm zwischen den Beinen, das riecht und verrutscht. Stinkende, dreckige Schultoiletten, auf die man ja jetzt muss. Diesen Dreck kann man sich nicht verkneifen. Haben es die Jungs gut. Die pinkeln zur Not in das ungepflegte Grün am Schultor und fertig.

Die Mädchen in der Klasse finden es ganz aufregend und sind irgendwie stolz darauf, nun eine Frau zu werden. Sie bilden sich ein, mit diesem ganzen widerlichen Scheiß schon eine zu sein, kichern ständig und dichten sich in Verliebtheiten hinein.

Sie will das nicht. Das ist alles unwürdig und zu viel. Nicht, dass sie wieder ein Kind sein will. Kindsein war nichts für sie gewesen.

Erwachsen wollte sie werden. Aber das. Das alles, das wollte sie nicht. Einfach nur älter werden und mündig. Selbst bestimmen können über sich, ihr Tun und Lassen, das hatte sie ersehnt. Das war der Preis? Dieses Wuchern und Bluten, die Schmerzen, die Scham, die Blicke? Und dass sich ein merkwürdiges Etwas zwischen sie und die Jungs schiebt, dass sie irritiert, dass sie nicht versteht. Sie versucht, diese Merkwürdigkeiten zu ignorieren.

Das geht schief.

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