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Vorstellung - Die Vierte. Maxi Maria Platz und die Protoindustrialisierung

Nachdem meine Kolleg*innen Johannes Reller, Sophie Rykena und Karina Schnakenberg sich selbst und ihre Forschungsprojekte vorgestellt haben, möchte ich Ihnen nun etwas zu mir und meiner Arbeit berichten.

Schauen Sie doch mal bei Stadt.Stimmen.Storys. rein. Dort konnten wir unser Projekt vorstellen!


Ich habe das Projekt „Genese des westlichen Ruhrgebiets“ als eine von drei Antragsteller*innen bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft mitbeantragt und war schon ganz schön stolz, als wir die Mittelzusage im Briefkasten hatten. Seit einem Jahr arbeite ich nun in diesem Projekt als Postdoc und Koordinatorin zwischen der Stadt Duisburg und der Universität Kiel und muss sagen, es ist eine sehr schöne Arbeit.
Neben organisatorischen Erledigungen ist es die inhaltliche und methodische Unterstützung, die mir am Herzen liegt, damit alle vier Forschungsprojekte zu einem substantiellen Ergebnis kommen.
Konkret heißt das: alle vier Forschungsprojekte arbeiten nach Fragestellungen, die sich aus der archäologisch-historischen Befundlage seit der Spätantike bis in die Neuzeit ergeben. Um diesen Fragen umfänglich nachzugehen, gilt es, Grabungsergebnisse verschiedener Untersuchungen im Stadtgebiet sowie weiterer Forschungen heranzuziehen. Des Weiteren bleibt es nicht aus, Kontexte und Parallelen zu diskutieren und Methoden nach Arbeitsfortschritt anzupassen. Da dies bei engverzahnten Einzelprojekten eine Herausforderung ist, gehört die Koordinierung untereinander zu meinen Aufgaben. Ich bin also auch Schnittstelle zwischen der Duisburger Stadtarchäologie mit der hier stattfindenden Behördenarbeit, weiteren lokalen Untersuchungen und dem Kieler universitären Forschungsbetrieb. Wir arbeiten als Forschungsteam zwischen NRW und Schleswig-Holstein eng zusammen, wobei ich meinen Arbeitsplatz in der Duisburger Stadtarchäologie habe.

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Ich habe in Bamberg und Heidelberg Archäologie des Mittelalters und Neuzeit, Ur- und Frühgeschichte und Katholische Theologie studiert und ging darauf nach Marburg an der Lahn, um an meiner Dissertation zu arbeiten. 2017 promovierte ich mit der Auswertung der Grabungen rund um die Elisabethkirche in Marburg bei Prof. Ingolf Ericsson und Prof. G. Ulrich Grossmann an der Uni Bamberg. Zu der Zeit wohnte ich bereits in Duisburg und lernte das Ruhrgebiet in seiner ganzen Direktheit, Vielschichtigkeit und Herzlichkeit kennen. In dieser Zeit begann ich auch, mich wissenschaftlich mit diesem Großraum zu beschäftigen. Die ersten Artikel über die Duisburger Stadtgenese, über Ruhr-Identität und Kulturgeschichte folgten, immer auf der Suche nach dem Kern, den das Ruhrgebiet ausmacht. In dieser Zeit startete ich auch mit Lehrveranstaltungen im Fachbereich der Archäologischen Wissenschaften an der Ruhr-Universität Bochum und die Gewissheit wuchs, dass es sich lohnen würde, die Genese des westlichen Ruhrgebiets in einem Forschungsteam tiefgreifender zu untersuchen.
Meine eigenen Forschungen konzentrieren sich derzeit auf den Industrialisierungsprozess im westlichen Ruhrgebiet. Es geht um die Frage, wie es zu so einer „Industriellen Revolution“, einem beschleunigten Wachstum, kommen konnte, in dem Zechen, Stahlwerke und Fabriken wie Pilze aus dem Boden schossen und sich eine Städtelandschaft massiv verdichtete.
In der Erzählung des Ruhrgebiets sind die Begriffe Fortschritt, Wohlstand und technische Innovation und Moderne tief verwurzelt. „Tausend Feuer in der Nacht. Haben uns das große Glück gebracht“ heißt es in der letzte Strophe des Stadionliedes des FC Schalke 04 und zeugt von diesem Selbstverständnis, tief verwurzelt im kollektiven Gedächtnis der „Ruhries“.

