„Mein innerstes Ich gehört mehr meinen Kohlmeisen als den Genossen"
Gabriele Brüning zeigt die andere Rosa
Mal sitzt sie mit etwas zerzaustem Haar in einer spackig-grauen Gefängnistracht auf ihrem Bänkchen, stiert ausdruckslos auf den Boden und sagt minutenlang nichts. Dann tanzt sie wild und ekstatisch wie ein Derwisch zu den rauhen rockigen Klängen von Richie Havens´ „Freedom" (Woodstock 1969) voller Energie über die Bühne. Es ist immer ein und dieselbe Person. Die von Rosa Luxemburg, ja genau diese irgendwie linke Revolutionärin, die sich mit Gott und der Welt, dem Kaiser und dem Militär anlegte, eine große historische Figur.
Bild: Gabriele Brüning als aus ausgelassen tanzende Rosa Luxemburg. Foto: Thomas Mohn
Die, von der heute noch die Aussage bekannt ist „Freiheit ist immer auch die Freiheit der Andersdenkenden". Ein Bild mit vielen Facetten hinter dem tradierten und politisch besetzten Bild der roten Rosa entwerfen Manfred Kerklau (Regie) und Gabriele Brüning (Schauspiel) in ihrem Stück „Rosa! Mensch sein ist vor allem die Hauptsache", das Samstag Premiere in einem ausverkauften Pumpenhaus feiern konnte.
Auf der Bühne nur die Bank, ein paar Diaprojektionen an die Wand, einige aus dem Off gesprochene Texte und nervenzertrümmernde Zuggeräusche. Das reicht für einen höchst gelungenen Theaterabend. Rosa schreibt bis zum Umfallen, versuchte nicht nur mit flammenden Artikeln in der „Roten Fahne" die schäbige und ungerechte Welt („ein Irrenhaus") etwas gerechter zu machen, von ihren Mitmenschen hält sie nicht so viel. „Zuviele Schwächlinge und Schufte auf dieser Welt". Sie hatte eine große Herz für die Tiere, kümmert sich um den auf dem Rücken liegenden Käfer dem von anderen Viechern die Beine angeknabbert. Und ganz im Vertrauen verrät sie ihrem Publikum: „Mein innerstes Ich gehört mehr meinen Kohlmeisen als den Genossen". „Das werden sie jetzt doch nicht als Verrat an Sozialismus werten?", fragt sie ins Publikum hinein, dem sie auch anvertraut, dass sie ja eigentlich gar nicht zur „Heldin" berufen fühlt. So überwiegen an diesem Abend die leisen Töne. Sie haben weh getan und Spuren hinterlassen, die verbalen Anfeindungen, die Schläge mit dem Gewehrkolben auf den Kopf. Gleichwohl scheint es so, als ob sie den Schlüssel zu einem gelingenden, glücklichen Leben gefunden hat, und diesen Schlüssel als ihr „Rezept" weiterreichen kann. Doch dann quält sie die Frage: „Wie kommt es, dass Menschen über andere Menschen entscheiden dürfen? Wozu ist das alles?“
Gabriele Brüning zieht gekonnt all ihre schauspielerischen Register, stellt „ihre" Rosa mit viel Empathie und Sympathie auf die Bühne. Da haben sich Zwei gefunden: Zizi-Bäh! Zwi-Zwi!. Und davon profitiert das Publikum in dieser stimmigen, klugen Inszenierung, die zum Nachdenken über den Tag hinaus anregt. (fb)
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Bild: Rosa Luxemburg von Gabriele Brüning im traditionellen Gestus dargestellt. Foto: Thomas Mohn