So meisterst du deine Voranzucht
Ein Samenkorn in die Erde legen und zusehen, wie daraus eine Pflanze wird – simpel, oder? Biologisch steckt jedoch viel mehr dahinter! Ich erkläre dir, was Samen zum Keimen brauchen, wie du Pflanzen im Haus vorziehst und warum biologisches Wissen dein Gärtnern garantiert erfolgreicher macht. Voranzucht – wir gehen rein!
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Es ist wieder soweit: Es ist Aussaatzeit (für mich tatsächlich das ganze Jahr, aber darüber sprechen wir wannanders noch). Die Bude steht wieder voll mit Töpfen oder wird bald wieder mit Töpfen vollstehen. Fühlst du dich manchmal auch so überfordert von all den Möglichkeiten? Uff!
Es grenzt an ein kleines Wunder, was in jedem einzelnen Samenkorn geschieht, sobald man es in die Erde gelegt hat: Lange bevor ein kleiner grüner Keimling das Licht der Welt erblickt, laufen unter der schützenden Samenschale bereits komplexe biologische Prozesse ab. Sobald der Samen Wasser aufnimmt, erwachen schlummernde Enzyme. Diese Enzyme bauen gespeicherte Nährstoffe wie Stärke, Proteine und Fette ab, um Energie für den Embryo freizusetzen. Der Pflanzenembryo wächst heran und durchbricht schließlich die Samenschale, er streckt sich durch die Erde hindurch ans Licht, wo er beginnt, eigenständig Photosynthese zu betreiben – voilà, wir haben eine richtige Pflanze!
Wenn du deine Pflanzen eigenständig aus Saatgut ziehst, profitierst du von einer enormen Sortenvielfalt, die oft im Handel gar nicht erhältlich ist. Außerdem passt du samenfeste Sorten über Generationen hinweg immer besser an dein lokales Klima und die spezifischen Bedingungen vor Ort an. Indem du regelmäßig Samen von deinen robustesten und gesündesten Pflanzen erntest, förderst du langfristig stabile und widerstandsfähige Populationen in deinem Garten oder auf deinem Balkon. Schauen wir uns mal die Grundlagen und auch die biologischen Prozesse dahinter an. Los geht’s!
Vor der Aussaat: biologische Grundlagen
Ein Samen ist eine winzige, vollständige Pflanze im Ruhezustand. Er besteht im Groben aus einem Embryo, der später die Pflanze bildet, einem Nährgewebe, das Energie liefert, und einer festen Samenschale, die den Embryo bis zur Keimung schützt. Nicht jeder Samen keimt sofort, wenn du ihn in die Erde legst. Viele Samen befinden sich zunächst in einer Samenruhe, der sogenannten Dormanz. Diese schützt die Samen davor, unter ungünstigen Bedingungen zu keimen. Erst wenn bestimmte Umweltreize auftreten, endet die Dormanz. Verantwortlich für die Reaktion der Samen auf solche Reize ist unter anderem das sogenannte Phytochromsystem: Phytochrome sind spezielle Rezeptoren im Samen, die Licht wahrnehmen und dadurch die Keimung aktivieren oder verhindern. Dunkelkeimer wie Rittersporn oder Eisenhut keimen nur, wenn du sie vollständig mit Erde bedeckst, da Licht ihre Keimung hemmt. Lichtkeimer wie Möhren oder Salat keimen dagegen ausschließlich, wenn etwas Licht auf den Samen fällt – vor allem hellrotes Licht fördert das. Aber auch die Temperatur hat einen Einfluss. Kaltkeimer benötigen eine längere Kälteperiode mit Temperaturen von null bis fünf Grad Celsius, um die Dormanz zu überwinden – Primeln und Tulpen zählen dazu. Warmkeimer dagegen, wie Tomaten, Paprika oder Auberginen, keimen erst bei ausreichend hohen Temperaturen um etwa 20 bis 25 Grad Celsius. Diese biologischen Mechanismen verhindern, dass Samen zur falschen Zeit oder am falschen Ort keimen, und erhöhen so die Überlebenschancen der Pflanze. Smart!
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Samenfest vs. F1-Hybrid: Wo ist der Unterschied?
