Geiler Scheiss?
Viel Tam Tam ums Le big TamTam. Am 12. Juli 2024 eröffnet das heiß ersehnte Food-Konzept im Hanseviertel. Ist der Hamburger Food-Markt den Rummel wirklich wert?
Foto: tellerrand Consulting
„Wir haben Bock auf geilen Scheiß“, sagt Patrick Rüther (Abre numa nova janela). „Und wenn CBRE Investment Management uns nicht vertraut und die Freiheit gegeben hätte, etwas Tolles zu gestalten, hätte wohl keiner der involvierten Gastronomen mitgemacht.“ 2018 hat die CBRE Investment Management (CBRE IM) – im Auftrag eines von dem Unternehmen strukturierten Fonds – die Einkaufspassage Hanseviertel in der Hamburger Innenstadt übernommen. Der geile Scheiß ist das Le big TamTam (Abre numa nova janela). Ein neuer Food-Markt, der in der eigens dafür frei gelegten Rotunde des denkmalgeschützten Gebäudes eröffnet hat. Wichtig: Food-Markt, nicht -Court, den Begriff mag Rüther nicht. Denn was hier ensteht, ist keine austauchbare Ansammlung von aneinandergereihten Logos und Ständen. Stattdessen haben sich fünf bekannte Hamburger Gastronomien zusammengeschlossen, um an einem ziemlich bunten Konzept zu schrauben. Mit dabei sind das Momo Ramen, Yeahboy, ÜberQuell, Miguelez und das Underdocks. Ihr Vorbild ist der Time out Market in Lissabon, nur kleiner und gemütlicher. Die Agentur tellerrand consulting mit Geschäftsführer Patrick Rüther hat das Konzept erdacht und begleitet es beratend. Vier Jahre dauerten die Umbauarbeiten, die Kosten übernahm komplett der von CBRE IM gemanagte Fonds. Über die Summe schweigt Hanseviertel (Abre numa nova janela)-Center-Manager Lars Sammann. Nur soviel: „Wir mussten uns ganz schön strecken, bis die Leisten knarzen.“
“Wenn wir die Gastronomie wiederbeleben, dann mit Hamburger Originalen.“
Es hängt viel dran am Le Big TamTam. Es ist eine Art Wiederbelebung. Bis 2007 bespielte Mövenpick die 2.000 Quadratmeter große Rotunde im Inneren der Passage. Dann schloss die Schweizer Gastronomiekette den Standort, die Fläche wurde mit einem Deckel aus Beton und einem 13 Tonnen schweren Brunnen mit Weltkugel darauf versiegelt. Ein logischer Schritt aus Sicht der damaligen Centerverwaltung. Aber nach Corona, im Zuge des wachsenden Online- und schwächelnden Einzelhandels, gewinnen Entertainment und Genuss in den Innenstädten zunehmend an Relevanz. Im Hanseviertel hat man das erkannt – und noch weitergedacht. „Die Passage setzte in den 1980er Jahren neue Maßstäbe und war ein Ort, an den man in Hamburg einfach gerne hinging. Mit diesem emotionalen Kick arbeiten wir. Uns war klar: Wenn wir die Gastronomie wiederbeleben, dann mit Hamburger Originalen.“
5 innovative Food-Konzepte
Den Job übernehmen jetzt neun erfahrene Gastronomen mit fünf innovativen Foodkonzepten, verpackt im bunten Design-Gewand, umgesetzt vom renommierten studio aisslinger (Abre numa nova janela). „Maßgeschneiderte Möbel, hochwertige Materialien, kreative Ideen und Detailverliebtheit ohne Ende“, schwärmt Patrick Rüther. Hinzu gesellen sich Werke von Hamburger Kunstschaffenden, ein Kiosk für Lesungen und andere Happenings, eine Bühne für Konzerte, ein Eiswagen und die von den Gastronomien gemeinsam betriebene Bäckerei 5/4 Bakery. Ganz schön viel los hier. Die Besonderheit liegt wie so oft hinter der Fassade. Jeder der Gastronomen hat einen eigenen Kopf und eine eigene Corporate Identity. Das zu einem homogenen Gesamtauftritt zu verschmelzen, geht nicht ohne Dialog. Hinzu kommt, dass die fünf Betriebe gemeinsam eine Betreibergesellschaft für die zentrale Bar gegründet haben. Sie ragt mittig in die Kuppel hinein, 23 Gäste finden hier Platz. „Eigentlich reißt sich das immer der Betreiber unter den Nagel, weil hier die höchsten Gewinnmargen locken“, sagt Rüther. Im Le big TamTam fließen die Gewinne in die neue GmbH.
