Liebe Pfefferhasis und Newsletter-Mäuse,
heute wird es keinen Wochenrückblick geben, ich nutze den morgigen Feiertag als verlängerten Sonntag und reiche ihn nach. Ein zweitägiger Workshop gestern und heute hat mich zu sehr geschlaucht, ich brauchte erstmal ein Schläfchen und jetzt reicht die Zeit nur noch für den Newsletter.
In dieser Woche wurde der Referent*innenentwurf für das geplante Selbstbestimmungsgesetz an die entsprechenden Verbände und Interessenvertretungen versandt. Ich habe das Dokument vorliegen und bin mir nicht sicher, ob ich weiterhin von "Selbstbestimmungsgesetz" sprechen möchte. Denn von der Selbstbestimmung ist auf den 64 Seiten nicht mehr so viel übrig. In einem Kommentar für Zeit Online nennt es Nina Monecke sehr viel treffender "Saunaschutzgesetz" (Abre numa nova janela). Denn statt das Recht auf körperliche und geschlechtliche Selbstbestimmung betont der Gesetzentwurf in seiner jetzigen Fassung vor allem, dass trans Frauen auch in Zukunft nicht uneingeschränkt Anerkennung erhalten sollen. Es erweckt den Anschein, dass transfeindliche Aktivist*innen und christliche Fundis massiven Einfluss auf die Gestaltung des Textes genommen haben. So ist neben der bereits öffentlich diskutierten Hausrecht-Klausel u.a. auch zu lesen: „Die rechtliche Zuordnung einer Person zum männlichen Geschlecht bleibt, soweit es den Dienst an der Waffe (…) für die Dauer des Spannungs- oder Verteidigungsfalls (…) bestehen, wenn in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit diesem die Änderung des Geschlechtseintrags von „männlich“ zu „weiblich“ oder „divers“ oder die Streichung der Angabe zum Geschlechtseintrag erklärt wird, sofern dies im Einzelfall keine unbillige Härte darstellen würde.“ Das heißt nichts anderes als: trans Frauen, die ihren Geschlechtseintrag „ab einem Zeitpunkt von zwei Monaten vor Feststellung des Spannungs- oder Verteidigungsfalls sowie während desselben“ ändern lassen, rechtlich als Männer gelten und zum Kriegsdienst gezwungen werden können. Wie zynisch ist so ein Passus auch angesichts der Berichte zahlreicher ukrainischer trans Frauen (Abre numa nova janela), die nicht nur durch den russischen Angriffskrieg bedroht sind, sondern auch von der ukrainischen Armee verfolgt werden, wenn sie sich weigern zu kämpfen.
Auch dem angeblich bedrohten „Frauensport“ widmet sich der Entwurf und hält fest: „Die Bewertung sportlicher Leistungen kann unabhängig von dem aktuellen Geschlechtseintrag geregelt werden.“ Ja, okay, bin eh dafür, dass wir Wettkämpfe nicht nach binärgeschlechtlicher Logik organisieren, aber was hat dieser Passus in einem Gesetz zur Selbstbestimmung verloren? Auch trägt der Entwurf der „Besorgnis“ (fette Anführungszeichen!) transfeindlicher Radfems Rechnung und geht auf „den Zugang zu Einrichtungen und Räumen sowie die Teilnahme an Veranstaltungen“ ein. Es heißt, dass „das Hausrecht des jeweiligen Eigentümers oder Besitzers und das Recht juristischer Personen, ihre Angelegenheiten durch Satzung zu regeln“ vom Recht auf Selbstbestimmung des Geschlechtseintrags „unberührt“ bleiben. Na, vielen Dank auch. Als Justizminister Buschmann vor Wochen das erste Mal öffentlich über die vermeintliche Bedrohung von Frauensaunen (Abre numa nova janela) schwadronierte, wies die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, zurecht darauf hin, dass solch eine Regelung nicht mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vereinbar ist (Abre numa nova janela): „Pauschale Ausschlüsse von Menschen wegen ihrer geschlechtlichen Identität, ob im Job, auf dem Wohnungsmarkt oder in der Sauna, darf es auch in Zukunft nicht geben“, sagte Ataman und stellte klar: „Eine Person ausschließlich wegen ihres Aussehens abzuweisen, ist und bleibt unzulässig.“ Trotzdem steht dieser Passus nun in einem Gesetzesentwurf, der ursprünglich dazu dienen sollte, trans Personen vor Diskriminierung zu schützen. Nun ist vom Schutz nicht mehr viel übrig.