Beim Saatgut gibt es grundsätzlich zwei Sortentypen: samenfeste Sorten und F1-Hybriden – das habe ich im letzten Artikel für Rotkehlchen & Tagpfauenaugen (Abre numa nova janela) schon erwähnt. Samenfeste Sorten sind genetisch stabil. Sie geben ihre Eigenschaften zuverlässig an die nächste Generation weiter, sodass du da einfach die Samen absammeln und Nachkommen erwarten kannst, die so beschaffen sind wie die Elternpflanzen. F1-Hybriden hingegen entstehen aus der gezielten Kreuzung zweier genetisch verschiedener Elternlinien. Sie liefern zwar in der ersten Generation oft bessere Erträge, ihre Nachkommen (F2) verlieren jedoch meist die gewünschten Eigenschaften, weil sie nicht stabil sind. Das ist vor allem bei Kürbisgewächsen wie Gurken oder Zucchini ein Problem. Der giftige Bitterstoff Cucurbitacin wurde bei den Pflanzen im Handel gezielt weggezüchtet. Zieht man jedoch Samen aus einer F1-Hybride weiter, kann es vorkommen, dass dieser Stoff in manchen Nachkommen wieder auftritt – mit der Folge, dass die Früchte ungenießbar oder sogar giftig sind. Ökologisch sind samenfeste Sorten ebenfalls vorteilhafter, weil du sie eigenständig weiter vermehren und dadurch lokale Anpassungen fördern kannst. Ich verwende nur samenfeste Sorten und vorzugsweise Bio-Saatgut.
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Saatgut selbst zu gewinnen und aufzubewahren erfordert etwas Wissen über die Samenreife – und das kommt auch mit der Erfahrung. Reife Samen erkennst du daran, dass sie sich leicht von der Mutterpflanze lösen oder ihre Fruchtstände braun und spröde werden. Anschließend solltest du sie gut belüften und noch etwas trocknen lassen, damit kein Schimmel entsteht. Bewahre die Samen kühl, dunkel und trocken auf, beispielsweise in beschrifteten Schraubgläsern oder luftdurchlässigen Papiertüten. Eine richtige Lagerung garantiert eine hohe Keimfähigkeit: Möhrensamen bleiben etwa ein bis zwei Jahre keimfähig, Tomatensamen dagegen bis zu acht Jahre. Je sorgfältiger du mit deinem Saatgut umgehst, desto zuverlässiger hast du im nächsten Frühjahr Erfolg. In einem anderen Artikel später im Jahr gehen wir Schritt-für-Schritt durch, wie du am besten Saatgut gewinnen und lagern kannst.
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Vorsprung durch die Voranzucht im Haus
Wenn du deine Pflanzen im Haus vorziehst, kannst du das Gartenjahr früher beginnen und kräftige Jungpflanzen heranziehen. Dabei solltest du besonders auf drei Dinge achten: Licht, Temperatur und das richtige Substrat.
Licht
Ein häufiges Problem bei der Anzucht auf Fensterbank & Co. ist, dass die Keimlinge vergeilen (hehe ja, I know). Diesen Zustand erkennst du daran, dass sie lange, dünne und instabile Triebe bilden und blasse, unterentwickelte Blätter zeigen. Ich hab ein paar Samen für diesen Artikel extra vergeilen lassen. So sieht das aus:
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Grund für dieses Wuchsverhalten ist Lichtmangel. Dabei spielt das Pflanzenhormon Auxin eine entscheidende Rolle. Auxin sorgt normalerweise dafür, dass die Pflanze gleichmäßig wächst und ist an super vielen Prozessen beteiligt. Kommt Licht jedoch nur von einer Seite, sammelt sich das Hormon auf der schattigen Seite des Keimlings. Dort fördert es das Zellwachstum besonders stark – dadurch wächst diese Seite schneller, und die Pflanze biegt sich zum Licht hin (dieses “zum-Licht-wachsen” nennt man Phototropismus). Wenn aber insgesamt zu wenig Licht vorhanden ist, gerät die Produktion und Verteilung des Auxins aus dem Gleichgewicht. Die Pflanze reagiert darauf, indem sie sich stark in die Länge streckt, um schnellstmöglich eine bessere Lichtquelle zu erreichen. Genau das nennt man „vergeilen“. Eigentlich ist das ein cleverer Überlebensmechanismus – allerdings werden die Keimlinge in unserem Fall dabei leider schwach und ein wenig wabbelig, weil das schnelle Längenwachstum auf Kosten der Stabilität geht.
