Willensstarke Kinder und neuer Partner

Wie kann ich meinem neuen Partner näher bringen, wie ich mit meinen Kindern umgehen möchte? Was für Ressourcen gibt es?

Bild: Chiara Doveri

Hier auf Steady teile ich anonymisiert eure Elternfragen und meine Antworten darauf. Ich bemühe mich um einen klaren und pragmatischen, aber einfühlsamen Ton. Ich bin kein Coach und keine Psychotherapeutin und würde euch bei entsprechenden Fragen bitten, Fachpersonal zu konsultieren. Wenn es bei euch im Alltag an kleinen Dingen hakt und ihr gern meine Einschätzung hättet, schreibt mir gern an anna [punkt] brachetti [at] posteo [punkt| de.

Hey Anna. Hast du einen Tipp für mich? Ich bin völlig verzweifelt. Mein neuer Partner und ich lieben uns sehr. Das erste mal richtige Liebe. Wir haben eine sehr krasse Verbindung. Nun habe ich 2 Kinder. Und sie haben ihn gern und auch hier passt die Verbindung. Jedoch ist mein Partner öfter überfordert und manches triggert ihn (lautes Geschrei zb) ich weiß dass das weder was mit mir noch mit meinen Kids zu tun hat. Sondern bei ihm Dinge angestoßen werden. Ich denke eine gewisse Überforderung ist normal besonders wenn man selbst null Erfahrungen mit Kids hat. Und meine sind 5,5 und 7 Jahre alt. Und eher extrovertiert und willensstark 🫶🏼.
Nun hat er das Gefühl er wäre ein schlechter Partner weil er so überfordert ist und denkt er sei inkompatibel in Bezug auf Kinder.

Mein Kopf und mein Herz sagt ganz klar „kämpfen“ es lohnt sich. Nicht die ganze Beziehung aufgeben. Auch er ist an einer „Lösung“ interessiert. Weil eben alles andere zwischen uns passt….  Hast du einen Lösungstipp?

Liebe Grüße und schon mal Danke!
Frauke*

Hallo liebe Frauke*,

Vielen Dank für dein Vertrauen und deine Geduld! An sich klingt das doch nach einer ziemlich guten Grundlage. Er erkennt, dass er überfordert ist, er liebt dich und er mag deine Kinder.

Ein bisschen ist die Frage, wie tief bei ihm diese Verhaltensmuster sind. Eventuell wäre es sinnvoll, mal so eine Art Elternkurs zu machen (das Jugendamt bietet welche an, ich habe so ganz dunkel den Titel „Starke Kinder, starke Eltern“ oder so was im Kopf, du kannst auch in Familienzentren mal nachfragen). Wenn er selbst vielleicht keine gute Kindheit hatte, ist eventuell ein Elterncoaching oder auch je nach Schwere Therapie sinnvoll. Er kann auch im Familienzentrum mal nach Vätertreffs schauen und möglicherweise gibt es sogar Gruppen für Patchworkfamilien. Je mehr er sich mit dem Thema Kinder auseinandersetzt, je mehr Ressourcen er hat und je mehr Verständnis, desto leichter werden ihm solche Situationen fallen.

An Büchern kann ich z.B. die vom gewünschtesten Wunschkind sehr empfehlen, auch „Das Buch, von dem du dir wünschst, deine Eltern hätten es gelesen und deine Kinder werden dankbar sein, dass du es gelesen hast“ (in etwa so) ist ein sehr schöner Einstieg.

Was er auf jeden Fall schon mal machen kann, ist ganz klar zu schauen, welche Situationen genau ihn so triggern und wie es ihm selbst in dem Moment geht. Kann er gerade auf „das Übliche“ achten (genug Schlaf, gesunde Ernährung, Bewegung, soziale Kontakte, Ausgleich, Hobbys)? Je ausgeglichener er selbst ist, desto besser wird er mit herausfordernden Situationen umgehen können. Auch Meditation ist wahrscheinlich einen Versuch wert. Er braucht auch konkrete Strategien, wie er reagieren kann und kommunizieren kann, dass ihn etwas stört, ohne dass sich die Kinder ihm komplett anpassen müssen („MIR ist das gerade zu laut.“ statt „Schreit hier mal nicht so rum.“, ggf. Noise Cancelling Kopfhörer oder Ohrstecker, selbst zurückziehen, wenn es zu viel wird..). So etwas könnt ihr auch zusammen besprechen, wenn er sich die Situationen mal etwas klarer aufschreibt. Du hast ja schon deutlich mehr Erfahrung und kannst ihm von deinen Strategien erzählen.

Es sind nun deine Kinder, dennoch soll er ja ein Bonus-Elternteil werden. Deswegen braucht er auch die Chance, seine eigenen Fehler zu machen, ohne sich immer kritisiert zu fühlen. Er braucht die Möglichkeit, auszuprobieren, wie seine eigene Bonus-Elternschaft aussehen soll. Vielleicht könnt ihr euch in Ruhe einen bestimmten Zeitraum in der Woche nehmen, um über eure Vorstellungen zu sprechen? Du willst ja sicher auch keine Kopie von dir haben, sondern jemanden, mit dem ihr als Familie zusammenwachsen könnt. Das wird sicher eine Herausforderung, aber ihr könnt daran auf jeden Fall auch sehr wachsen, wenn ihr offen, fehlertolerant und ressourcenorientiert miteinander umgeht. Für ihn ist es eine tolle Chance, deine wundervollen Kinder zu begleiten. Für dich ist es die Chance für mehr Auszeiten und eine tolle gleichberechtigte gemeinsame Elternschaft.

Ihr könnt auch gemeinsam überlegen, was ihm denn besonders Spaß macht. Will er mal etwas mit den Kindern allein unternehmen? Dann fühlt er sich von dir auch vielleicht weniger beobachtet und hat etwas mehr Freiheiten, sich auszuprobieren, ohne Kritik zu fürchten (nicht dass du so kritisch wärst - aber wenn man unsicher ist und etwas neu ist, fühlt man sich manchmal schnell kritisiert).

An sich ist wahrscheinlich die wichtigste Frage und Voraussetzung für euer neues Familienleben, ob du ihm vertraust mit deinen Kindern. Glaubst du, er kann das mit etwas Unterstützung und Arbeit schaffen? Hast du große Zweifel und Angst, ob er schlecht umgehen könnte mit deinen Kindern? Woher kommt diese Angst und wie viel davon ist berechtigt? Manchmal ist es gut, aufs Bauchgefühl zu hören, manchmal sind wir zu sehr von unseren eigenen Ängsten beeinflusst, um wirklich frei beurteilen zu können. Diese Frage kann ich dir natürlich nicht abnehmen.

Lass mich der Perspektive halber noch erwähnen, dass ich hier keine Erfahrungen habe. Ich mache mir nur Gedanken; schau, was für dich Sinn ergibt und du annehmen kannst.

Ich drücke euch die Daumen, dass ihr eine Lösung für euch wünscht und wünsche euch ein ganz tolles Familienleben! Es wird sich bestimmt alles noch einspielen!

Liebe Grüße,
Anna

Da ich mich hier nur in ein Szenario hineindenke, mit dem ich selbst keine Erfahrungen habe, bin ich über ergänzende Ideen sehr dankbar. Wer aus der Community hat eine Patchworkfamilie? Habt ihr noch Ideen und Tipps?