Liebe Pfefferhasis und Leser*innen,
heute ist der Newsletter ziemlich spät dran. Wordpress will nicht, so wie ich will und es ist mir nicht gelungen, den Wochenrückblick auf dem Blog zu veröffentlichen ("502 Proxy Error"). Deshalb - tadaaa - hier nun der Wochenrückblick erstmals als Newsletter:
Danke, Böhmi
Jan Böhmermann legt sich mit TERFs an, in Dortmund wird eine Abtreibungsklinik bedroht, in Jena ein Hörsaal besetzt und in Berlin randalieren Rassist*innen wegen Straßenumbenennungen. Der Wochenrückblick aus feministischer Perspektive #KW48.
Die Hände!!! Hahaha, es tut mir leid, Jan Böhmermann.
Montag, 28. November
Bereits am Wochenende haben sich in Dortmund bis zu 60 Personen vor einer neuen Abtreibungsklinik versammelt und gegen das Recht auf körperliche Selbstbestimmung demonstriert (Opens in a new window). Die religiösen Fanatiker*innen behaupteten wir befänden uns im 3. Weltkrieg gegen „ungeborenes Leben“ und verglichen Schwangerschaftsabbrüche mit dem Holocaust. In einen Demo-Aufruf-Video (Opens in a new window), der auf der (mir bislang unbekannten und sehr verstörenden) christlichen Plattform „gloria.tv“ veröffentlicht wurde, heißt es, die „Kindertötungsklinik“, der „Ort des teuflischen Grauens“ müsse verhindert werden. Im Video wird nicht nur Mitarbeiter*innen der Klinik indirekt gedroht („es wäre besser für sie, wenn sie mit einem Mühlstein um den Hals ins tiefe Meer geworfen werden würden“), sondern auch behauptet „kein Ort dieser Welt ist so gefährlich für Kinder wie der Bauch der Mutter“ und Abtreibungen werden direkt mit dem Holocaust verglichen.
Die neueröffnete Tagesklinik ist eine von insgesamt nur vier(!) Stellen in Dortmund, wo ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt werden kann. Die Versorgungslage für ungewollt Schwangere ist katastrophal.
https://twitter.com/jennybrunner_do/status/1597253398910631936?s=20&t=anaz6Jd6eTgumH8vqmiMHQ (Opens in a new window)Dienstag, 29. November
Am Dienstag lud der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann, zur Auftaktveranstaltung des Aktionsplans „Queer Leben“ der Bundesregierung. Ziel des Plans ist es, Queerfeindlichkeit entgegenzuwirken und die Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans* und inter* Personen sowie generell allen queeren Menschen nachhaltig fördern. Dafür wurde ein „umfangreiches Maßnahmenpaket zu den Bereichen Rechtliche Anerkennung, Teilhabe, Sicherheit, Gesundheit, Stärkung von Beratungs- und Communitystrukturen und Internationales“ angekündigt. Ich bin gespannt, was dabei rumkommt! Kein bisschen überrascht war ich, dass transfeindliche (selbsternannte) Feminist*innen gegen den Aktionsplan Stimmung machen. Bereits am Wochenende zuvor hat die infame Initiative „Lasst Frauen Sprechen“ (LFS) eine Stellungnahme (Opens in a new window)[ACHTUNG: Link führt direkt zur transfeindlichen Hetze] veröffentlicht. Darin heißt es in bester neurechter Rhetorik, dass der Aktionsplan „die Genderidentitätsideologie unhinterfragt übernimmt und bekräftigt“. Es folgen elf Forderungen, die voller verschwörungsideologischem Geschwurbel, Falschbehauptungen, Hate Speech und Bösartigkeiten sind. So spricht sich LFS gegen die Aufnahme der „sexuellen Identität“ als schützenswertes Merkmal ins Grundgesetz aus und begründet das so: „Die Gesetzgebung würde mit diesem Zusatz das Ausleben frauenfeindlicher und kindeswohlgefährdender Fetische und Paraphilien in der Öffentlichkeit fördern und hätte somit weitreichende Folgen für die Unversehrtheit von Frauen und Kindern.“ Das uralte Schauermärchen, dass Menschen jenseits der cis Heteronormativität eine Gefahr für Kinder wären, ist nicht nur bei Nazis und christlichen Fundamentalist*innen beliebt, die TERFs übernehmen es gerne und setzen die trans Identität wiederholt in eine Reihe mit Pädophilie: „Der Begriff ‚sexuelle Identität‘ würde konsequenterweise neben Transvestitismus, Transgenderismus bzw. Transsexualismus auch den Schutz des offenen Auslebens sexueller Abweichungen wie Windelfetischismus, Exhibitionismus oder Pädokriminalität (...) bedeuten“. Worum es beim grundgesetzlichen Schutz der „sexuellen Identität“ wirklich geht, hat