Deshalb: Sorge für ausreichend Licht, idealerweise mit speziellen Pflanzenlampen (Vollspektrum), die nah über den Keimlingen angebracht sind. So wachsen deine Pflanzen kompakt, stabil und gesund!
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Temperatur
Auch die Temperatur beeinflusst, ob du Erfolg mit deinen Pflänzchen hast. Während Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad Celsius für die Keimung vieler Gemüsearten optimal sind – viele Leute verwenden hier auch Heizmatten für die Keimung –, brauchen wärmeliebende Pflanzen wie Tomaten oder Paprika auch danach noch relativ hohe Temperaturen. Andere Arten wie Kohl oder Salat hingegen vertragen kühlere Bedingungen besser. Nach der Keimung sollten sie nicht dauerhaft zu warm stehen, da sie sonst schnell schießen oder direkt in die Blüte gehen, bevor sie richtig wachsen. Solche Pflanzen kannst du deshalb oft schneller ins Frühbeet oder nach draußen setzen als wärmeliebende Arten.
Substrat
Wähle außerdem ein geeignetes Anzuchtsubstrat: Spezielle Anzuchterde oder Kokosquelltabletten sind nährstoffarm, locker und meist frei von Krankheitserregern. Das fördert eine gute Durchlüftung der Wurzeln und reduziert das Risiko von Schimmel oder Pilzbefall. Einige Gärtner:innen sterilisieren ihre Anzuchterde sogar im Ofen, indem sie sie auf einem Backblech kurz erhitzen, um sicherzugehen, dass keine Keime enthalten sind. Ich persönlich mache das nicht und hatte damit noch nie Probleme – ich nutze seit Jahren ganz einfach Kokosquelltabletten oder Anzuchterde direkt aus der Packung, ohne Schimmel und mit guten Ergebnissen. Falls du der Erde aber nicht traust, kann das Erhitzen aber eine gute Vorsichtsmaßnahme sein. Es ist nur eine Sache wichtig: Diese “Säckchen”, die um die Quelltabletten sind, verrotten endlos langsam. Wenn ich den Keimling auspflanze, schneide ich die äußere Hülle an mehreren Stellen komplett auf, damit sich die Wurzeln schnell und ungehindert ausbreiten können.
Vielleicht denkst du dir gerade: Hmmmm, alles schön und gut, aber wieso nährstoffarme Erde? Ist es nicht besser, viel zu düngen, damit die Pflanzen schnell und stark wachsen? Hier ist wichtig zu verstehen: Nährstoffarme Erde zwingt die Keimlinge, ein starkes Wurzelsystem zu entwickeln, da sie sich mit den Wurzeln aktiv auf die Suche nach Nährstoffen machen müssen. Das sorgt für gesunde, kräftige Pflanzen, die später besser anwachsen. Zu viele Nährstoffe in der Anzuchterde hingegen bremsen das Wurzelwachstum (= Wieso anstrengen? Man kriegt doch alles Fast-Food-mäßig reingestopft, ich brauch keine Feinwurzeln) und können zudem das Wachstum überhalb der Erde zu arg beschleunigen, was zu schwachen, vergeilten Pflanzen führt.
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Anzuchtgefäß
Als Anzuchtgefäß verwende ich meistens Multitopfplatten oder kleine, einfache Zimmergewächshäuschen aus Kunststoff – beides ist günstig und praktisch, und einige meiner Gewächshäuschen haben oben auch ein Licht, das ist super für die ersten Tage. Plastik wirkt erstmal unnachhaltig, aber: Da man Plastikgefäße problemlos mehrfach verwenden kann, ist das nicht so problematisch. Plastik wird zum Problem bei Einwegsachen, weil die einfach in Massen im Müll und in der Umwelt landen. Ich benutze manche meiner Anzuchttöpfe jedoch schon seit 2014 und verwende auch gerne die Plastiktöpfe, in denen Stauden oder andere Pflanzen verschickt werden.
