Ukrainische Flüchtlinge und der TÜV: Wahrheit oder nur ein neues Internetgerücht?
Die Macht der sozialen Medien und wie ein vermeintlicher "kostenloser Service" Wellen schlägt.
Haben Sie schon gehört? Ukrainische Flüchtlinge erhalten angeblich kostenlose TÜV-Untersuchungen für ihre Autos in Deutschland. Zumindest ist das der neueste Trend in der Gerüchteküche der sozialen Medien. Aber wie so oft im Internet: Was ist Wahrheit, und was ist pure Fiktion? Tauchen Sie mit uns ein in die Fakten.
Die virale Behauptung: Ein Geschenk oder nur ein weiterer Online-Mythos?
Stellen Sie sich die emotionale Achterbahn vor, die ein Flüchtling erlebt. Die Flucht vor Krieg und Zerstörung, der Start in einem fremden Land und plötzlich sind sie im Zentrum eines sozialen Mediensturms, weil sie angeblich einen "kostenlosen Service" erhalten haben. Das ist genau das, was einige ukrainische Flüchtlinge gerade erleben.
Blick hinter die Kulissen: Der TÜV spricht Klartext
Wie oft haben wir uns von Schlagzeilen verleiten lassen, ohne den echten Kontext zu kennen? Die Antwort des TÜV Süd gibt uns einen klaren Einblick. Es ist nicht einfach ein Geschenk aus heiterem Himmel, sondern eine Initiative, die auf Solidarität und Sicherheit abzielt.
Die Verkehrssicherheit zuerst
Fahrzeuge, die aus Kriegsgebieten stammen, können Mängel aufweisen, die ein Sicherheitsrisiko darstellen. Ist es da nicht logisch, dass der TÜV eine Rolle spielt? Die TÜV-Untersuchung stellt sicher, dass diese Fahrzeuge den deutschen Standards entsprechen und somit unsere Straßen sicherer machen.
Was ist dran an der 0,00 Euro-TÜV Gebühr für ukrainische Fahrzeuge?
Ukrainische Flüchtende haben aufgrund des Flüchtlingsstatus keine Möglichkeit, Ihr Fahrzeug umzumelden. Die Verkehrssicherheit der Autos soll allerdings sichergestellt sein. So ist eine TÜV-Überprüfung notwendig.
Ob hierfür tatsächlich keine Kosten in Rechnung gestellt werden, haben wir direkt beim TÜV Süd erfragt. Hier haben wir eine aufschlussreiche Antwort und viele weitere wichtige Informationen zum Verständnis der Abläufe erhalten:
„Die Authentizität des Prüfberichts über eine technische Untersuchung an einem ukrainischen Fahrzeug kann ich bestätigen. Es handelt sich dabei nicht um eine Hauptuntersuchung, wie sie an in Deutschland angemeldeten Fahrzeugen durchgeführt werden muss, sondern um eine freiwirtschaftliche Dienstleistung. Die Untersuchung beschränkt sich ausschließlich auf die Verkehrssicherheit, also Baugruppen wie Lenkung, Bremse, Licht. Etwaige festgestellte Mängel sind unverzüglich zu beheben, die Kosten dafür trägt der Halter. Ohne den Nachweis der Verkehrssicherheit erteilen die Behörden keine Ausnahmegenehmigung zum weiteren Betrieb in Deutschland. Die genannte Laufleistung und die gezeigten Mängel können möglich sein.
Viele ukrainische Staatsbürger waren gezwungen, mit ihrem Kraftfahrzeug ihr Land zu verlassen, um u.a. in Deutschland Schutz zu suchen. Eine Ummeldung der Fahrzeuge kann in der Regel auf Grund des Flüchtlingsstatus nicht erfolgen. Daher werden die Fahrzeuge entgegen den Regelungen des § 20 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) nicht nur vorübergehend betrieben, sondern es begründet sich ein regelmäßiger Standort des Fahrzeugs.
Aufgrund einer kürzlich getroffenen Festlegung des Bund-Länder-Fachausschusses im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) wurde nun die weitere Verfahrensweise festgelegt. Demnach wird der aufenthaltsrechtliche Schutzstatus für die ukrainischen Flüchtlinge bis einschließlich März 2024 verlängert. Deshalb werden nun die Flüchtenden durch die zuständigen Ämter angeschrieben, eine Ausnahme von den Vorgaben des § 20 Abs.6 FZV zu beantragen. Dazu müssen die Antragstellenden eine Untersuchung nach § 20 Abs. 3 FZV vorlegen, aus der hervorgeht, dass das Fahrzeug betriebs- und verkehrssicher ist.
Im Sinne der Verkehrssicherheit haben die Geschäftsführer der Mitglieder des TÜV-Verbandes sowohl im Mai 2022 als auch im Juni 2023 entschieden, diese Untersuchung entgelt- bzw. gebührenfrei durchzuführen. Damit soll gegenüber allen ukrainischen Staatsbürgern die volle Solidarität der Überwachungsinstitutionen in dieser Krisensituation zum Ausdruck gebracht werden.“Erklärung der TÜV Süd AG
§ 20 FZV – Vorübergehende Teilnahme am Straßenverkehr im Inland
Der § 20 FZV regelt die Teilnahme ausländischer Fahrzeuge am Straßenverkehr.
Abs. 3: Ausländische Fahrzeuge dürfen vorübergehend am Verkehr im Inland nur teilnehmen, wenn sie betriebs- und verkehrssicher sind.
Abs. 6: Als vorübergehend im Sinne des Absatzes 1 gilt ein Zeitraum bis zu einem Jahr. Die Frist beginnt
bei Zulassungsbescheinigungen mit dem Tag des Grenzübertritts und
bei internationalen Zulassungsscheinen nach dem Internationalen Abkommen vom 24. April 1926 über Kraftfahrzeugverkehr mit dem Ausstellungstag.
In der Ukraine zugelassene Pkw, die bereits seit einem Jahr in Deutschland verkehren, können unter bestimmten Voraussetzungen weiterhin mit ihrem ukrainischen Kennzeichen bzw. ihrer ukrainischen Zulassung in Deutschland fahren. Dazu benötigen die ukrainischen Halter eine Ausnahmegenehmigung (Abre numa nova janela) der für ihren aktuellen Wohnsitz zuständigen Zulassungsbehörde.
Nach Ablauf der Ausnahmegenehmigung (spätestens nach dem 31.03.2024 (Abre numa nova janela)) oder wenn die Ausnahmemöglichkeit nicht oder nicht mehr in Anspruch genommen werden soll, ist eine Umschreibung des ukrainischen Fahrzeugs auf ein deutsches Kennzeichen erforderlich.
Solidarität in der Krise: Mehr als nur ein Stempel
Es geht nicht nur um Autos und TÜV-Stempel. Es geht darum, in schwierigen Zeiten Menschlichkeit und Unterstützung zu zeigen. Doch leider wird diese großzügige Geste von einigen wenigen missinterpretiert und gegen Flüchtlinge verwendet.
Fazit
Die Geschichte um die kostenlose TÜV-Untersuchung für ukrainische Fahrzeuge zeigt uns wieder einmal, wie wichtig es ist, den kompletten Kontext zu verstehen, bevor wir uns ein Urteil bilden. Es geht nicht um Privilegien oder Geschenke, sondern um Sicherheit und Solidarität. Bevor wir das nächste Mal auf eine Schlagzeile klicken oder einen Kommentar posten, sollten wir uns fragen: Kennen wir die ganze Geschichte?