der LSVD bereits 2019 aufgeschrieben (Opens in a new window). Das Hass-Pamphlet fordert weiterhin den Ausschluss von trans Mädchen und Frauen aus „Teams, Wettbewerben und Umkleidekabinen“ sowie das Verbot medizinischer Versorgung von trans Kindern und Jugendlichen, wie bspw. Pubertätsblocker, da dies „schädliche kulturelle Praktiken“ seien, „die mit körperlichen Schädigungen durch die Gender-Industrie unmittelbar verbunden“ seien. Der Aktionsplan der Bundesregierung würde „die Indoktrination von Kindern in der Schule und in der Kinder- und Jugendhilfe mit der Transgenderideologie weiter forcieren“ und das geplante Selbstbestimmungsgesetz für trans Personen sei lediglich ein Weg „anderen Menschen den eigenen Fetisch, die eigene Weltanschauung oder die eigene Psychopathologie aufzuzwingen bzw. die Gemeinschaft zu zwingen, an einer von Individuen gelebten Täuschung mitzuwirken“. Ja, das sind tatsächlich die Worte dieser Hass-Gruppe, die sich „Lasst Frauen Sprechen“ nennt. Und die wundern sich, dass man sie als Faschos bezeichnet...
https://twitter.com/juli_unruly/status/1597912750990438402?s=20&t=anaz6Jd6eTgumH8vqmiMHQ (Opens in a new window)Mittwoch, 30. November
Studierende haben am Mittwoch einen Hörsaal der Universität Jena besetzt. Sie fordern, dass die Professur Geschlechtergeschichte erhalten bleibt. Der Fakultätsrat hatte im Juli beschlossen, den Lehrstuhl nicht neu zu besetzen, wenn Professorin Gisela Mettele 2025 emeritiert, stattdessen soll ein Lehrstuhl für Digital Humanities (digitale Geisteswissenschaften) geschaffen werden. Rund 200 Student*innen beteiligten sich an der Besetzung, die die Fakultät zum Umdenken bewegen soll. „Die Universität bewegt sich keinen Zentimeter. Wir besetzen nun den Hörsaal, damit sie uns nicht länger ignorieren kann“, sagt eine der Besetzer*innen gegenüber dem ND (Opens in a new window). Mit der Streichung würde der deutschlandweit einzige Lehrstuhl verschwinden, der sich dezidiert dem Thema Geschlechtergeschichte widmet. „Geschlecht, Sexualität und andere Dimensionen der Ungleichheit sind auch in der Gegenwart viel diskutierte Fragen. Der Lehrstuhl hilft dabei, diese (manchmal zu kurzschlüssigen) Debatten historisch einzuordnen“, heißt es in einer Petition (Opens in a new window), die bislang rund 2.900 Personen unterzeichnet haben. Die Entscheidung des Fakultätsrats, den Lehrstuhl umzuwidmen, passt in den derzeitigen Trend in Thüringen, Geschlechtergerechtigkeit abzubauen, statt zu fördern. Erst kürzlich beschloss der Landtag, mit Stimmen von CDU und AfD, dass Landesbehörden künftig nur noch das generische Maskulinum verwenden (Opens in a new window) und andere Formen des Genderns unterlassen werden sollen.
https://twitter.com/GeGebleibt/status/1597946615993872384?s=20&t=7evMPEyJHtZHCiz0wNcQjA (Opens in a new window)Donnerstag, 1. Dezember
Am Donnerstag wurde „We have always been everywhere. Sexarbeit im Bülowbogen. Ein Audiowalk zur Geschichte Schönebergs“ (Opens in a new window) veröffentlicht. Der Spaziergang durch den Stadtteil, der auf der kostenfreien „BerlinHistory App“ (Opens in a new window) auf Deutsch oder Englisch abgerufen werden kann, entstand in Zusammenarbeit mit dem „Schwulen Museum“ und den Sexarbeitenden Ernestine Pastorello, Caspar Tate, River Roux und Olivia Green. Der Spaziergang führt zu insgesamt zwölf Stationen, vom S-Bahnhof Bülowstraße, u.a. zur Kurfürsten- und Frobenstraße, zum „Kumpelnest3000“, zur „BEGiNE Frauenkneipe“ und zur Apostelkirche. Inhaltlich geht es zurück in die 1920er Jahre, die Zeit des Nationalsozialismus, die AIDS-Krise und schließlich zu den Erfahrungen von Sexarbeiter*innen während der Covid-19-Pandemie und zur Gründung der ersten Gewerkschaft für Sexarbeitende in Deutschland. Auf dem Weg von einer Station zur nächsten, erzählen Sexarbeiter*innen von ihrem (Arbeits-)Alltag und gewähren den Zuhörer*innen einen Einblick in ihre Lebensrealität. Ich hatte die große Ehre, die Texte und Interviews zu übersetzen und bin richtig stolz, Teil dieses wunderbaren Projekts zu sein. Ihr könnt die Tour übrigens auch hören, ohne an den Orten entlang zu spazieren – es lohnt sich allemal!