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Natürlich sehen Töpfe aus recyceltem Papier oder abbaubarer Holzfaser deutlich schöner aus, aber meine persönliche Erfahrung damit ist leider nicht besonders gut: Entweder schimmeln sie, weil sie zu feucht werden, oder die Pflanzen leiden darunter, wenn ich versuche, sie trockener zu halten. Ich krieg’s leider nicht hin, vielleicht hast du bessere Erfahrungen damit? Alternativen, die wirklich gut funktionieren und trotzdem nachhaltig sind, gibt es aber durchaus: Terracotta-Töpfe nehmen überschüssiges Wasser auf und geben es langsam wieder ab – ideal für Pflanzen, die empfindlich auf zu viel Feuchtigkeit reagieren. Auch Holzgefäße sind nachhaltig, besonders wenn sie innen etwas mit Leinöl behandelt sind, damit sie langlebiger werden. Trotzdem bleibe ich im Alltag meist bei meinen bewährten kleinen Gewächshäuschen und wiederverwendeten Kunststoffbehältern aus Gärtnereien und Co.
Und klar kannst du dir auch schicke Indoor-Gewächshäuser mit 8 Plätzen für 60 Euro kaufen – wenn du das Geld übrig hast und dir Ästhetik wichtig ist, warum nicht? Die sehen ja wirklich gut aus. Aber ich bräuchte halt 100 von denen, das wird dann schnell unpraktisch, irre teuer und verschwendet viel Platz. Es ist auf keinen Fall notwendig, hier viel Geld reinzustecken. Praktische und günstige Lösungen reichen völlig aus.
Voranzucht Step-by-Step
Damit du eine kleine Checkliste und eine bessere Übersicht hast: Hier zeige ich dir, wie ich die Voranzucht im Haus angehe:
Passendes Saatgut aussuchen
Überleg dir zuerst, welche Pflanzen du anziehen möchtest und wann du sie draußen auspflanzen kannst. Meine Erfahrung: Hier im Norden starte ich meist zwei bis vier Wochen später als auf der erste auf der Saatgut-Packung empfohlene Termin – so vermeide ich, dass die Pflanzen zu lange im Haus herumstehen, bevor sie raus können.
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1) Quelltabletten oder Multitopfplatten vorbereiten
Wenn du Kokos-Quelltabletten verwendest, gieße sie einfach mit warmem Wasser an, bis sie vollständig aufgequollen sind. Falls du Multitopfplatten oder kleine Töpfe nutzt, fülle sie locker mit Anzuchterde auf. Wichtig: Erde nur leicht andrücken, damit Luft drinbleibt.
2) Samen richtig platzieren
Leg die Samen auf die vorbereitete Erde oder in die aufgequollenen Quelltabletten. Achte dabei auf den empfohlenen Abstand und auf die richtige Saattiefe (die steht auf der Packung – meist entspricht die ideale Tiefe etwa dem zwei- bis dreifachen Durchmesser des Samens).
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3) Mit Erde bedecken
Bedecke die Samen locker mit etwas Anzuchterde. Ausnahme: Lichtkeimer wie Salat oder Möhren solltest du nur sehr dünn mit Erde bestreuen oder einfach leicht andrücken, ohne sie komplett zu bedecken.
4) Vorsichtig angießen
Gieß die Samen vorsichtig mit einer feinen Brause oder einem Zerstäuber an. Die Erde soll feucht, aber nicht nass sein – vermeide unbedingt stehendes Wasser!
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5) Abdecken und unter Licht platzieren
Decke deine Anzuchtgefäße ab – entweder mit einem durchsichtigen Kunststoffdeckel, einem Mini-Gewächshausdeckel oder einer simplen Folie. Das schafft ein optimales Mikroklima. Stell alles unter eine Pflanzenlampe oder an ein sehr helles Fenster, damit die Keimlinge kräftig und kompakt wachsen.
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6) Regelmäßig lüften!
Wichtig: Heb jeden Tag kurz den Deckel hoch, um Frischluft reinzulassen. Ich gönne denen immer so 2-3 Stunden “Cabrio”. Das reduziert Schimmelgefahr und sorgt für gesunde Pflanzen.
