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P 019: Am Familientisch entspannt essen

Verdauung beginnt im Mund  - aber so wie auch ein Kinobesuch nicht mit dem Start des Filmes beginnt, ist es auch bei diesem Thema.
Es gibt einiges, was dazu gehört und schon davor passiert. Beim Kino sind es die Filmauswahl, der Hinweg, Karten kaufen usw.

Wie ist das beim Essen am Familientisch?
Was ist, wenn du bereits vor dem Essen Angst-Bauchweh hast, weil du weißt, welcher Stress da gleich auf dich zukommt?
Mit welchen (blöden) Kommentaren dein Essen empfangen wird oder welchen Druck du hast, um alle Essenswünsche zu erfüllen?

Beim gemeinsamen Essen sind es Planung und Vorbereitung und auch das Setting.

Das Was, Wie, Wann und Wo kann bereits Auswirkungen auf die Verdauung haben und für diesen Blick über den Tellerrand.

Für dieses Thema habe ich Sabrina Knap, von sabrina.knap.coaching, um ihre Expertentipps gebeten. Sie hat dir wertvolle Anregungen für eine entspannte Essensituation in diesem Gastartikel zusammengefasst.

Am Familientisch mit Ruhe und Gelassenheit die Mahlzeit genießen 

Das Thema "gemeinsames Essen" begegnet uns täglich. Meistens mehrmals!

Wir alle haben viele und sehr individuelle Erfahrungen damit. Manche sind schön, manche schwierig, manche freudig und manche sorgenvoll.  

Falls du wenig Zeit oder Lust hast, den ganzen Artikel zu lesen, kommt hier ein kurzer Überblick: in diesem Gastbeitrag mache ich zu Beginn einen kurzen Vergleich und schaue mir an, wie gemeinsames Essen "früher" war und wie es heute (meistens) abläuft. In der zweiten Hälfte des Beitrags gibt es noch ein paar konkrete Tipps, die dir helfen können, eure gemeinsame Zeit am Familientisch entspannter und positiver zu gestalten. 

 

Gemeinsames Essen früher

"Früher" ist eigentlich so ein Begriff, den ich nicht mag. Wann genau früher? Und wo früher? 

Früher ist nicht konkret, nicht greifbar und manchmal auch schwer vorstellbar.

Konkret und greifbar sind jedoch diese 2 Bilder:

Bild 1: eine Mehrgenerationen-Familie, die eine eigene Landwirtschaft hat, bei der Großeltern, Eltern und Kinder, manchmal auch noch Onkel und Tanten zusammenleben.

Bild 2: eine Familie in den 50er-Jahren, bestehend aus Mutter (Hausfrau), Vater (arbeitet von 8-5) und Kindern.

Mit diesen Bildern arbeiten wir weiter: in diesen Familien kann man sich vorstellen, dass gemeinsam gegessen wird. Täglich.

Die ganze Familie sitzt am Tisch. Es wird gegessen, geredet, gelacht. Die Stimmung ist fröhlich, Tischmanieren sind erwünscht, aber wichtiger ist das Zusammensein und der Austausch.

Woher kommt diese Vorstellung?

Einerseits weil es "erwartet" wurde, dass es so war und es sich so gehört (Bild 2), andererseits weil es vollkommen normal ist, dass man sich nach getaner Arbeit (am Feld, am Hof...) gemeinsam am Tisch wiederfindet. Um zu essen, sich auszutauschen, sich auszuruhen (Bild 1). Täglich und ohne groß darüber nachzudenken, ohne es zu planen.

Diese Zeiten waren anders. Die Werte waren anders, die Gesellschaft war anders!

 

Gemeinsames Essen heutzutage

Ein typischer Alltag in unserer heutigen Zeit sieht oft so aus, dass ein oder beide Elternteile arbeiten. Die Kinder sind in Betreuung und kommen im Laufe des Nachmittages nach Hause.

Für die gemeinsame Zeit am Esstisch bedeutet das, dass es maximal zu einem gemeinsamen oder teilweise gemeinsamen Frühstück und zu einem (teilweise) gemeinsamen Abendessen kommt. Das Frühstück ist meist geprägt von Zeitdruck: "Schnell was frühstücken und dann weiter, weil wir ja pünktlich in die xy müssen.“

Am Nachmittag ist es dann auch oft so, dass noch diverse Punkte auf der Freizeit-ToDo-Liste stehen und man dies oder jenes zu erledigen hat. Dann noch pünktlich, abwechslungsreich, frisches und eventuell sogar selbst gekochtes Essen auf den Tisch zu bringen ist ... Stress / Arbeit / unmöglich. Die Liste der Wörter, die man hier einfügen kann, sind nicht so positiv behaftet, wie ich sie gerne hätte. Das ist oft die Realität. 

Unsere Gesellschaft und unsere Werte haben sich verändert. Wir leben oft nicht mehr mit unseren Eltern unter einem Dach, die Gemeinschaft (gemeint ist die Anzahl der Personen) beim gemeinsamen Essen ist insgesamt kleiner geworden, beide Elternteile gehen einer Arbeit nach weil die Gesellschaft es verlangt/ das Geld gebraucht wird/ein Ausgleich oder Wertschätzung gesucht wird usw. 

Die Zeit hat sich verändert und das Thema "gemeinsam essen" mit ihr!

Durch diesen kurzen Vergleich von "damals und heute" möchte ich euch ermutigen, ganz konkret auf eure Situation, Bedürfnisse und eure Werte zu achten - im Leben und natürlich besonders am Familientisch.