https://twitter.com/berlin_History/status/1597933349313875968?s=20&t=anaz6Jd6eTgumH8vqmiMHQ (Opens in a new window)Freitag, 2. Dezember
Am Freitag kam der Moment, auf den ich schon lange gewartet habe: „TERFs“ sind im Mainstream angekommen! Und damit meine ich nicht, dass die Transfeindlichkeit nicht leider längst mehrheitsfähig wäre, sondern, dass eine breite Öffentlichkeit nun endlich von der Existenz der Trans Exkludierenden Radikalen Feminist*innen erfahren hat und auch über deren Menschenverachtung und kruden Verbindungen nach rechts und ganz rechts informiert wurde. Das „ZDF Magazin Royale“ mit Jan Böhmermann widmete sich am Freitag eine halbe Stunde lang dem Thema Transfeindlichkeit (Opens in a new window) und ließ keinen Zweifel daran, dass Beatrix von Storch, Alice Schwarzer, Eva Engelken, Marie-Luise Vollbrecht und Co auf der falschen Seite der Geschichte stehen. Die Frankfurter Rundschau (Opens in a new window) kam zum Fazit: „Autoritäre Nationalist:innen weltweit haben mit den Terfs ungewohnte Verbündete (...) So paradox das Bündnis aufgrund des teils mittelalterlichen Frauenbilds der Rechten ist, wird es durch das gemeinsame Feindbild Realität. Beide Gruppen haben Angst, ihre Deutungshoheit und ihre gesellschaftliche Stellung zu verlieren.“ Und im Internet kochen ebendiese Rechten und TERFs vor Wut. Ein guter Indikator dafür, dass Böhmi alles richtig gemacht hat. Bemerkenswert an der Sendung ist nicht nur, wie das komplexe Thema in kürzester Zeit für eine weitestgehend uninformierte Öffentlichkeit aufbereitet und die Verbindungen von TERFs zu rechtsextremen und reaktionär-fundamentalistischen Akteuren beleuchtet wird, sondern auch, wie kritisch Jan Böhmermann mit sich selbst ins Gericht geht, bzw. seinen Aussagen von 2016. Damals hatte sich Böhmermann selbst im Rahmen seiner Sendung transfeindlich verhalten. Der Moderator macht klar: Wir können dazulernen, wir dürfen uns weiterentwickeln. Zu Recht freuen sich viele trans Personen auf Twitter aufrichtig über die Ausstrahlung der neuen Sendung, fühlen sich gesehen und ernstgenommen. Natürlich gibt es auch an diesem Format berechtigte Kritik, aber im Großen und Ganzen ist das sehr gelungen, insbesondere, wenn wir berücksichtigen, dass viele Menschen vermutlich zum ersten Mal mit dem Thema in Berührung kamen.
https://twitter.com/GeorgineKellerm/status/1598770663774248960?s=20&t=7evMPEyJHtZHCiz0wNcQjA (Opens in a new window)Auch am Freitag
Nancy Faeser wird mehr und mehr zur innenpolitischen Hardlinerin. Es überrascht nicht, dass die Vorsitzende des Innenministeriums Law und Order Politik betreibt, aber im Falle der SPD-Politikerin kollidiert diese Haltung mit dem Image des „Antifaschismus“ (Opens in a new window), das viele ihr lange abgenommen haben. Dass Faeser nicht nur klassische Hufeisen-Theoretikerin ist, sondern auch noch patriarchale Gewalt instrumentalisiert, um ihre Agenda durchzudrücken, durften wir am Freitag erfahren, als sie bekannt gab, die Kameraüberwachung an öffentlichen, „kriminalitätsbelasteten“ Orten deutschlandweit stärker ausbauen zu wollen. Dies geschehe zum Schutz von Frauen, die sich im Dunklen oft unsicher fühlen würden. Dass die meiste Gewalt gegen Frauen in den eigenen vier Wänden passiert, bzw. die Täter in den allermeisten Fällen aus dem sozialen Nahbereich kommen, weiß auch Nancy Faeser ganz genau. Trotzdem nutzt sie dieses Scheinargument, um Orte stärker zu überwachen, an denen sich mehrheitlich arme, wohnungslose, suchtkranke Menschen und/oder PoC aufhalten.
