Mit Mut zur Lücke
Der etwas andere Stadtführer für Münster
Den jetzt im Emons Verlag erschienenen Stadtführer von Henrik Grotjahn „111 Orte in Münster, die man gesehen haben muss" nimmt man auch als Einheimischer gerne zur Hand. Er ist klar strukturiert von A wie Aasee bis Z wie Zwinger. Die Texte sind kurz und knackig und pointiert geschrieben, die Überschriften meist witzig und gelungen. Zu jeder Textseite gibt es ein oder zwei Bilder mit praktischen Zusatzinformationen. Und die Mischung des Buches stimmt, einige Klassiker, die in keinem Führer fehlen dürfen wie Täufer-Körbe, den Kiepenkerl die Rieselfelder, Botanischer Garten das Kuhviertel oder das Wilsberg-Antiquariat, sind im Buch vertreten, aber das Buch löst auch den Anspruch ein ungewöhnliche, spannende und Orte abseits der Hot Spots, die sich zumeist abseits der historischen Altstadt befinden, zu entdecken und zu präsentieren. Beispielhaft mögen hier nur das Kapitel über den Grünen Grund genannt, die LVM-Pferde am Koldering, auch dem Theater Freuynde & Gäste wird ein Kapitel gewidmet genauso wie die Musiker- und Komponistenlegende Moondog und dem Studienhospital. Und einige Orte mehr, die Grotjahn aufgespürt hat, bieten die tatsächlich vom Verlag versprochenen Überraschungen. Und bei kaum einem der Texte hat man beim Lesen das Gefühl - und das ist sicher ein Verdienst des Autors Hendrik Grotjahn - das alles genauso schon einmal irgendwo anders ähnlich gelesen zu haben.Wo Licht ist, ist natürlich auch etwas Schatten. So werden Besucher, die aktuell über den Prinzipalmarkt schlendern, vergeblich einen Hinweis auf diese gelbe Leiter oben an der Spitze des Lambertikirchturmes vermissen, genau die Himmelsleiter von Billie Tanner, aber das ist halt nur eine der temporären Attraktionen Münsters, die nächstes Jahr vielleicht schon in Paris zu sehen sein wird. Von der Bildfläche verschwunden, so ist das eben bei gedruckten Werken, ist der Kaffeefreund vor der Josefskirche, der inzwischen eine Festanstellung im großen Reich der Alexianer als Hausmeister gefunden hat. Genauso wie man zu dem Kaffeefreund ein passendes Foto vermißt, wurde offenbar auch in anderen Kapiteln wie über den Bunker am Schützenhof auf Archivmaterial zurückgegriffen. Auch wenn man den in diesem Jahr etwas überstrapazierten Friedenssaal gar nicht mal so sehr vermißt - ein Stadtführer so ganz ohne die Türmerin von Lamberti wirkt am Ende doch etwas „incomplete". Trotz der Einwände bleibt es bei dem positiven Gesamteindruck des Buches. Wer mal neue Facetten Münsters abseits von Dom und Prinzipalmarkt entdecken will, wird mit dem Buch gut bedient. Frank BiermannHenrik Grotjahn: 111 Orte in Münster,die man gesehen haben muss Mit zahlreichen Fotografien Broschur. Köln: Emons Verlag 2023 ISBN 978-3-7408-0979-9 240 Seiten € [D] 18,00 € [A] 18,60 Originalausgabe
Bild: So sieht es aktuell am Bunker am Schützenhof - Kapitel 15 des Buches - aus. Foto: Frank Biermann
Bild: Der Kaffeefreund und sein Fahrradcafé-Stand solange es ihn gab. Im Juni d.J. wurde dort der letzte Kaffee gebrüht. Foto: Frank Biermann