Ein loses Protokoll zu Anne Franks Buchpremiere »Füller-Kinder«
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(Andrea Sawatzki Bianca Nawrath beim Soundcheck im Pfefferberg Theater; Foto Ruth Löbner)
Guten Abend liebes Newsletter-Publikum,
im folgenden lest ihr ein loses Protokoll zum gestrigen Abend. So als wärt ihr dabei gewesen, zumindest ein kleines bisschen.
20:00 Uhr Ich betrete die Bühne
-Letzte Woche erst. Vor 80 Jahren, am 27.01. 1945, wurde das Konzentrationslager Auschwitz befreit. Unter den Befreiten Otto Frank, der als Einziger den Holocaust der acht untergetauchten Juden und Jüdinnen des Hinterhauses in der Prinsengracht 263, überlebt hatte.
-Gleichzeitig zu den jährlichen Gedenktagen die bundesweite Mahnung jüdischer Verbände vor dem Erstarken rechtsextremer Parteien.
-Zitat Otto Frank kurz vor seinem Tod: »Der Auftrag, den ich von Anne habe gibt mir immer wieder neue Kraft für Versöhnung zu kämpfen und für die Menschenrechte in der ganzen Welt.«
-Eine Geschichte, die von der Fee Ellen vom 09.Mai 1944, hat Anne Frank auf schönes Briefpapier geschrieben und mit roter Tinte verziert. Die Geschichte war ein Geburtstagsgeschenk für ihren Vater. Die Aufgabe von der Fee Ellen ist es, die Menschen glücklich zu machen.
-Die Enge, in der sich Anne Frank im Hinterhaus befand, aber sich in das Weite mit ihren Texten befreite. Darum soll es gehen.
-Dank an das Anne Frank Haus Amsterdam, den beiden Deutschen Verlegern Edmund Jacoby und Nicola Stuart. Übersetzung der Originalmanuskripte von Ruth Löbner und allen anderen Texten von Waltraud Hüsmert. Mit einem Vorwort von Malala Yousafzai.
Vorleseteil Linda Rachel Sabiers/Hinterhausgeschichten
Anmoderation: Insgesamt 16 Erzählungen über das Hinterhaus und die ersten Kurzgeschichten, die Anne Frank schrieb.
»Der Zahnarzt« / Illu Emanuel Wiemans
-Linda schreibt selbst kurze Texte und nennt sie Miniaturen. Alles was mit Wurst ist, mag sie auch. Diese Fähigkeit von Anne Frank, meint sie, in dieser bedrückenden Enge das Alltägliche in dieser Weise zu beobachten, berührt sie sehr.
»Wursttag« /Illu Selina Alko
»Der Floh« / Illu Julie Morstad
Vorleseteil Marion Brasch/ Ausgedachtes
Anmoderation: Mylo Freeman illustriert Bilderbücher. In ihrem Text schreibt sie von einem Mädchen aus Surinam, die eine Rolle als Prinzessin nicht spielen wollte, weil sie überzeugt war, es gäbe keine Schwarzen Prinzessinnen. Nur blonde und blauäugige. Freeman erfindet die Prinzessin Arabella für Kinder of Color, inzwischen gibt es 16 Bücher von ihr. Freeman meint, der erste Schritt zu einem Miteinander, ist die Fähigkeit sich in andere hineinzuversetzen.
»Das Glück«/ Illu Mylo Freeman
-Marion Brasch findet es ebenfalls bemerkenswert, in welche Weite sich Anne Frank flüchten konnte.
Mein Gespräch mit Ruth Löbner
»Liebe Ruth, hast du eine Lieblingsgeschichte?«
Ihr erdachtes Interview mit Peter (»Mein erstes Interview«/Illu Yalda Rasekhi), wobei es auch eine Reportage sein könnte. Es strotzt nur so vor Selbstironie, was Ruth Löbner sehr gefällt. Sie schätzt außerdem das Experimentieren mit unterschiedlichen Stilen, nein, ein Kind habe sie noch nicht übersetzt und das musste sie sich selbst immer wieder ins Gedächtnis rufen.
