Die Mütter und die Aufopferung
Das Patriarchat macht die Mutter zum Idol, um der Frau klare Grenzen zu setzen, außerhalb derer sie sich nicht bewegen darf. In der Idealvorstellung geht die Frau ganz in der Mutterrolle auf. Wer sich dieser Rolle nicht hingeben will, ist zu verachten.
"Es gibt nur einen weiblichen Beruf - den Beruf der Gattin, Mutter und Hausfrau; nur eine Vorbereitung für denselben - die Familie; nur eine weibliche Tugend - die selbstlose und selbstverleugnende Hingebung; nur einen weiblichen Fehler - die Selbstsucht."
Die häusliche Erziehung, Sigismund Stern (Abre numa nova janela), 1867
Aber auch moderne Erziehung schützt nicht vor dem Gefühl, sich aufopfern zu müssen, um eine gute Mutter zu sein. Besonders der Anspruch, ein Kind bindungsorientiert zu erziehen, kann dazu führen, dass Eltern ihre eigenen Bedürfnisse bis zur Erschöpfung den (vermeintlichen) Bedürfnissen des Kindes unterordnen.
So sehr ist die aufopfernde Mutterrolle in unseren Köpfen festgesetzt, dass wir manchmal gar nicht merken, wie wir ihr auf den Leim gehen. Es kann gar nicht oft genug betont werden, dass es in der Familie mit kleinen Kindern um das Abwägen der unterschiedlichen Bedürfnisse der einzelnen Familienmitglieder geht. Unseren Kindern ist nicht geholfen, wenn wir auf dem Zahnfleisch kriechen.
Schon der Pädagoge und Schriftsteller Karl Oppel (Abre numa nova janela) (1816-1903) teilte diese Auffassung. Das Muttersein ist in seinen Augen weder die einzige oder primäre Aufgabe der Frau, noch darf die Aufopferung ein fester Bestandteil davon sein.
"Aber Eines möchte ich doch sehr entschieden hervorheben: Die Frau, die Mutter, hat (in der Regel) auch noch Anderes zu thun, als blos Kinder zu erziehen, und dieses Andere soll sie auch nicht verabsäumen. Es ist leicht gesagt: „Die Mutter soll ihre Kinder nicht von sich lassen“; es klingt gar erhaben: „Die Bestimmung der Mutter ist, in ihren Kindern aufzugehen, sich den Kindern zu opfern“, aber weise ist auch Dieses nicht. Das wäre ja eine sonderbare Bestimmung! Die Mutter opfert sich den Kindern, diese opfern sich den Enkeln, und die hinwiederum den Urenkeln, und so würde das Leben der Menschheit nur eine Kette von Opferungen; das menschliche Dasein wäre nicht mehr Freude, Genuß, Glück, sondern nur ein großes immerwährendes Opfer."
Das Buch der Eltern (Abre numa nova janela), Dr Karl Oppel, 1877
Zudem ist Oppel der Meinung, die Mutter solle sich selbst nicht vergessen. Self-care 1877.
"Erziehen ist nicht leicht, strengt an, reibt auf, darum muß die Mutter auch ihre Stunden der Ruhe und Auspannung haben; sie darf ihre Kräfte nicht zu schnell verbrauchen, sondern muß sie zu Rathe halten für kommende Zeiten und für die Tage und Nächte, da sie nöthiger und unentbehrlicher ist, als im Alltagsleben. Hat sie ihre Kraft verbraucht, so lange die Kinder gesund waren, was will sie thun, wenn diese krank werden? Wenn sie nachts an ihrem Bette wachen soll? Hat sie ihre Nerven so empfindlich gemacht, daß sie durch Alles gereizt, geängstigt, aufgeregt wird, - was haben die Kinder davon? Wer nimmt sich ihrer jetzt an, wenn die Mutter gar nicht mehr um ihre Lieben sein kann?"
Das Buch der Eltern (Abre numa nova janela), Dr Karl Oppel, 1877
Ja, wer soll sich kümmern, wenn die Mutter sich kaputt geschuftet hat? Sicher kein Mann, nichtmal der Vater. Menschen, die das Patriarchat verinnerlicht haben, können sich oftmals gar nicht vorstellen, dass Erziehung und Fürsorge nicht naturgegebene, weibliche Eigenschaften sein sollen. Der Kindergartenpädagoge August Köhler (Abre numa nova janela) (1821-1879) zeigt uns das in folgendem Zitat sehr deutlich.
