Die Vergottschalkung der Gesellschaft - Grantelnde Greise gegen den Zeitgeist (Essay)
Thomas Gottschalk ist abgetreten. Mit 73 Jahren wurde er in die Frührente getrieben, unverstanden von der Jugend, geknebelt von Sprachverboten und Wokeness. Und er ist nicht der Einzige.
Wenige Tage ist es nun her, dass Thomas Gottschalk ins Off gebaggert wurde. Jetzt steht der, in dessen letzter „Wetten, dass“-Sendung acht Schweizer einen voll besetzten Bahnwaggon händisch bergauf zogen, selbst auf dem Abstellgleis.
Und Gottschalk ging nicht als ein wohlwollender, für den erfolgreichen gemeinsamen Lebensweg dankbarer Senior. Gottschalk ging giftig. In Erinnerung bleibt eine Abschiedsrede, die eher ein ausgestreckter Mittelfinger war. (Abre numa nova janela)
Es gebe, so der Moderator, im Wesentlichen zwei Gründe für sein jetziges Karriere-Ende. Erstens sei es problematisch, wenn man ihm die Gäste erklären müsse. Immerhin kann Cher, die er konsequent als „Chair“ ansprach, nicht jedes Mal rumkommen. Der zweite Grund sei, „dass ich – und das muss ich wirklich sagen – immer im Fernsehen das gesagt habe, was ich zu Hause auch gesagt habe. Inzwischen rede ich zu Hause anders als im Fernsehen und das ist auch keine dolle Entwicklung. Und bevor hier irgendein verzweifelter Aufnahmeleiter hin und her rennt und sagt ‚Du hast wieder einen Shitstorm hergelabert‘, dann sage ich lieber gar nix mehr.“
In wenigen Worten triggert das TV-Urgestein so das abgestandene rechtspolitische Narrativ vermeintlicher Sprechverbote und des, so jedenfalls die konservative Kollektivneurose, auf Nadelöhrgröße zusammengeschrumpften Meinungskorridors. Und schon ist es fertig belegt, das beleidigte Leberwurstbrot.
Das Studiopublikum klatscht diese Peinlichkeit brav weg und gibt dem versehrten Moderatorenego, was es braucht: Applaus, Applaus und nur Applaus!
Zeitgleich werden nicht wenige CDU-, CSU- und AfD-Wähler:innen jubelnd vor dem Fernseher gesessen haben. Der traut sich was, der Thommy! Endlich sagts mal einer! Wenigstens einer zeigts den blöden Linken!
Die progressive Fraktion der über zwölf Millionen ZDF-Zuschauer wird sich wiederum gefragt haben: Was bewegt einen Mann dazu, die buchstäblich letzten Momente einer jahrzehntelangen Karriere zu nutzen, um als grantelnder, aus der Zeit gefallener Greis in Erinnerung zu bleiben? Als „Man darf ja heutzutage nichts mehr sagen“-Opa? Gefühlt nur wenige Redeminuten entfernt von jener „Ich bin ja kein Rassist, aber“ (Abre numa nova janela)-Rhetorik, die Stammtische und Kommentarspalten gleichermaßen in Verruf bringt.
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