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Drei Aktenkoffer Bares und überhaupt zu viel Geld

Ja, wie kann es sein, dass deutsche Banken jahrelang Millionen Euro bar an "dubiose" Geschäftsleute auszahlten, wie Report München (Abre numa nova janela) berichtete? 70 Millionen Euro (passen in knapp drei Aktenkoffer, 20 Mio Euro füllen einen Aktenkoffer, wer gut packt, kriegt sogar 25 Millionen rein. Geld ist auch eine Frage der Logistik: Eine Million € in 500er-Scheinen wiegen zweieinhalb Kilo, die gleiche Summe in Dollar ist elf Kilo schwer, deshalb ziehen die Bosse den Euro vor. Schließlich sind sie auch nur Menschen mit Problemen, die nicht wissen, wohin mit dem Geld (Abre numa nova janela)).

Bei uns wird die Geldwäsche nicht etwa mit der fehlenden Bargeldobergrenze in Deutschland zu tun haben? Die Mafia nutzt Bayern doch nur als Ruheraum, hat uns doch der bayerische Innenminister erst vor kurzem versichert! Aber wahrscheinlich hat er mit "Ruheraum" gemeint: Okay, okay, alles halb so wild mit der Mafia, Gottchen ja, ein paar Bargeldgeschäfte hier und da, was soll das schaden? Wir sind ein freies Land mit einer freien Bargeldobergrenze! Und was können wir dafür, wenn die Bank keine Verdachtsmeldung liefert?

Ich wurde hin und wieder von Geldwäschebeauftragten zu ihren Kongressen eingeladen und da haben mir einige hinter vorgehaltener Hand oder auch ganz offen gesagt, dass es so eine Sache sei, mit den Verdachtsmeldungen. Und es vor allem davon abhänge, wer der Investor sei, welche Rolle er im kommunalen Gefüge spiele und wie es mit der wirtschaftlichen Lage der Gemeinde aussehe. Denn wenn ein potenter Investor daherkomme, tendierten die Bankdirektoren dazu, ihre Geldwäschebeauftragten anzuweisen, angesichts der Wirtschaftslage in diesem strukturschwachen Gebiet ein Auge zuzudrücken. Klar, dass die Verlockung, den schwarzen Peter einfach den Banken zuzuschieben, für Politiker einfach zu groß ist.

Und wenn man Geld hat, darf man in Venedig, dieser kleinen Stadt im Wasser, auch den Dogenpalast zwei Abende lang für eine Werbeveranstaltung mieten, so geschehen für Bulgari, der 800 exklusive Kunden einlud - denen man weder den Anblick Souvenirstände als auch der Souvenirfotografen auf dem Markusplatz zumuten konnte, weshalb sie zu verschwinden hatten. Auch das Kaffeehausorchester des Caffè Chioggia musste verstummen, um keine Vibrationen auf den mit kostbaren Brillantcolliers geschmückten Dekolletés auszulösen.

Die Gruppe Venessia.com (Abre numa nova janela) hat daraufhin den Dogenpalast richtigerweise in die Airbnb-Werbung aufgenommen:

Der Preis, den Bulgari dafür der Stadt Venedig gezahlt hat, ist supergeheim. Eingeladen zur Gala wurde nur Bürgermeister Brugnaro. Ähem. Und weil es in Venedig allein ums Geschäft geht, fragt man sich, warum man nicht schon früher auf die Idee gekommen ist, den Dogenpalast für Geburtstagsfeiern, Hochzeiten, Kommunionfeiern, Firmungen und Junggesellenabschiede zu vermieten:

Wenn man weniger oder möglicherweise gar kein Geld hat, ist das natürlich blöd. Genauer gesagt, ist derjenige, der kein Geld hat, blöd. So sieht das Bürgermeister Brugnaro, der einem der wegen der hohen Mietpreise in Zelten kampierenden Studenten (Abre numa nova janela) den Rat gab: »Wenn du dich um 700 Euro für einen Schlafplatz abzocken lässt, dann hast du keinen Uni-Abschluss verdient.«

Das was Sie hier sehen, ist die geradezu revolutionäre Idee des österreichischen Pavillons auf der Architekturbiennale: Er hat die raumfressende Rolle der Biennale in Venedig zum Gegenstand seines Pavillons gemacht.

Uns Venezianern ist natürlich bewusst, wie sehr die Biennale dazu beiträgt, die Venezianer aus ihrer eigenen Stadt zu verdrängen - nicht aber dem internationalen Publikum (und dem italienischen Publikum auch nicht). Der Pavillon thematisiert die seit der Gründung erfolgte stetige Ausdehnung der internationalen Biennale und den Ausschluss der Venezianer aus den von ihr genutzten Räumen: Monatelang stehen die Pavillons leer, die Giardini dürfen nicht betreten werden, und seitdem die Biennale auf die ganze Stadt ausgedehnt wurde, haben sich viele Palazzi in Ausstellungsräume verwandelt, was die Immobilienspekulation in astronomische Höhen schießen ließ.

Das Architekturkollektiv AKT und der österreichische Architekt Hermann Czech planten, eine Hälfte des Österreichischen Pavillons vom benachbarten Sant’Elena aus frei zugänglich zu machen: Schließlich war „Partecipazione“, Beteiligung, eine der Kernforderungen der ersten Architekturausstellungen der Biennale in den 1970er-Jahren, ebenso die Auseinandersetzung mit Venedig und den drängenden Fragen vor Ort.

Die österreichische Idee eines Zugangs durch der Grenzmauer, durch den die Venezianer die Biennale hätten betreten können, wurde - natürlich - sogleich verboten, ebenso wurde eine Brücke zwischen Stadt und Pavillon untersagt.