"Im Hause fühlt sich die Mutter zu dem Säuglinge und dem Kinde mehr hingezogen wie der Vater, und wenn sie durch Unwohlsein oder andere zwingende Ursachen genötigt ist, ihr Erzieheramt jemandem anzuvertrauen, so überträgt sie es gewiß lieber einer Person ihres, als einer solchen wenn auch ihr noch so nahestehenden Person männlichen Geschlechts. Stirbt die Mutter, so versteht es sich von selbst, daß in ihr Erzieher- und Pflegeramt eine Frau, niemals ein Mann eingesetzt wird. Es giebt Kindermädchen und Kinderfrauen, nirgends jedoch Kinderburschen und Kindermänner. Die Unnatur ist so stark, daß sie zum Lachen reizt, wenn uns ein Mann mit einem Kindermantel begegnet, oder wenn wir sehen, wie ein Mann einen Säugling wäscht, ankleidet und füttert."
Die Praxis des Kindergartens, August Köhler, 1885
Es ist schon absurd, dass ausgerechnet Köhler als Kleinkindpädagoge und Nachfolger von Friedrich Fröbel (Abre numa nova janela) Männer als ungeeignet für die Kindererziehung ansieht. Mehr noch: Köhler findet die Vorstellung, dass ein Mann Fürsorge ausüben könne geradezu lächerlich, und will genau das als Beweis dafür verstanden wissen, dass männliche Fürsorge unnatürlich sei. Die Reaktion der Gesellschaft ist hier der Maßstab für die Gültigkeit des Verhaltens des einzelnen Menschen. Dieser Trugschluss ist bis heute weit verbreitet.
Dabei hätte Köhler nur im eigenen Land mal ein wenig die Augen öffnen müssen, denn er lebte in Thüringen und in einigen Teilen Thüringens waren Männer im Tragemantel gar kein so ungewöhnlicher Anblick.
"Kinderwärterinnen halten einen Mantel für unentbehrlich; zuweilen sieht man auch einen Greis, der sein Enkelchen trägt, mit dem „Kindermantel“ umhüllt."
Landeskunde des Fürstenthums Schwarzburg-Rudolstadt, Berthold Sigismund, 1862
Es sei dem Opa von Herzen gegönnt, sein Enkelkindchen herumzutragen. Sicher hat er es gerne getan. Als Vater durfte er es wahrscheinlich nicht.
Das Patriarchat ist eben schädlich für alle Menschen. Frauen sollen sich in der Mutterrolle aufreiben und Männer dürfen nicht an der Kinderpflege teilhaben.
"Auf der andern Seite soll aber auch der Mann nicht in den Berufskreis der Gattin übertreten. Es giebt der Männer viele, welche aus Grille, Laune, Charakterkleinheit, Geiz, Mißtrauen, Kleinigkeitssinn, Selbstsucht und vielen anderen Ursachen die Hausfrau spielen, dieselbe ganz in die Rolle der Nebenperson oder Ausführerin seiner häuslichen Wirthschaft zurückdrängen, Küche und Keller, Wäsche und Gesinde, Einkauf und Verkauf leiten und controliren, sogenannte 'Topfgucker', die als Männer unleidlich, als Gatten eine Qual der Frau sind. Sie bringen dieselbe um Achtung und Autorität der Hausfrau, sie nehmen ihr die schönste Pflicht der Mutterliebe, wenn sie auch den weiblichen Berufskreis der Kinderpflege und Zucht beherrschen wollen. Jeder bleibe bei seinem Berufe und lasse dem Andern die Freiheit und Würde eines natürlichen und socialen Wirkungskreises."
Das Weib als Gattin, Hermann Klencke, 1879
Dass Väter sich nicht kümmern dürfen, ist ein Verlust für die Männer, aber auch für die Frauen. Es trägt zu ihrer Aufopferung bei. Hilfe darf eine Mutter sich zwar zumindest bei anderen Frauen holen - doch am besten, um von ihnen zu lernen, und nicht etwa, um sich um andere Dinge kümmern zu können.
"Erlauben es deine Verhältnisse, so gönne Baby wie dir eine erfahrene Amme. Du selbst bist ja noch so gar unerfahren in allem, was Kinderpflege betrifft."
