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Warum Älterwerden toll ist
Meine Freundin Miri ruft mich spät abends an. Sie sagt: »Ich weiß es klingt irre, aber ich bin seit gestern im Jahr 2001 gefangen.« Miri und ich haben seit über zwei Jahren nicht mehr miteinander gesprochen, aber wenn man den ersten Pilztrip und den ersten Liebeskummer, Nine-Eleven und alle Wohnungen, Lieblingsjeans und Boyfriends miteinander durchgebracht hat, braucht man nach zwei Jahren Funkstille noch kein Intro.
Miri hat alte Briefe gefunden. Von ihrer ersten großen Liebe. Und es sind auf einmal Erinnerungen wieder da, die sich überhaupt nicht 20 Jahre alt anfühlen.
»Es ist auch einfach das Vierzigwerden« sagt Miri, nachdem wir uns gemeinsam unsere lange Adoleszenz in Erinnerung gerufen haben. »Es macht was mit einem.«
Wir sind Millennials und haben irgendwie immer noch das Gefühl, zu den Jungen zu gehören. Dabei sind wir in den letzten Jahren zwischen Klimakrise, Pandemie, Nonbinarität und Gendergaga unmerklich mittelalt geworden. Unsere Heldin Carrie Bradshaw ist Mitte fünfzig! Und die männlichen Celebrities, in die wir früher verknallt waren, machen sich mit blutjungen Frauen zum Gespött, ruinieren ihr gutes Aussehen mit Alkohol oder ihren Ruf mit #Metoo-Skandalen.
Rechts und links mehren sich uncoole Midlife-Themen: Wir haben alle Rücken, die Knie machen komische Geräusche, wir gehen früh ins Bett, die ersten Paare lassen sich scheiden, die Eltern werden alt, man braucht neuerdings eine Haltung zu Botox, und wenn man jetzt kein Krafttraining macht, dann degenerieren die Muskeln im Rekordtempo, erklärt mir mein Crossfit-Trainer; es geht ab jetzt quasi nicht mehr um Verbesserung, sondern nur noch um Instandhaltung.
Mein 39. Geburtstag ist erst wenige Wochen her und obwohl ich schon immer schlecht mit Zahlen war, konnte ich in der Nacht darauf lange nicht einschlafen, weil ich so intensiv an den Tod denken musste. Also an meinen. Die erste Hälfte meines Lebens ist rum. Ab jetzt habe ich nochmal vierzig Jahre. Wenn's gut läuft.
Es ist nur eine Zahl, denke ich mir, um mich zu beruhigen, aber dennoch drängen sich in letzter Zeit all diese Fragen auf: Ist das alles? Habe ich erreicht, was ich wollte? Habe ich die richtigen Entscheidungen getroffen? Bereue ich etwas? Habe ich Zeit verschwendet? Führe ich das richtige Leben? Bin ich glücklich? Und was, wenn nicht? Dann muss ich es ändern. Jetzt.
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