Denn während im Eckpunktepapier (Abre numa nova janela), das im Juni 2022 veröffentlicht wurde, „Anerkennungsleistungen für trans- und intergeschlechtliche Personen, die aufgrund früherer Gesetzgebung von Körperverletzungen oder Zwangsscheidungen betroffen sind“ in Aussicht gestellt wurden, ist davon im aktuellen Entwurf keine Rede mehr. Auch das versprochene „bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot“ wurde verwässert, denn das Verbot von Outing, Deadnaming und misgendern einer trans Person bleibt in bestimmten Fällen zulässig. Nämlich dann, wenn „besondere Gründe des öffentlichen Interesses dies erfordern oder ein rechtliches Interesse glaubhaft gemacht wird“. Kein verlässlicher Schutz vor Outing durch Dritte, keine Entschädigung für erlebtes Unrecht durch das Transsexuellengesetz (wie erzwungene Sterilisation oder Zwangsscheidung).
Und als wären die Paragrafen des geplanten Gesetzes noch nicht genügend Schläge ins Gesicht von trans Personen, die seit Jahren auf ihre Rechte warten, haben sich die Vertreter*innen von SPD, Grünen und FDP noch darauf geeinigt, dass trans Mütter auch in Zukunft „Vater“ in der Geburtsurkunde ihres Kindes bleiben und trans Väter weiterhin „Mutter“. Der entsprechende Paragraf 11 (Eltern-Kind-Verhältnis) besagt: „Der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister ist für das (…) bestehende oder künftig begründete Rechtsverhältnis zwischen einer Person und ihren Kindern unerheblich“.
Trans Frauen, die zu einer Haftstrafe verurteilt werden, droht auch in Zukunft die Unterbringung im Männergefängnis: „Die Unterbringung von Strafgefangenen muss sich nicht allein am Geschlechtseintrag orientieren, das SBGG gebietet mithin nicht, dass Personen immer entsprechend ihrem personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag in einer entsprechenden Anstalt untergebracht werden“, heißt es auf Seite 45 des Entwurfs.
Es ist unerträglich, wie sehr die transfeindliche Hetze, die Lügen und das gestreute Misstrauen Einfluss auf ein Gesetz genommen haben, das dafür gedacht war, eine der am stärksten marginalisierten Gruppen unserer Gesellschaft zu schützen und ihr grundlegende Rechte zu garantieren. Die von TERFs und anderen Rechten verbreiteten Horrormärchen von trans Frauen, die in „Frauensaunen“ eindringen, haben diesen Gesetzentwurf mitgeschrieben. Die Regierungskoalition hat der Behauptung, trans Frauen seien eine (potenzielle) Gefahr, eine mächtige Stimme am Verhandlungstisch gegeben und das Ergebnis ist ein Entwurf, der vielen Betroffenen mehr Verletzungen zufügt, als Hoffnung schenkt. Dieser Gesetzesentwurf ist eine Schande für Deutschland.
Doch es ist noch nicht alles verloren. Denn noch ist dieser transfeindliche Text des Misstrauens und der Stigmatisierung nicht in geltendes Recht gegossen. Es ist an Betroffenen, ihren Verbänden und Interessenvertretungen, vor allem aber auch an unseren Verbündeten, jetzt laut zu sein und Druck zu machen. Trans und nicht binäre Menschen verdienen ein Gesetz, das sie achtet und schützt, das ihnen die gleichen Rechte gewährt, die allen Menschen zugestanden werden. Es ist an der Zeit.
Was sonst noch los war letzte Woche, lest ihr morgen im Wochenrückblick auf feminismuss.de (Abre numa nova janela).
Bis dahin, habt es gut und passt auf euch und einander auf,
Hasengrüße!
Ulla