Mutter und Kind - Ein Lexikon der Kinderstube, J. von Wedell, 1898
Und wenn die Mutter sich um andere Dinge als die Kinderpflege kümmert, dann nur, um ihrem Mann zu helfen.
"Ich rathe auch dann eine Amme zu nehmen, wenn die Verhältnisse der Mutter ihr das längere Fortstillen nach dem Wochenbette unmöglich machen; denn viele Frauen müssen später dem Manne in seinen Geschäften beistehen."
Kinder-Diätetik. Eine Anleitung zur naturgemäßen Pflege und Erziehung des Kindes, von L. W. Mauthner Ritter von Mautstein, Wien 1857
Über all diese Pflichten und Anforderungen können Mütter sich selbst verlieren. Damals wie heute. Auch gehört Muttersein für viele noch immer irgendwie zum Frausein dazu, so dass auch heute noch Frauen Kinder bekommen, auch wenn sie das gar nicht wirklich wollen. Dass das weder für die Frauen, noch für die Kinder gut ist, ist lange bekannt.
"Es gibt Kinder, die gut genährt, sauber gehalten, artig und wohlerzogen sind, denen die eigene Mutter jede Handreichung tut, und die doch nicht wissen, was Mutterliebe ist."
Das Buch vom Kinde, Adele Schreiber (Hrsg.), 1907
Muttersein ist halt nicht ans Gebären gebunden (Abre numa nova janela). Und Fürsorglichkeit nicht ans Geschlecht (Abre numa nova janela). So langsam spricht sich das auch beides rum, aber es ist noch viel zu tun.
"Auch die Väter sollen sich für ihre Sprößlinge interessieren. Die Zeiten sind vorbei, in denen es als unmännlich gegolten hat, wenn ein Mann sich mit seinem Baby beschäftigte. Kein Mann verliert an Würde, wenn er seiner Frau beim Baden des Kindes oder beim Wechseln der Windeln an die Hand geht. Er macht sich mit diesen kleinen Hilfeleistungen nützlich und bekommt außerdem ein gutes Verhältnis zu seinem Kind, wenn er von Anfang an alle Fortschritte in dessen Entwicklung beobachten kann."
Säuglingspflege - Ratschläge zur Pflege und Erziehung des Säuglings und des Kleinkindes, Dr. G. Kreilisheim-Saxl und Dr. O Kurz, 1951
Karl Oppel wusste schon, dass in der Erziehung Fortschritt notwendig ist und dieser über mehrere Generationen fortgeführt werden muss. (Siehe dazu auch »Bei meinem Kind mache ich das anders« (Abre numa nova janela))
"Man sagt oft: „Großmütter sind die schlechtesten Erzieherinnen“, und Das ist gewiß in mehrfacher Beziehung wahr. Nicht nur, daß sie durch ihre Zärtlichkeit die Enkelchen verwöhnen, daß es ihnen (, wenn sie schon älter sind,) an der nöthigen Kraft und Energie fehlt; - man muß doch verlangen, - und im Großen, Ganzen ist es ja auch so, - daß die Kinder vollkommener sind, als die Eltern, und daß es demnach eine Hemmung, ein Anhalten des Fortschrittes ist, wenn nicht Vater und Mutter, sondern die Großeltern die Erziehung regeln. Wobei sich jedoch von selbst versteht, daß es sehr vortreffliche Großmütter gibt, die entschieden segensreich auf die Erziehung der Kleinen einwirken."
Das Buch der Eltern (Abre numa nova janela), Dr Karl Oppel, 1877
Die Pädagogin Jeanne Marie von Gayette-Georgens (Abre numa nova janela) (1817-1895) war eine Verfechterin der patriarchalen Mutterrolle. Eine solche Rolle ist aber - wie sie schon damals beschrieb - mit anderen Rollen und insbesondere mit einer Berufstätigkeit außer Haus nicht vereinbar.
"Das Frauenerwerbsleben außer dem Hause und die Erfüllung der Mutterpflichten sind ganz unvereinbar, und die sollten verheirathete Frauen auch zugleich Berufspflichten außerhalb ihres Hauses - das heißt solche, die sie Tag für Tag ohne Unterbrechung beanspruchen - übernehmen. Sie werden weder der einen, noch der andern Seite Genügendes leisten, und was das Schlimmste ist, mit sich selbst in Zwiespalt gerathen. Die verheirathete Frau gehört in das Haus und nicht in ein Geschäftsleben außer demselben, denn ein solches macht sie geradezu heimathlos und bringt sie um alle die Vorzüge, welche der häusliche Heerd heute bietet."