7) Pikieren – Schritt für Schritt
Sobald die Pflanzen gut gewachsen sind, wird es Zeit zum Pikieren – also die Keimlinge aus der Anzuchtschale in eigene Töpfe umzusetzen. Der richtige Moment dafür ist erreicht, sobald das erste echte Blattpaar nach den Keimblättern sichtbar ist. Mit einem Pikierstab oder einem einfachen Holzstab hebst du die kleinen Pflanzen vorsichtig heraus und setzt sie etwas tiefer in die neue Erde. Das Einsetzen mit leicht abgesenktem Stängel sorgt nicht nur für mehr Stabilität, sondern fördert auch zusätzliches Wurzelwachstum.
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Aussaat im Gewächshaus – Kontrollierte Umweltbedingungen optimal nutzen
Wenn du Glück hast, hast du Platz für ein Frühbeet oder ein Gewächshaus. Kennst du diese Instagram-Reels, wo Leute ihr Traumgewächshaus zeigen? Jahrelang sah mein fancy Gewächshaus so aus, zusammengehalten nur noch von Gewebeband, meinem Glauben an es und ein paar verzweifelten Stoßgebeten:
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Sieht es geil aus? Nein. Hat es funktioniert? Ja. Also wenn keine Sturmböen kamen, in dem Fall musste ich alles mögliche Schwere heranschleppen und drauflegen, weil es sonst weggeflogen ist.
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Mittlerweile habe ich auf diese kleine Teil upgegradet:
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Die kontrollierte Umgebung im Gewächshaus oder im Frühbeet sorgt für bessere Keimraten und robustere Jungpflanzen. Vor allem die Temperatur spielt dabei eine entscheidende Rolle: Im Gegensatz zur Fensterbank, wo es bestimmten Arten irgendwann definitiv zu warm wird, sind Temperatur und Luftfeuchtigkeit pflanzenfreundlicher. Auch die Lichtverhältnisse sind in der Regel besser als auf einer durchschnittlichen Fensterbank, wo Licht oft nur von einer Seite kommt. Für die Praxis heißt das alles: Nutze dein Gewächshaus gezielt für Pflanzen, die entweder besonders wärmeliebend sind (im Sommer) oder früh in der Saison einen Wachstumsvorsprung brauchen. Kohlgewächse wie Brokkoli oder Kohlrabi kannst du zum Beispiel bereits ab Februar oder spätestens Anfang März direkt im Gewächshaus oder Frühbeet aussäen. Salate, Spinat oder Radieschen gehören ebenfalls zu diesen frühen Kulturen und fühlen sich im jetzt kommenden März bereits sehr wohl.
Wärmeliebende Pflanzen wie Tomaten, Paprika, Auberginen oder Gurken solltest du nicht zu früh aussäen, da sie stabile Temperaturen über 20 Grad Celsius und ausreichend Licht benötigen. Diese Bedingungen sind meist erst ab April oder Mai zuverlässig gegeben, selbst im Gewächshaus. Säst du zu früh, riskierst du schwache, vergeilte Pflanzen, die schlecht anwachsen oder anfällig für Krankheiten werden. Auch die Tageslänge spielt eine Rolle: Tomaten und Paprika profitieren von einer Anzucht im März oder April, wenn die Tage bereits länger sind – das fördert ein kräftigeres und kompakteres Wachstum. Auberginen oder Melonen sind noch anspruchsvoller und gedeihen am besten, wenn du sie erst ab Mitte April oder ab Mai (das kommt auf die Sorte an) heranziehst. Sie brauchen besonders viel Wärme und Licht, sodass ein zu früher Start oder ein verfrühtes Auspflanzen ins ungeheizte Gewächshaus problematisch wäre. Auf der Fensterbank kannst du aber durchaus schon früher starten, wenn du Pflanzenlampen hast, die stark genug sind.
Das mit der Geduld und dem nicht zu früh pflanzen kenne ich übrigens aus eigener Erfahrung: Am Anfang war ich oft zu ungeduldig und habe manche Pflanzen zu früh gestartet. Dann musste ich sie viel zu lange im Haus behalten, wo sie entweder zu groß wurden oder mir irgendwann abgeschmiert sind. Mit der Zeit habe ich gelernt, dass es sich lohnt, auf den richtigen Zeitpunkt zu warten – die Pflanzen entwickeln sich dann einfach besser.