Zwei Welten, die es zu verbinden gilt
Auch die Prozesse auf der Fläche sind wohlüberlegt. Der Gast bestellt per QR-Code am Tisch und bezahlt cashless über eine gemeinsame Rechnung. Es braucht ein gemeinschaftliches Abrechnungssystem. Dazu einen Abrechnungsschlüssel für Trinkgelder. Das Wort „Zusammen“ ist im Le big TamTam mehr als eine Worthülse. Hier entsteht ein neues Ökosystem. Geplante Öffnungszeiten sind von 8-23 Uhr.
Gewagt. Auch Hamburgs City leert sich nach Ladenschluss. In Rüthers Augen können Projekte wie der Food-Markt dazu beitragen, die Innenstadt auch in den Abendstunden zu beleben. Lars Sammann sieht noch eine ganz andere Herausforderung auf sich zukommen. Das Hanseviertel und die für hanseatische Verhältnisse laute Gastro- Marke sind zwei Welten, die es zu verbinden gilt. Derweil eröffnet in der HafenCity das neue Shopping-Center Westfield Hamburg Überseequartier. Sammann beobachtet es mit selbstbewusstem Respekt. „Ich glaube nicht, dass es uns schaden wird“, sagt er. „Aber auch das werden wir erst dann sehen, wenn die Menschen mit ihren Füßen abstimmen, wo sie einkaufen und wo sie sich wohler fühlen.“
🎉 Am 12. Juli feiert das Le big TamTam Eröffnung.
Das sind die Gastronomen
Foto: tellerrand Consulting
1. Niels Berschneider, Yeahboy
“Das ganze Projekt war eine einzige große Herausforderung.”
Niels, was sorgt bei Yeahboy für Tamtam im Le big TamTam?
Wir eröffnen dort ein neues Fried Chicken-Konzept, die Beilagen und Saucen sind überwiegend vegan. Für TamTam sorgen vor allem selbstgebackene Burger Buns und Biscuits, eigens hergestellte Saucen und Beilagen wie wilder Brokkoli.
Das Konzept ist neu, aber Du bist es nicht. Du führst u.a. das Berta Emil Richard Schneider in der Schanze. Übernehmt ihr auch etwas von dort?
Unser Signature dish sind unsere Chicken & Waffles. Im Le Big TamTam bauen wir dieses Gericht aus. Es gibt zum Start u.a. Chicken Muffins und Fried Chicken Sandwiches mit Hähnchen oder Ersatzprodukten, die geschmacklich unglaublich nah am Original sind.
Was hat Dich bewogen, mitzumachen im Le Big TamTam?
Ehrlicherweise sehe ich es außerdem als persönliches Learning, in einem Verbund wie diesem zu arbeiten und unsere Gerichte an einem high-frequency Standort zu testen.
Was war für dich die größte Herausforderung in diesem Projekt?
Das ganze Projekt war eine einzige große Herausforderung. Ich glaube aber, dass die größte Herausforderung noch vor uns liegt. Das Gesamtbewirtschaften einer Fläche in dieser Größenordnung, die Koordination und Abstimmung von Prozessen und die Gäste, die hauptsächlich aus Geschäftsleuten und Touristen bestehen.
2. Vena Steinkönig, Momo Ramen
“Wir glauben außerdem, dass die Innenstadt neue Impulse braucht”
Vena, was sorgt bei euch für Tam Tam im Le big TamTam?
Wir machen authentische, japanische Ramen. Wir werden das, was wir in unserem Hauptrestaurant Momo Ramen anbieten, reduzierter anbieten. Ich kann mir vorstellen, dass wir für den neuen Standort ein spezielles Ramen-Gericht entwickeln.
Was war für Deinen GeschäftspartnerValentin Broer und dich besonders herausfordernd bei dem Projekt?
Corona. Das hat unser Business und den Zeithorizont durcheinandergewirbelt.
Was hat Dich persönlich überzeugt, in das Projekt einzusteigen?
Auf jeden Fall die tatsächlich sehr, sehr spannende Gastronomenkonstellation. Wir glauben außerdem, dass die Innenstadt neue Impulse braucht, und dass wir eine Chance bekommen haben, als Individualgastronom daran teilzuhaben.
3. Miguel Zaldívar, Miguelez
“Ich könnte dir 20 Gründe nennen, aber der wichtigste ist, dass es ein großartiger Ort ist.”
Miguel, was sorgt bei euch für Tam Tam im Le big Tamtam?
Wir machen mexikanische Küche, ein Teil unserer Karte sind verschieden belegte Tacos, mit Scampis, Rindfleisch, mit verschiedenen Chilis. Es wird auch vegane Optionen geben aus Erbsen und Getreideproteinen. Unsere Tortillas stellen wir frisch vor Ort selber her.
Nach dem Verkauf der Mexiko Strasse vor rund zwei Jahren ist das Miguelez sozusagen deine Rückkehr als Restaurantbetreiber. Was hat dich am Konzept von Le big TamTam überzeugt?