Forschungen der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass die Industrialisierung aufs engste mit der Entstehung des Kapitalismus und der Globalisierung verzahnt ist. Ohne die Kolonialisierung der Welt durch den Westen sind die wirtschaftlichen Entwicklungen in Europa nicht erklärbar und diese vollzogen sich nicht plötzlich auf der grünen Wiese, sondern haben eine Geschichte, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Sehr anschaulich zeigt sich das in dem Industrialisierungsnarrativ von der vermeintlich evolutionären Entwicklung von der Wassermühle über die mit der Dampfmaschine betriebene Kunstmühle bis hin zur Turbine. Diese technischen Innovationen können nicht als aufeinanderfolgende Entwicklungsschritte betrachtet werden, sie ersetzen sich nicht. Vielmehr werden diese meist parallel je nach funktionaler Zweckmäßigkeit genutzt. Technische Innovationen bewirken keinen Automatismus oder lösen traditionelle Systeme ab, wenn kein konkreter Sachzwang besteht. Ähnlich verhält es sich mit Siedlungsstrukturen. Es gibt im Ruhrgebiet keine stringente Abfolge von Dörflichkeit zur Großstadt. Als sich die Städte mit bereits etablierter Zentralfunktion wie Duisburg, Essen, Bochum usw. spätestens ab dem 18. Jahrhundert über die Stadtgrenzen hinaus in die Fläche ausdehnen, behielten Orsoy oder Holten ihren kleinstädtischen Charakter. Es ist sicher so, dass viele Dörfer und Einzelhöfe innerhalb der neu entstandenen Industrie- und Zechenanlagen sowie Arbeitersiedlungen regelrecht verschwanden, Baerl, Serm, Mündelheim und Binsheim blieben zwischen der Industrie beinahe „eingeklemmte“ Dörfer, mit größeren Höfen und kleineren Bauernkaten. Landwirtschaft ist dort bis heute ein prägender Teil des Dorflebens, wenn auch inzwischen als „ländliche“ Stadtteile von Duisburg.

Die Frage ist nun: Gab es einen Protoindustrialisierungsprozess in der westlichen Ruhrzone und welche Entwicklungen lassen sich räumlich feststellen? Wenn ja, wie lässt sich der Prozess vom späten Mittelalter bis zum Vorabend der Industrialisierung anhand von historisch-geografischen und archäologischen Methoden und Daten sichtbar machen?
Es gilt, die protoindustrielle Entwicklung des westlichen Ruhrgebiets, insbesondere der beiden Städte Duisburg und Essen und deren Umland, in Hinblick auf den Beginn der Industrialisierung im 19. Jh. herauszuarbeiten.

Ein weiterer sehr schöner Teil meiner Arbeit ist es, Forschungsfragen und Ergebnisse an die Öffentlichkeit zu bringen. In enger Zusammenarbeit mit der Stadtarchäologie Duisburg beteiligen wir uns als Projekt bereits im zweiten Jahr in Folge an dem Duisburger Kulturfestival „Duisburger Akzente“. Es wird wieder eine Ausstellung geben und mehrere Vorträge. Näheres dazu in Kürze.

Außerdem werden wir uns im Sommer nach Ruhrort begeben und dort „Ruhrorts Größe (- n)“ neu erzählen. Und wir belassen es nicht bei der Archäologie, sondern weiten den Blick zur Geschichte und zur Kultur vor Ort. Seien Sie gespannt, wir freuen uns schon drauf!