Die Frauen in Erwerb und Beruf (Abre numa nova janela), Jeanne Marie von Gayette-Georgens, 1872
Dieses Problem ist hausgemacht. Wenn von der starren Mutterrolle nicht abgewichen werden kann, wenn eine Modernisierung des Mutterbegriffs nicht möglich ist, dann führt das unausweichlich zur Überbelastung der Frau und Mutter - und aller, die diese Rolle übernehmen oder in diese Rolle gedrängt werden. Da hilft es auch nicht, wenn pseudo-feministisch behauptet wird, die Rolle der Mutter sei ja viel wichtiger als die des Vaters.
"Ich möchte überhaupt die Bezeichnungen Ernährer und Versorger ganz von der Liste der männlichen Verpflichtungen, den Frauen gegenüber gestrichen wissen. Der Mann ernährt sich ebensowohl, und gemeinhin noch viel besser, als er seine Familie ernährt, und wenn er weiter nichts ist, als ihr Ernährer, so nimmt er einen sehr materiellen Standpunkt ein. (...) Ueberhaupt muß das Ernährtwerden der Frauen hier einmal schärfer in das Auge gefaßt werden. Niemals heißt es, wenn die Mutter einer Familie stirbt, ihre Ernährerin sei gestorben, mag sie selbst ihre Kinder mit ihrer eigenen Milch aufgezogen, ja wie die Sage vom Pelikan sagt, mit ihrem Herzblut getränkt haben. Die Mutter ist viel mehr berechtigt, die Ernährerin der Kinder genannt zu werden, als der Vater."
Die Frauen in Erwerb und Beruf, Jeanne Marie von Gayette-Georgens, 1872
Die Industrialisierung hatte viele Eltern zur Erwerbstätigkeit außer Haus (Abre numa nova janela) gezwungen. Die Tätigkeitsfelder waren aber noch nach Geschlecht getrennt. Während des deutsch-französischen Krieges 1870/71 hatten viele Frauen in die Berufswelt der Männer eindringen können. Doch danach wurden sie umso heftiger in die Mutterrolle zurückgedrängt.
"Die ganze Natur des Weibes eignet sich nicht für das Wirken in der äußeren Welt des Staates, wie es dem Manne obliegt; darum sind die Pflichten und Rechte des Weibes in Bezug auf das öffentliche und staatliche Leben beschränkt. Das moderne principielle Hineindrängen des Weibes in die Sphären des Mannes, in Staats- und Beamtenthum, ist eine beklagenswerthe Verirrung von Emancipationstheorien, welche der Natur widersprechen und das Weib seiner natürlichen und sittlichen Lebensbestimmung entfremden."
Das Weib als Gattin, Dr. med. Hermann Klencke, 3. Auflage, 1879
Die "Rückberufung" auf die Natur nahm immer mehr Überhand. Wenn sachliche, logische Argument fehlen, werden halt Argumente bemüht, die mehr auf einer persönlichen Vorliebe und Meinung fussen, als auf nachweisbaren Fakten.
"Dies sind die ersten Winke für die Erziehung, welche wir der zu der selben berufenen Mutter, der geborenen Lehrerin ihres Kindes, geben können."
Das Buch von der gesunden und kranken Frau, Dr. med. Ernst Kormann, 1883
Dennoch wurden diesen Ansichten ein wissenschaftlicher Anstrich verpasst. Die Folgerungen, die gezogen wurden, entsprangen allerdings ebenfalls persönlichen Idealvorstellungen und keinesfalls wissenschaftlicher Nachprüfbarkeit und Logik. So argumentierte beispielsweise der Arzt und Populärschriftsteller Hermann Klencke, dass niedere Tiere häufig keine geschlechtliche Fortpflanzung hätten und je höher ein Lebewesen in der Hierarchie der Tiere stünde, desto ausgeprägter seien die geschlechtlichen Unterschiede. Was heißt das für die Krone der Schöpfung?
"Fassen wir nun den Begriff des Weiblichen in der Natur nochmals kurz zusammen, so ist im männlichen Geschöpfe die Tendenz der Individualität, der Kraft, des Willens, des Charakters, im weiblichen Geschöpfe aber die Tendenz der Gattung, der Abhängigkeit vom allgemeinen Naturleben, der Arbeit für die Generation, der Fügsamkeit une den Willen der männlichen Kraft, die Welt des Gefühlslebens und der Sympathie ausgesprochen. - Dieser naturwissenschaftliche Begriff erstreckt sich auch auf den Menschen. Der Mann ist mehr individuelles, das Weib mehr Gattungswesen; er Verstand und Charakter, es Gefühl und Schwäche; (...)"