Im österreichischen Pavillon sind die Ergebnisse dieses Versuchs der Öffnung zu sehen: Dazu gehört ein Veranstaltungsprogramm mit Venezianern und venezianischen Initiativen, das über sechs Monate läuft und klarmachen will, wie die touristische Monokultur, die ökonomische Ausbeutung der Stadt und der Verlust von Infrastruktur zur Entvölkerung Venedigs beigetragen haben.

Die Biennale kann sich ihrer großen Verantwortung nicht entziehen, denn die Frage ist - wie die venezianische Initiative "We are here Venice" feststellt: "Kann eine Organisation die Auseinandersetzung mit sozialer und ökologischer Gerechtigkeit ins Licht rücken, ohne diese Probleme bei ihrem eigenen Tun anzusprechen?“

Anlässlich der Überschwemmungen in der Emilia Romagna fiel mir wieder ein Satz des Kulturkritikers Salvatore Settis ein: "Der jahrhundertealte Einklang von Stadt und Land, der Italien zu Europas Garten werden ließ, ist eines gewaltsamen Todes gestorben. Seine Mörder waren keine barbarischen Invasoren, sondern selbstvergessene und die Gesetze missachtende Italiener."

Wie auch bei der Flutkatastrophe in Venedig 2019 sind die Ursachen nicht die Naturereignisse, sondern die Missachtung der Umwelt (und auch der europäischen Verordnungen) - denn die Klimakrise ist ja nicht erst gestern über uns gekommen. In Venedig liegt der Grund für das Hochwasser im Wesentlichen in der Ausgrabung der Fahrrinnen in der Lagune für Kreuzfahrtschiffe und Öltanker - und der damit einhergehenden Verwandlung der Lagune in einen Meeresarm. In der Emilia liegt es an der Versiegelung des Bodens, dass die Flüsse die Städte überfluten konnten: 2021 war das Jahr des höchsten Grads an Flächenverbrauch in Italien. Hier werden täglich (!) 19 Hektar Fläche pro Tag versiegelt, das ist der höchste Wert der letzten 10 Jahre; zwei Quadratmeter pro Sekunde. Die am meisten versiegelten Regionen sind die Lombardei, das Veneto und die Emilia Romagna. Folglich war vorauszusehen, was passiert, wenn 23 Flüsse über die Ufer treten und es zu 271 Erdrutschen kommt. Darüber habe ich im Deutschlandfunk gesprochen (Abre numa nova janela).

Wer Genaues wissen will, kann sich das auf dem beeindruckenden Ecoatlante (Abre numa nova janela)des Umweltforschungsinstituts ISPRA ansehen. In Italien sind tausende Kulturgüter von Überschwemmungen und Erdrutschen bedroht, in diesen Tagen wurde nicht nur die Malatesta-Bibliothek in Cesena (Abre numa nova janela)(keine Geringere als die älteste bürgerlich-städtische Bibliothek Europas) vom Wasser überflutet - sondern auch viele Gärten, Villen, Museen und Gebäude.

Aber hier regelt ja der Markt alles. Natürlich auch die Kreuzfahrtschiffe. Weil die großen in Venedig jetzt im Industriehafen anlegen müssen und es nicht so schön ist, wenn man statt auf Palazzi auf eine Petrochemieanlage blicken muss, hat die Norwegian Gem, das fast 300 Meter lange Flaggschiff der skandinavischen Reederei Norwegian Cruise, schon letztes Jahr an einer Reede vor dem Lido angelegt. Und die Passagiere durch Umladen auf Motorboote nach Venedig gebracht. Eine "Blitzreise" für 1.500 Passagiere. Ermöglicht wurde das dank der freundlichen Unterstützung des Hafenamts und des Kreuzfahrthafenbetreibers VTP, dessen Mehrheitseigner die Kreuzfahrtgesellschaften, die Region Veneto und die Flughafengesellschaft Save sind. Von ihnen nachhaltigen, umweltfreundlichen Tourismus zu erhoffen, ist, als würde man vom islamischen Staat einen Friedensmarsch erwarten.

VTP stellte der Norwegian Cruise die notwendigen Ausflugsboote zur Verfügung : drei mit je 150 Sitzplätzen ausgestattete Ausflugsboote pendelten zwischen dem Schiff auf der Reede und der Riva Sette Martiri. Eine Lösung für die Kreuzfahrtgiganten. Und eine Katastrophe für die venezianische Lagune. Die Norwegian Cruise wird das jetzt die nächsten drei Jahre gleich 15 Mal jährlich wiederholen. So viel zum "Verbot" der Kreuzfahrtschiffe in Venedig.

Die Stadt Venedig kassiert dafür 600 000 Euro pro Jahr. Das Schönste aber ist der Verwendungsgrund: "Teilnahme an der kulturellen Belebung der Stadt".

Um Sie nicht ganz in Depression verfallen zu lassen, hier noch ein Tipp für einen schönen, herzerwärmenden Film: Die letzten Reporter.

https://www.ardmediathek.de/video/ndr-dokfilm/die-letzten-reporter-oder-lokaljournalismus/ndr/Y3JpZDovL25kci5kZS9wcm9wbGFuXzE5NjI3NDI5NV9nYW56ZVNlbmR1bmc (Abre numa nova janela)

Lokalreporter sind die wahren Helden des Journalismus.

Meine journalistischen Anfänge liegen bei der Münsterschen Zeitung, für die ich über Karnevalsprinzen und die Jahrestagung der Teppichreinigerinnung berichtet habe, und beim Volksblatt Berlin. Wo sich der Bezirksbürgermeister von Reinickendorf über meine Berichterstattung beschwert hat und alle immer Kette rauchten.

Und mit diesem kleinen Ausblick grüßt Sie aus Venedig, Ihre Petra Reski

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