Ich könnte dir 20 Gründe nennen, aber der wichtigste ist, dass es ein großartiger Ort ist, um die mexikanische Küche zu zeigen. Das ist wirklich mein Traum, meine Küche so nah wie möglich an die Leute heranzubringen.
Was war für dich persönlich bisher die größte Herausforderung bei diesem Projekt?
Es ist eine große Herausforderung, Gerichte zu finden, die die Gäste ohne viel Erklärung einordnen können. Damit sie sich trauen, sie zu bestellen und dafür Geld auszugeben.
4. Axel Ohm, ÜberQuell
“Wir haben uns ein Überraschungsbier fürs Opening überlegt.”
Axel, was sorgt bei ÜberQuell für Tam Tam im Le big TamTam?
Wir werden Pizza und Bowl nicht neu erfinden. Aber wir werden zukünftig noch mehr Zutaten aus der Region einsetzen, aus unserem Dachgartenprojekt. Wir nehmen also viele Dinge aus dem ÜberQuell St. Pauli und von unseren Erzeugern aus der Region mit in die Innenstadt. Außerdem werden wir uns auf vegetarische und vegane Speisen fokussieren. Fleisch und Fisch gibt es nur auf Nachfrage.
Wird es neben der ÜberQuell-Core-Range auch ein spezielles Bier geben?
Wir haben uns ein Überraschungsbier fürs Opening überlegt. Außerdem werden wir mindestens immer ein Seasonal oder Limited Beer am Start haben. Wir haben 4 Hähne plus Flaschenbiere, die wir anbieten.
Was hat dich persönlich dazu gebracht, einzusteigen im Le big TamTam?
Weniger Benchmarkprojekte nur im Ausland, sondern auch mal in Hamburg und die rein menschliche Komponente. Die Zusammenarbeit mit allen Betreibern ist sehr intensiv. In der Barbetreibergesellschaft gemeinsame Gesellschafter zu sein und die Hosen runterlassen zu müssen, um wirklich realistisch wirtschaftlich planen zu können, verlangt Vertrauen. Es gibt und gab so viele Fragen zu klären. Wir hatten einen hohen Grad der Digitalisierung in den letzten Jahren. Tolle Systeme sind uns zugänglich gemacht worden, aber teilweise sind wir schon wieder überfordert mit zu viel System. So die Arbeits- und Denkweise von den Personen kennenzulernen, die alle für sich tolle, funktionierende Gastro-Konzepte haben, hat mich am meisten gereizt.
Was war denn für dich der herausforderndste Punkt bei diesem Projekt?
Die größte Herausforderung ist, dass wir mit dem Vermieter auf völlig unterschiedlichem Level arbeiten und denken. Da ist der globaler Konzern CBRE, und da sind kleine lokale Gastronomen, die mit einer Hands-on-Mentalität jeden Tag ihren Laden aufmachen. Das zu synchronisieren, ist ganz klar die größte Challenge. Aber die Zusammenarbeit war konstruktiv und der menschliche Aspekt immer noch spürbar.
5. Burhan Schawich, Underdocks“Daran kann ich wachsen.”
Burhan, was sorgt bei euch für Tam Tam im Le big TamTam?
Für mich ist es Crunchy Backfisch und Chips. Damals, in der Ideen- und Konzeptfindung von Underdocks haben die am meisten Gehirnschmalz und Kreativität gefordert. Dann die Black Tiger Roll, also das Fischbrötchen mit den Black Tiger Garnelen. Und last but not least die Lobster Roll. Wir werden dort auch unsere neue Austernbar ausprobieren.
Was hat dich und deinen Geschäftspartner Samet Kaplan bewogen, im Le big TamTam einzusteigen?
Wir fanden das Projekt und die Idee sehr einzigartig. Ein Vorzeigeprojekt mit Local Heroes, das an den Time Out Market in Lissabon erinnert. Wenn ich ehrlich bin: Wir haben uns sehr geehrt gefühlt, als die Anfrage, ob wir Interesse hätten, reinkam.
Welche Hürden habt ihr als die herausforderndsten empfunden?
Definitiv die Größe des Projekts. Das Kommunizieren mit unterschiedlichsten Parteien mit den unterschiedlichsten Qualifikationen und Kompetenzen. Investoren, Unternehmensberatung, Gastronomen, das ist wirklich eine Herausforderung gewesen. Aber auch das war einer der Gründe, warum ich zugesagt habe. Weil ich die Chance gesehen habe, an einem Projekt teilzunehmen, wie es nicht alle Tage angeboten wird. Daran kann ich wachsen.
Text: Regine Marxen (Abre numa nova janela). Der Artikel ist erschienen im Magazin fizzz (Abre numa nova janela) 04/24.