Eltern werden, Paar bleiben – Reizthema und Realitätsabgleich
Natürlich auch die High-Need-Edition. Aber auch für alle anderen, die sich denken: Moooment! Also irgendwie ist das ja schön, dass das bei anderen so klappt, aber bei uns… nicht. Weil die Ressourcen fehlen.
Denn High Need ist ja zu allererst eine subjektive Belastungseinschätzung, sodass dieser Artikel sicherlich auch auf viele anderen Familien passt, bei denen die Belastung hoch sind, auch ohne, dass es explizit um ein High-Need-Kind im Kontext gehen würde.
Die Audiodateien findest du jetzt immer etwas weiter unten, hinter der Paywall.
„Eltern werden, Paar bleiben.“
Das waren für mich lange Zeit ähnlich starke Reizworte, wie „Leichtigkeit“, „Selfcare“ und „Achtsamkeit“.
Allen dreien ist gemein, dass sie sich in High-Need-Familien besonders schlecht umsetzen lassen, bzw. gar unmöglich ist, weil das schlicht Teil der High-Need-Definition ist, dass diese Aspekte verloren gehen. Denn High-Need-Parenting ist draining, also anstrengend bis zur Erschöpfung und ist damit verbunden praktisch non-stop am Kind zu sein.
Gleichzeitig gilt für High-Need-Parenting wie für andere besonders herausfordernde Familiensituationen auch, dass gerade Selbstfürsorge und auch die Partnerschaft einfach nicht hinten runterfallen dürfen, weil sonst das gesamte System zusammenbricht und zwar relativ schnell. Auf der Strecke bleibt defintiv für lange Zeit die Leichtigkeit, denn sie ist verzichtbar. Es ist bitterer, schwerer und meist zynischer ohne sie, aber sie ist nicht überlebensnotwendig. Ein Grund weshalb ich auf Leichtigkeitsversprechen wahnsinnig angpikst, um nicht zu sagen getriggert, anspringe.
Somit direkt zu Anfang: leichter kann ich es euch nicht machen. Annehmender, das ja, weil das viel mit Verständnis zu tun hat. Aber etwas zu akzeptieren und dadurch etwas zu entlasten, das ist nicht dasselbe wie Leichtigkeit. Also: krempeln wir die Ärmel hoch: Eltern werden Paar bleiben, das wird richtig Arbeit.
Schauen wir mal ein bisschen auf die Statistik, denn hey, heute habe ich sogar etwas mehr Recherchehausaufgaben gemacht. (leider habe ich sie erst nach dem Artikel gemacht, weil ich mir so so sicher war... jetzt finde ich die Statistik nicht nicht mehr, stattdessen aber eine, die meine Aussage wiederlegt und stattdessen vom ersten Babyjahr als Peak berichtet).
Wann zerbrechen die meisten Ehen und Partnerschaften?
Im zweiten Lebensjahr des ersten Kindes.
Dabei ist High-Need noch nicht mitgedacht, aber eben auch nicht rausgerechnet, das gilt also erst mal für alle Familien. Ich vermute (ungleich weiß) aber, dass es besonders für Familien gilt, in denen besondere Belastungen zusätzlich zu den ja für die allermeisten Familien bestehenden Belastungen dazu kommen. Denn ja, die meisten Familien kämpfen ganz schön mit dem idR. stark unterbrochenenen Babyschlaf. Und ja, Babys sind einfach sehr nah am Körper. Meistens. Für die meisten endet nach einem Jahr ja dann auch die Elternzeit, weil das Ende des Elterngeldes erreicht ist, sodass für ganz viele Familien im zweiten Lebensjahr des Kindes direkt eine weitere riesige Herausforderung dazu kommt: die Lohnarbeit desjenigen, der bzw. in den meisten Familien ja nach wie vor die sich das erste Jahr hauptsächlich um das Baby und den Haushalt gekümmert hat, will auch wieder integriert werden. Das Nun-Kleinkind soll in die Betreuung. Oft genug muss es das, denn das Alleinverdienermodell ist schon lange nicht mehr für alle Familien wirtschaftlich überhaupt tragbar.
Für sehr viele Familien kommt damit ein weiterer harter Aufprall in der Realität dazu:
Die Erwartung noch vor Kind: „Dann wird das Kind betreut und ich fange wieder an zu arbeiten.“
Die Erwartungen mit Baby: „Wenn dann Betreuung ist, dann habe ich auch wieder mehr Zeit für mich.“
Die Erwartung des Partners/der Partnerin dann auch oft: „Wenn das Kind erst mal in Betreuung ist, dann hat mein*e Partner*in auch wieder mehr Zeit für mich. Auf jeden Fall gibt es mehr Zeit ohne Baby dabei und dann ist mein Lieblingsmensch nicht mehr so overtouched und gestresst und dann gibt es auch wieder mehr Sex.“
Diese Erwartungen lassen dabei ganz oft verschiedenen Realitäten außen vor, schlicht deshalb, weil sie nach wie vor noch nicht präsent genug im öffentlichen Diskurs sind und somit die Narrative noch realitätsfern vereinfacht sind.
Denn die Realität wartet oft mit etlichen Hürden:
Strukturell: Es gibt keinen Betreuungsplatz für das Kind ab einem Jahr.
Die Plätze, die es gibt, sind für die Familie unpassend: Zu weit weg, passen nicht zu den Arbeitszeiten.
Die Plätze, die es gibt, sind für das Kind unpassend: Gerade die ganz Kleinen sind öfter als man meint mit langen Betreuungszeiten, großen Gruppen und/oder auch veralteten Konzepten überfordert, sodass die Eltern in einen sehr heftigen Konflikt kommen, ob sie ihr Kind dort überhaupt hinbringen wollen. Wenn dann noch ein besonderer Förderbedarf dazu kommt, weil das Kind eine Krankheit, eine Behinderung oder einfach (High Need) eine besonders hohe Sensibilität und Trennungsangst mitbringt, gibt es noch mal weniger überhaupt passende Plätze. Und davon dann einen zu bekommen, ist absolut nicht mehr zu erwarten, sondern sehr oft reine Glückssache.
Die Eingewöhnung dauert sehr viel länger, als gedacht und/oder ist sehr belastend für die Familie. Eventuell scheitert die Eingewöhnung. Das bringt erst mal zusätzliche Belastungen, statt Entlastung.
Das Kind ist mit der Betreuungssituation überfordert, sodass es danach zu Hause extrem enge Begleitung braucht, sodass das, was der eine Elternteil nun zwar an Zeit für die Erwerbsarbeit bekommen hat, mitnichten dazu führt, dass es zu Hause dann entspannter laufen würde, sondern dazu, dass irgendwie noch Care und Haushalt und alles andere an Mental Load in die Zeit gequetscht werden muss, in der das Kind aber eigentlich alleinige Aufmerksamkeit bräuchte.
Worüber schreibe ich grad? Ach ja. Das Paarbleiben. Das bekommt so natürlich noch mal weniger Raum. Denn erst mal steht über allem „Eltern werden, nicht verarmen“ und „Eltern werden, nicht im Burnout landen“. Erst wenn diese beiden Punkt erfüllt sind, kann überhaupt wieder über das Paarbleiben verhandelt werden. Oder?
Nicht ganz. Aber dazu gleich.
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