 

Um eure gemeinsame Zeit am Familientisch entspannter zu gestalten, kommen hier 3 konkrete und positive Impulse zum Essen mit Kindern:

 

Tipps, die das gemeinsame Essen am Familientisch AB HEUTE entspannen können

 

1) Gute Vorbereitung

Bereite die Esssituation so vor, dass jeder von euch so wenig wie möglich aufstehen muss, sobald "es" losgeht.

 

Von vielen Familien höre ich, dass die Kinder am Esstisch nicht sitzenbleiben wollen/können. Gleichzeitig berichten sie mir, dass sie selbst auch kaum in Ruhe essen können, weil das Kind lieber den roten Becher haben will, das Wasserglas leer ist oder die Tomaten fehlen. Somit herrscht Unruhe in der gesamten Situation, weil sowohl die Eltern als auch die Kinder häufiger aufstehen.

 

Um diese Probleme zu lösen, bedarf es etwas Übung und vor allem gute Vorarbeit, die schlussendlich in Vorbildfunktion resultiert: 

  • bereite die Mahlzeiten - das konkrete Essen - so vor, dass alles am Tisch steht, was für diese Mahlzeit gebraucht wird: angefangen von Besteck, Tellern, genügend Schüsseln, ein Wasserkrug, Gläser für alle, der Ketchup, bis hin zum Essen, dass verzehrbereit da ist (dh gewaschen, geschnitten,...)

  • bereite Dinge so vor, dass dein Kind sie selber holen kann

    (wenn etwas fehlt oder etwas anderes gebraucht wird)

    Das bedeutet, dass du eventuell deine Küche etwas umstrukturieren musst: du kannst zum Beispiel das Kindergeschirr so in der Küche platzieren, dass es frei zugänglich für dein Kind ist. 

    • Gemüse und Obst auf Augenhöhe, gewaschen und verzehrbereit. 

    • Lätzchen oder Servietten so platziert, dass sie vom Tisch aus griffbereit sind oder dein Kind sie selber holen kann.


2) Essenszeiten nicht künstlich verlängern

Für kleine Kinder ist es extrem schwer, ruhig und lange am Tisch sitzen zu bleiben. Vor allem wenn sie selbst mit dem Essen fertig sind.

Nimm hier den Druck heraus und finde einen guten Kompromiss und eine angemessene Zeit, in der dein Kind sitzen bleiben kann, ohne dass es zu lange und zu viel für euch alle ist.

Dieser Tipp bezieht sich sowohl auf den Essbeginn als auch aufs Beenden der Mahlzeit. Konkret heißt das: lass dein Kind erst Platz nehmen, wenn es wirklich losgeht. Nicht, wenn du noch in der Küche stehst oder der Tisch erst halb gedeckt ist. Das führt zu Unmut, Ungeduld und schlechter Laune. 


3) Kinder so früh wie möglich einbeziehen

Sobald dein Kind Interesse und Bereitschaft für Arbeiten in der Küche zeigt, bezieh es unbedingt mit ein! 

Von manchen Eltern höre ich, dass größere Kinder "faul" sind und weder beim Essen vorbereiten noch beim Tisch decken oder abräumen helfen wollen. Auf die Frage, ob das denn schon immer so war, höre ich dann oft: "Ja früher waren sie ja noch zu klein...".

Essen ist eine ganz soziale Situation, in der es um Verbindung, gemeinsame Zeit und Austausch geht. Zum Essen gehört auch das Vor- und Zubereiten, davor das Einkaufen und davor die Essensplanung. Hier bieten sich viele wunderbare Gelegenheit, die man so früh wie möglich nutzen sollte. 

Schon ganz kleine Kinder können beispielsweise Gemüse oder Obst abwaschen oder auch teilweise das Tischdecken übernehmen, sie können Einkaufslisten zeichnen oder schreiben, beim Einkaufen dabei sein oder selbstständig etwas im Regal holen und in den Einkaufswagen legen. 

Und ja, ICH WEISS: kleine Kinder in der Küche zu haben, macht meistens extra Arbeit und kostet extra Zeit, aber auf lange Sicht lohnt es sich. 

Zum Abschluss möchte ich gerne noch sagen, dass alle Tipps gut und schön sind - wenn sie in euer Familiensystem und in euren Ablauf passen. 

 

Um herauszufinden, was für eure Familie passt, müsst ihr zuerst herausfinden, was für euch wichtig ist!  

Stört es dich nicht, beim Essen 10mal aufzustehen, weil etwas fehlt, ist dieser Tipp nicht relevant. Schau mal ganz neugierig auf eure individuelle Esssituation und finde raus, was dir wichtig ist/was dich stört - das ist euer Startpunkt!

 

Ich möchte es gerne nochmal ganz direkt aussprechen: jede Familie, deren Abläufe und Strukturen sind ganz individuell. Was für die einen klappt, kann für die anderen stressig sein. Daher sei geduldig mit dir und deiner Familie und schau neutral und neugierig, was für euch wichtig ist und für euch passen könnte – genau hier kannst du ansetzen, hier kannst du starten!

 

Autorinnenbox: 

Sabrina Knap

Sabrina ist Logopädin und hat speech communications and rhetorics studiert. Zusätzlich ist sie zertifizierter Kinder- , Jugend- und Familiencoach. Sie ist selbst Mama von 2 Kindern. Was sie liebt sind gute Gespräche und gutes Essen und sie gibt ihre Impulse auf Instagram weiter. Du findest sie unter sabrina.knap.coaching (Abre numa nova janela).

 

Ihr Herzensthema ist es, Eltern dabei zu unterstützen, eine entspannte und positive Zeit am Familientisch zu haben. 

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