Das Weib als Gattin, Dr. med. Hermann Klencke, 3. Auflage, 1879
In einer solchen Welt gibt es jenseits der binären Rollenbilder keinen Platz für selbstbestimmtes Leben. Alles, was dem nicht entspricht, kann und darf keine normale Varianz sein, sondern ist per Definition falsch und/oder unmoralisch - eine Irrung, eine Missbildung, eine Krankheit. Das Patriarchat hat uns Scheuklappen aufgesetzt und diese "Natur" genannt.
Mit der Natur lässt sich so einiges rechtfertigen. Insbesondere eine ungerechte Gesellschaft. So wie Hermann Klencke es in einem anderen seiner Bücher tut.
"Ist es die beliebte falsche Emancipationshumanität, welche nach Theorien ohne Rücksicht auf die praktische Ausführbarkeit dem rohen, ungebildeten Menschen dieselben Freiheiten und Rechte dictirt, die der gesittete und gebildete Mensch sich eben durch diese Eigenschaften mühsam verdient hat, und ist den dienenden Leuten eine mißverstandene socialistische Rechtsidee in den Kopf gesetzt, die das natürliche Verhältniß zwischen Herrschaft und Dienerschaft aus dem Schwerpunkte gerückt und der Nichtbildung und Nichtgesittung eine Position angewiesen hat, die der Abhängigkeit, des Gehorsams und der Treue enthoben zu sein glaubt und das alte, innige patriarchalische Leben der Dienstleute in und mit dem Hause der Herrschaft in ein leichtsinnig geschürztes und leicht gebrochenes „Contractverhältniß zweier Parteien“ verwandelt hat - so liegt die Schuld dieses Uebelstandes und Mangels guter Dienstboten schwer zwar auf jenen socialistischen Abirrungen einer theoretischen Humanität, aber auch wesentlich mit an den Herrschaften und insbesondere den Anforderungen und dem Benehmen der modernen Hausfrauen."
Die gebildete Hausfrau, Hermann Klencke, 2. Auflage 1871
Mit der Natur lässt sich nicht streiten. Was wir als natürlich empfinden ist immer geprägt von unseren persönlichen Erfahrungen. Sobald "die Natur" als Argument herhalten muss, ist eine sachliche Auseinandersetzung kaum noch möglich, da nichts so persönlich ist, wie unsere eigene Natur und unsere Idealvorstellungen von unserer Umgebung. "Die Natur" lässt keine Gegenargumente zu.
Darum ist es bis heute so schwierig, neue Ideen von Erziehung, Rollenvorstellungen oder Geschlechtsidentitäten in der Gesellschaft zu verankern. Die alten, von klein auf absorbierten Vorstellungen kommen uns natürlich vor. Es wurde uns beigebracht, sie seien natürlich. Das geschah implizit, weil unserer Gesellschaft seit Generationen so funktioniert. Wir leben nach wie vor in einem Patriarchat, in einer #RosaHellblauFalle, in heteronormativen Strukturen.
Bindungsorientierte Erziehung soll unseren Kindern ein gesundes Selbstwertgefühl vermitteln. Dieses ist wichtig, um im Leben seinen eigenen Weg zu gehen und sich selbst treu zu bleiben. Unsere Kinder sollen sich nicht in toxische Strukturen unterordnen müssen.
Ironischerweise kann genau diese Erziehung dafür sorgen, dass insbesondere Mütter in heterosexuellen Beziehungen sich selber aufopfern und so Rollenbilder in ihren Kindern erschaffen, die das Patriarchat weiter untermauern. Es liegt an uns als Gesellschaft, Strukturen und Ideen zu fördern, die diesen Kreislauf durchbrechen. Dazu gehören vor allem die Anerkennung und Unterstützung nicht-heteronormativer Familien, der Aufbau kinderfreundlicher Arbeitsplätze, das Aufzeigen und Abbauen patriarchaler Strukturen und die Auseinandersetzung mit dem geschichtlichen Ursprung toxischer Rollenbilder und der Mechanismen, die sie erhalten.