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Aufwändiger Prozess gegen Kranbesetzer eröffnet

Angeklagter übernimmt seine Verteidigung selbst



Der Vorsitzenden Richterin am Amtsgericht, Richard, war die Erleichterung anzumerken, als sie den 1. Prozeßtag beenden konnte. Hatte sie doch die schwere Aufgabe, einen der sicherlich ungewöhnlichsten Verhandlungen an Münsters Gerichten in den letzten Jahren zu leiten. Denn sie hatte sich einem permanenten von juristischem Halbwissen geprägtem Redeschwall des Angeklagten Nicolas T. zu erwehren, der auch die Richterin beleidigte, die souverän darüber hinwegsah - oder hörte. Nicolas T. hatte sich über die Grenzen Münsters hinaus einen zweifelhaften Ruf als notorischer Müllsammler und Kranbesetzer erworben. Dabei hatte sich die Kammer für den ersten Prozeßtag gar nicht so viel vorgenommen, es sollte nur die allerdings recht lange Anklageschrift verlesen werden. Immerhin war sie so lang, dass sich zwei Staatsanwälte beim Vorlesen abwechselten. Juristisch lassen sich die Vorwürfe unter die Begriffe gefährliche Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung zusammen fassen. Hauptleidtragende seine Nachbarin in Kinderhaus, aber auch Polizeibeamte, Mitarbeiter des Ordnungsamtes, die ihn zur Räson bringen wollten, und ein gegen ihn verhängtes Annäherungsverbot durchsetzen wollten. Für alle, die sich ihm in dem Weg stellten, hatte er wüßte Beschimpfungen parat. Auch für die, die immer wieder die Müllansammlungen aus seinem Garten entfernen mussten. Allein die Liste der strafbaren Handlungen die er im Zuge seiner beiden Kranbesetzungen an der Hammer Straße beging ist lang. So soll er auch den OB Markus Lewe bedroht habe, er kenne dessen privaten Wohnort und wisse, wie er zur Arbeit fahre. Dazu machte er Andeutungen auf das Kiepenkerl-Attentat. Konkreter bekam seinen Zorn ein Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes zu spüren, den er mit seinem auf dem Kran gesammelten Urin traktierte. Was auch immer die Staatsanwaltschaft vortrug. Den Angeklagten schien das nicht zu interessieren. In aller Seelenruhe faltete er zwei Plastiktaschen, in denen er seine Unterlagen und eine Strafprozeßordnung mitgebracht hatte oder machte immer wieder Anmerkungen: „Wie - mehr haben Sie gegen mich nicht in der Hand" oder „Wegen solcher Lappalien sitze ich nun hier?" Nach der gut halbstündigen Verlesung der Anklageschrift durfte dann Nikolas T. (Jg, 63, ledig) das Wort ergreifen und zitierte aus einem 32 seitigen Schriftsatz, den das Gericht schriftlich entgegen nahm. Seine beiden vom Gericht bestellten Pflichterverteidiger Dr. Winfried Rath und Rhea Schuster, die beide in einer Kanzlei arbeiten, machte er weitgehend arbeitslos. Auch für sie hatte er kein gutes Wort über, wollte die sogar entpflichten. Ob er das formal korrekt gemacht hat, daarüber bestand kein Konsens. Zu Prozeßbeginn hatte er auch die Medienvertreter beschimpft, diesen aber gleich wohl erlaubt, Aufnahmen von ihm anzufertigen. Am liebsten würde er den bekannten Strafverteidiger Siegfried Benecken aus Marl verpflichten. Er selber monierte im wesentlichen Formalien und Fristen, ein Strategie war nicht wirklich zu erkennen. Außer vielleicht, dass er durch sein ungebührliches Verhalten den Prozeß zu Platzen bringen will. Neun weitere Prozesstage sollen noch folgen. Weiter geht es am 19. Mai um 9.30 Uhr. Dann sollen so Gerichtssprecher Matthias Bieling 50 Zeugen vernommen werden. Auch ein Gutachter wird vor Gericht auftreten, der etwas zu psychischen Verfassung des Angeklagten sagen wird. (fb)





Bild: Ein Aufnahme, die bei Prozessbeginn gemacht wurde. Rechts im Bild: Nicolas T. Foto: Frank Biermann

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