Liebe Pfefferhasis und Newsletter-Mäuse,
seit sechs Wochen läuft nun schon meine kleine Serie zu rechtspopulistischen Gesprächsstrategien und möglichen Gegenargumenten. Diese Woche widme ich mich der Strategie des vermeintlichen Tabubruchs, des Ansprechens des „Elefanten im Raum“. Ein klassisches Beispiel dafür ist das Folgende:
„Wir dürfen müssen endlich die Wahrheit sagen: Es kommen zu viele Migranten nach Deutschland!“
Wer das sagt, tut so, als gäbe es eine „Wahrheit“, die sich andere, z.B. aufgrund angeblicher „political correctness“, nicht trauen würden, auszusprechen. Der vermeintlichen Tabubruch – also das Aussprechen genau dieser angeblichen „Wahrheit“ – zeugt vom Mut des Sprechenden und delegitimiert gleichzeitig jedes Gegenargument vorab. Die Behauptung, dass es Themen gibt, die absichtlich übersehen oder nicht offen diskutiert würden, soll den Eindruck erwecken, dass eine „ehrliche“ Debatte nur von jenen geführt wird, die bereit sind, die Normen der politischen Korrektheit zu durchbrechen. Die aktuelle Kampagne der NZZ „Ansprechen, was im Raum steht“ (Abre numa nova janela), ist ein Beispiel dafür, wie diese rechtspopulistische Strategie in einer renommierten Publikation zur Anwendung kommt.
Ganz unabhängig vom Inhalt können wir diesen Pseudo-Tabubrüchen generell begegnen, indem wir darauf aufmerksam machen, dass es sich keinesfalls um ein mutiges Ansprechen einer angeblich tabuisierten Wahrheit handelt, sondern vielmehr um eine populistische Strategie. Das Thema Migration zum Beispiel wird regelmäßig in Medien und politischen Debatten behandelt, dominiert häufig sogar. Wir können dann darauf hinweisen, dass eine Verkürzung der Debatte auf die Anzahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, nicht zielführend ist. Migration ist ein komplexes Thema, bei dem es u.a. auch um die Ursachen wie Kriege, die Folgen der Klimakatastrophe und globale Ungerechtigkeit durch Kapitalismus und Kolonialismus geht. Vermeintlich einfache Lösungen wie Abschottung und Abschiebungen verstoßen nicht nur gegen die Menschenrechte, sondern sind außerdem langfristig kontraproduktiv.
Ich hoffe, das hilft ein bisschen weiter. Ihr könnt mir weiterhin gern Situationen schildern oder Aussagen schicken, für die ihr euch Unterstützung und Argumente wünscht. Einfach auf den Newsletter antworten oder schreibt mir bei Instagram :)
Im Wochenrückblick geht es u.a. um die frauenverachtenden Aussagen von Friedrich Merz, den peinlichen Auftritt von Clemens Meyer beim Deutschen Buchpreis, eine Antifa-Demo in Marzahn-Hellersdorf und den Tod eines Radfahrers in Paris.
Das wars für heute, ich hoffe, ihr kommt gut durch die Woche, passt auf euch und aufeinander auf
Ulla