Der letzten Text der Ausgabe ist das Fragment von »Cadys Leben« illustriert von Hadley Hooper, dem Vorhaben von Anne Frank einen Roman zu schreiben. Datiert vom 3. September 1944. Ruth Löbner sagt, der Text bricht dann einfach ab.
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(Illustration: Britta Teckentrup/Jacoby & Stuart)
Vorleseteil Bianca Nawrath/ Antwort auf eine Kritik
Anmoderation: Zwei zeitgeistige Geschichten. Die erste ist eine Antwort von Anne Frank auf einen Kritiker, der sich über Nacktszenen in einem Film beschwert. Victor Kugler hat jeden Montag die Cinema & Theater ins Versteck gebracht. Anne Frank ist empört.
»Pfuhl des Verderbens« /Illu Martjin van der Linden
-Bianca ist begeistert von den modernen Gedanken von Anne Frank. In der zweiten Geschichte roasted sie!
»Wer ist interessant?«/ Illu Sophie Blackall
Bianca bekommt spontan einen Applaus für ihr Vorlesen.
Vorleseteil Andrea Sawatzki/ Märchenhaftes
Anmoderation: Die Illustratorin Annita Sobel erzählt in ihrem Text, wie es für sie war, als russische Jüdin von der ehemaligen Sowjetunion über Italien über Israel weiter in die USA zu gelangen. Sie schreibt, sie verstand keine Sprache. »Niemand hat damals meine innere Erlebniswelt wirklich begriffen, aber jeder begriff - auf seine Weise - meine Zeichnungen.«
-Andrea Sawatzki ist begeistert von dem dazugehörigen Tagebucheintrag von Anne Frank, den sie eigentlich auch gerne noch vorlesen möchte. Sie fasst zusammen: Genervt von der Mutter sein, von der Schwester, von alles und jedem. Menschen, die einen mal auf die Palme bringen. Aber nein, ruft Andrea Sawatzki, kaufen Sie das Buch.
»Katrientje« /Illu Annita Sobel
Ein Teil des Verkaufserlöses der Tickets geht an »Rons Tierheim« via der Jüdischen Gemeinde zu Berlin - @synagogepestalozzistrasse (Abre numa nova janela). Ausgewählt von Andrea Sawatzki. »Rons Tierheim« soll im Süden Israels ein Ort werden, an dem sich Kinder aller Glaubensrichtungen und Gesellschaftsschichten begegnen und Kontakte zu den Tieren mit therapeutischen Angeboten für Kinder mit posttraumatischen Belastungsstörungen sowie mit psychischen und körperlichen Beeinträchtigungen bieten. Im Namen von Ron Sherman, der am 7. Oktober 2023 von der Hamas entführt wurde und in einem Tunnel starb.
Elieser Zavadsky kommt mit seiner Frau auf die Bühne. Elieser ist gebürtiger Israeli. Sie beide sind Kinder von Holocaust-Überlebenden. Elieser teilt seine bewegende Familiengeschichte und erzählt, warum »Rons Tierheim« ein so wichtiges Projekt ist. Ein palästinensischer-israelischer Dialog, der so dringend gebraucht wird, für den machen er und seine Frau sich stark.
Eine eigne Webseite gibt es nicht. Auch keinen Instagram-Kanal. Deswegen steht da Elieser und erzählt darüber. Ein Interview zu dem Projekt findet man bei Deutschlandfunk Kultur (Abre numa nova janela).
21:10 Uhr Wir verlassen die Bühne wieder
Als ich unten im Foyer ankomme, wartet meine Mutter auf mich mit einem Exemplar von »Füller-Kinder«. Sie streichelt mir über die Wange.
Der Büchertisch restlos ausverkauft.
Anmerkung der Redaktion: Anne Frank: »Füller-Kinder. Erzählungen und Ereignisse aus dem Hinterhaus« erschienen bei Jacoby & Stuart für 30 Euro.