Zusammengefasst bedeutet das für deine Planung im Gewächshaus oder Frühbeet:
Ab Februar/März: manche Kohlgewächse, Spinat, Wintersalate wie Feldsalat oder Winterkopfsalat, frühe Möhren, Radieschen, Rettich, Mangold, all sowas. Gegebenenfalls musst du an besonders kalten Tagen mit Vlies oder Stroh für besseren Witterungsschutz sorgen. Auch Frostwächter sind eine Option, die ich immer in meinen kleinen Frühbeeten nutze. Darüber erzähle ich auch bald.
Ab März/April: Tomaten, Paprika, sowas eben.
Ab Mitte/Ende April/Mai: Auberginen, Gurken, Melonen, Kürbisse, Zucchini, Bohnen ziehen jetzt gerne ein. Gerade für Tomaten, Auberginen usw. wäre es im Freiland vor den Eisheiligen noch ein bisschen riskant.
Die direkte Freilandaussaat für die Eisbären unter den Pflanzen
Bei der Freilandaussaat stehen deine Pflanzen direkt in Kontakt mit dem natürlichen Boden. Deshalb lohnt es sich, kurz die wichtigsten bodenkundlichen Aspekte zu betrachten. Die Struktur des Bodens bestimmt, wie gut Wasser gespeichert wird und wie leicht Pflanzen an dieses Wasser gelangen. Ideal ist ein krümeliger Boden, der genug Wasser speichert, aber zugleich gut belüftet bleibt. Ein zu sandiger Boden speichert kaum Wasser, während ein zu tonhaltiger Boden das Wasser zwar speichert, es aber nur schwer an Pflanzen abgibt. Verantwortlich dafür ist die sogenannte Kapillarwirkung: Durch enge Zwischenräume und Poren im Boden steigt Wasser von unten nach oben auf und versorgt deine Pflanzen. Ist der Boden dagegen zu dicht oder verschlämmt, reduziert sich nicht nur die Wasserversorgung, sondern auch die Sauerstoffzufuhr – das hemmt die Keimung und führt zu schwachen Pflanzen.
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Vor der Aussaat solltest du deinen Boden daher gut vorbereiten. Lockere ihn auf und arbeite gegebenenfalls etwas Kompost oder Sand ein, um eine lockere, krümelige Struktur zu schaffen. So verbesserst du nicht nur die Wasserspeicherfähigkeit, sondern auch die Sauerstoffversorgung deiner Samen und später der jungen Pflanzen. Wenn du Kompost einarbeitest, achte drauf, dass es altes, abgelagertes Material ist und kein ganz frisch zersetzter Kompost. Mache das am besten 2-4 Wochen vor der Aussaat, damit sich alles ein bisschen auswäscht und die Nährstoffe die Jungpflanzen nicht direkt überfordern/das alles nicht zu “scharf” für die kleinen Wurzeln ist.
Bei der eigentlichen Aussaat kannst du grundsätzlich zwischen zwei Methoden wählen: der Reihenaussaat und der flächigen Aussaat.
Die Reihenaussaat bietet biologisch betrachtet mehrere Vorteile: Die gezielte Anordnung der Samen in Reihen sorgt für einen klar definierten Pflanzabstand. So konkurrieren deine Pflanzen nicht so stark miteinander um Licht, Wasser und Nährstoffe. Außerdem kannst du aufkeimende Beikräuter leichter von deinen jungen Nutzpflanzen unterscheiden und frühzeitig entfernen. Das reduziert die Konkurrenz zusätzlich und erhöht die Qualität der Jungpflanzen. Besonders empfehlenswert ist diese Methode bei Kulturen wie Möhren, Spinat oder Salat. Vor allem, wenn du gerade startest, kann so ein Ansatz hilfreich sein, wenngleich die Platznutzung hier nicht ideal ist. Ich sag dir gleich: Ich säe und pflanze gemischt und sehr eng, darauf werde ich mal in einem anderen Artikel eingehen.
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Die flächige Aussaat ist einfacher, birgt aber auch den ein oder anderen Nachteil. Die Samen verteilst du breitwürfig auf der Fläche, was meist schneller geht. Allerdings ist der Konkurrenzdruck höher, da Pflanzen ungleichmäßig verteilt wachsen. Manche Samen landen zu dicht beieinander, andere zu weit entfernt. Das erhöht nicht nur den Stress für die jungen Pflanzen, sondern erschwert auch das Erkennen und Entfernen von unerwünschten Wildkräutern. Flächige Aussaat eignet sich deshalb vor allem für schnell wachsende Gründüngungspflanzen oder Blumenmischungen, bei denen Konkurrenzdruck und Pflanzabstand weniger entscheidend sind. Oder bei Sachen wie Spinat oder Feldsalat, da mache ich auch keine Gefangenen und schmeiß den Samen einfach ins Beet, hehe.