https://twitter.com/barbaraclemm/status/1598979907413233664?s=20&t=7evMPEyJHtZHCiz0wNcQjA (Opens in a new window)Samstag, 3. Dezember
Im Berliner Stadtteil Wedding wurden am Samstag nach langem Streit zwei Straßen umbenannt (Opens in a new window). Die bisherige Lüderitzstraße wurde in Cornelius-Fredericks-Straße umbenannt und der ehemalige Nachtigalplatz heißt jetzt Manga-Bell-Platz. Damit werden künftig nicht länger zwei rassistische Kolonialisten (Adolf Lüderitz und Gustav Nachtigal) geehrt, sondern ein Widerstandskämpfer gegen die deutsche Kolonialgewalt im heutigen Namibia und das Königspaars Emily und Rudolf Douala Manga Bell, dass gegen die Deutschen in Kamerun gekämpft hatte. Na endlich! Leider wenig überraschend haben die Umbenennungen erbitterten Widerstand hervorgerufen von Menschen, denen Verklärung der Vergangenheit wichtiger ist als Antirassismus. Bereits am Vortag haben Unbekannte im zuständigen Bezirksamt randaliert. Der rbb berichtet in Berufung auf die Polizei, dass eine öffentliche Toilette im Gebäude verstopft wurde, u.a. mit einer Europa-Fahne, die zuvor aus dem BVV-Sitzungssaal gestohlen worden war. Die Spülung sei fixiert worden, um dauerhaft Wasser laufen zu lassen. Mehrere Sticker wurden geklebt mit der Aufschrift „Gebt uns Lüderitz Str. und Nachtigal zurück“. Der Staatsschutz ermittelt.
https://twitter.com/SharonDoduaOtoo/status/1598685437673050112?s=20&t=7evMPEyJHtZHCiz0wNcQjA (Opens in a new window)Auch am Samstag
Der 3. Dezember ist der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen und richtet damit kurzfristig den Blick auf eine Gruppe, die nicht nur viel viel größer ist, als die meisten Menschen glauben, sondern auch sehr viel unsichtbarer, als sie sein sollte. Fast jeder zehnte Mensch in Deutschland gilt als schwerbehindert (9,4 Prozent der Bevölkerung, Stand 2019 (Opens in a new window)). Menschen mit Behinderung sind stärker von Gewalt betroffen als nicht-behinderte Personen. Frauen mit Behinderung haben ein sehr viel höheres Risiko, Opfer von Gewalt zu werden (Opens in a new window), als Frauen ohne Behinderung. (68–90 % der Frauen mit Behinderungen berichten von erlebter psychischer und/oder physischer Gewalt im Erwachsenenleben, gegenüber 45 % der Frauen im Bevölkerungsdurchschnitt.) In Berlin begann diese Woche ein Gerichtsprozess gegen eine Pflegerin, die eine 27-jährige behinderte Patientin beim Füttern mit Brei erstickt haben soll. „Die Pflegerin soll die zunehmende Atemnot der jungen Frau erkannt haben, aber diese trotzdem weiter gefüttert haben. Als die junge Frau bewusstlos wurde, soll die Pflegerin keinerlei Hilfe geleistet haben“, berichtet der Tagesspiegel (Opens in a new window). Immer wieder kommt es zu Gewalttaten dieser Art und es ist Kern unserer ableistischen Gesellschaft, dass das kaum Aufmerksamkeit erregt.
https://twitter.com/fhk_ev/status/1598965407699943424?s=20&t=7evMPEyJHtZHCiz0wNcQjA (Opens in a new window)Sonntag, 4. Dezember
Die Woche ist vorbei, ich bin erledigt. Aber weil bald Nikolaus ist und ich meinen lieben Lesemäusen eine kleine Freude machen will, verlose ich unter allen, die mir bis Dienstag, 6. Dezember, 18 Uhr, eine E-Mail schreiben, ein Pfefferhasi-Überraschungspaket. Schreibt mir kurz per Mail, über welche Nachrichtenmeldung ihr euch 2022 gefreut habt und ihr seid im Los-Topf.
Das wars für heute mit dem Wochenrückblick. Wie immer: Danke fürs Lesen. Wenn Du kannst und willst, gibt es via PayPal die Möglichkeit, ein Trinkgeld (Opens in a new window)dazulassen. Oder du wirst heute Fördermitglied auf Steady (Opens in a new window) und hilfst mir dabei, meine Arbeit dauerhaft zu finanzieren.
Passt auf euch und einander auf,
bis nächsten Sonntag
Ulla