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Eine clevere Strategie ist übrigens die sogenannte Markierungssaat: Hier kombinierst du quasi Langsam- und Schnellkeimer, um die Übersicht zu behalten. Man kennt’s: Man starrt auf sein Beet und versucht sich zu erinnern, wo genau man doch eben gleich die Möhren ausgesät hat. Natürlich hat man vergessen, die Reihen zu markieren, klar … Ein Klassiker ist es hier, zu den Möhren auch noch Radieschen zu setzen. Möhren keimen langsam, Radieschen dagegen sehr schnell. Säst du beide in dieselbe Reihe, erkennst du durch die schnell wachsenden Radieschen frühzeitig, wo du deine langsam keimenden Möhren ausgesät hast. Zusätzlich nutzt du den Platz besser, da du die Radieschen bereits geerntet hast, bevor die Möhren viel Platz benötigen.
Ein häufiger Fehler bei der Freilandaussaat liegt übrigens in der Bewässerung. Zu kräftiges oder häufiges Gießen kann dazu führen, dass der Boden verschlämmt. Dabei werden die feinen Poren im Boden verschlossen, es bildet sich eine harte Kruste an der Oberfläche. Diese Kruste verhindert, dass Sauerstoff in den Boden gelangt und junge Keimlinge es an die Oberfläche schaffen. Biologisch gesehen bedeutet das für deine Samen großen Stress, denn sie erhalten zu wenig Sauerstoff und können schlimmstenfalls absterben. Besser ist es daher, behutsam zu gießen: Nutze eine feine Brause oder eine Gießkanne mit Zerstäuberaufsatz, um deine Aussaat sanft zu wässern. Alternativ kannst du die Fläche auch mit einem Gartenvlies oder Jutesack leicht abdecken, um die Feuchtigkeit konstant zu halten und den Boden vor Verschlämmung zu schützen. Ich selber mulche gern mit Stroh oder anderen passenden Materialien, so schützt man die Jungpflanzen und der Boden trocknet nicht aus.
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Mehr als ein Hobby – Gärtnern als angewandte Biologie
Gärtnern ist so viel mehr als nur Samen in die Erde legen, ein bisschen gießen und auf die Ernte warten – es ist angewandte Biologie direkt vor deiner Haustür, auf deinem Balkon oder im Schrebergarten! Je besser du verstehst, wie Pflanzen wachsen oder wie Bodenstruktur und Mikroklima deine Erfolge beeinflussen, desto besser wirst du deine Pflanzen unterstützen können. Eigenständig auszusäen statt Jungpflanzen zu kaufen bringt dir außerdem die Möglichkeit, die biologische Vielfalt direkt in deinem Garten zu fördern und leckere Sorten auszuprobieren, die du im Laden nirgends kaufen kannst. Dabei lernst du fast automatisch, biologische Zusammenhänge im Alltag zu beobachten und daraus zu lernen – von der Keimung bis zur Ernte und darüber hinaus. Und seien wir ehrlich: Es ist schon ziemlich cool, dein eigenes Essen oder deine eigene Schnittblumen vom Samen bis zur Reife heranzuziehen.
Mein Hortarium ist noch ganz jung, und viele Themen, die ich hier angerissen habe, werde ich in den nächsten Monaten ausführlich und praxisnah besprechen. Wenn du Lust hast, tiefer einzusteigen und mich dabei unterstützen möchtest, schließ gern ein Abo ab – dadurch ermöglichst du mir, Saatgut, Experiment-Beete und weiteres Zubehör anzuschaffen, um verschiedene Methoden auszuprobieren und die Ergebnisse direkt mit dir zu teilen. Ich freue mich, wenn du dabei bist und wir zusammen noch viel mehr über Pflanzen, Biologie und nachhaltiges Gärtnern lernen!
Bis zum nächsten Mal!
Jasmin :)
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Hier kommt die letzte Chance, deine Fragen für die Gartensprechstunde im März loszuwerden:
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