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Das Wunder von Paris

In den letzten Wochen hat sich Frankreich verändert. Man hat noch mal genauer hingesehen, wer sich unter dem Logo des Rassemblement National so versammelt: Da war ein Kandidat, dessen geistiger Zustand es nötig macht, ihn unter Vormundschaft zu stellen. Eine, die schon wegen Überfall und Geiselnahme verurteilt wurde. Eine weitere, die mit einer SS-Kappe posiert. Wieder eine, die lachend erklärt, sie könne gar nicht rechtsradikal sein, denn ihr Zahnarzt sei Jude. Und jene Kandidatin in einem Wahlkreis in den Vogesen, die dem drohenden Ärztemangel durch massenhafte medizinische Spontanbildung im Praxiseinsatz begegnen möchte. Lange Jahre lebten die RN–Protagonisten in gemütlichen Fernsehstudios und kamen sympathisch rüber. Nun sieht man, woraus diese Bewegung gemacht ist.

Kräfte, die sich sonst aus der Politik heraushalten, haben sich gegen die Rechtsradikalen ausgesprochen – etwa die Gewerkschaften, Kylian Mbappé und viele ehemalige PolitikerInnen. Sogar ehemalige Helden der Gaullisten haben dazu aufgerufen, die Scheu vor der extremen Linken abzulegen und notfalls für die Mélenchon-Truppe LFI zu stimmen – die seien weit von der Mehrheit entfernt, also das kleinere Übel.

Auch Annie Ernaux hat bewegende Worte gefunden: “Unsere Nachfahren werden uns danach beurteilen, wie wir heute entscheiden.”

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Es haben sich völlig unerwartete Koalitionen und Absprachen ergeben, um heute die RN-Kandidaten zu verhindern. Die Chefin der Jugendorganisation der Macron- Partei hat dem linken François Ruffin den Vortritt gelassen – und damit einem Mann, der während der Gelbwestenkrise wie kein zweiter verbal auf den Präsidenten eingedroschen hat. Neue Zeiten.

Für eine Mehrheit der Französinnen und Franzosen wäre es eine persönliche Schande, ein Ich kann mich nicht mehr im Spiegel ansehen - Flop, wenn die extreme Rechte in Frankreich an die Macht kommt. Heute sieht es nach allen Umfragen so aus, als wäre es noch zu verhindern. Aber es ist ganz schön knapp. Macron hat das Haus angezündet, um zu schauen, wie schnell die Feuerwehr kommt.

Es sind neue Persönlichkeiten positiv aufgefallen: der Sozialdemokrat Raphaël Glucksmann etwa und die Generalsekretärin der Grünen, Marine Tondelier.

Aber es gibt noch eine andere wichtige Erkenntnis dieser Tage: Ein Mann allein, sei es Joe Biden oder Emmanuel Macron, vermag nicht mehr viel auszurichten. In der Familie, der Keimzelle des Staates, leben wir ja auch längst anders. Da gibt es keinen Pater familias und wenn ich zu Hause so anfangen würde, müssten alle lachen. Aus dem, was im privaten Leben wichtig ist - die Fairness, die Zuverlässigkeit, die Kommunikation, die Freiheit - kann man ableiten, wie Politik sein muss. Wenn man sich die Rangliste mit den glücklichsten Ländern anschaut – Finnland, Norwegen, Dänemark und die Schweiz sind da immer vorn - wird man Mühe haben, auch nur eine Politikerin, einen Politiker dieser Länder zu nennen. Glück braucht keine Helden. Und Politik ist kein Zuschauersport.

Noch ist kaum eine Stimme abgegeben und schon manches Mal lagen die Umfragen daneben. Heute Abend wissen wir mehr. Ein historischer Sonntag in Europa!

Ich habe mich immer darüber gewundert, wie Adolf Hitler, Josef Stalin und Co. in Filmen dargestellt werden, nämlich seltsam ominös, nach Schwefel riechend und eben so als Schulbuch-Bösewichter, nie als normale Männer. Das prägt unseren Umgang mit den heutigen Vertretern der extremen Rechten oder des Putinismus: Da sie auch ganz nett und gewinnend auftreten können, etwa in einer Talkshow, halten wir sie für harmlos.

Ein neuer Film - Führer und Verführer, Regie Joachim A. Lang – geht nun einen anderen Weg: Er zeigt, wie Goebbels und Hitler das Konzept des totalen Kriegs propagandistisch vermarkten. Dabei sieht man lächelnde, scherzende oder schlicht sympathische Leute, normale Dudes wie mein Sohn sagen würde, deren Gefährlichkeit nicht durch Plaudern, nicht durch zusammen Abhängen, durch Nachfragen oder tiefe Blicke in die Augen zu erkennen ist, sondern nur durch Nachdenken. Der Film zeigt die immense Macht geschickter Propaganda: Sie kann ganze Nationen in den Abgrund stürzen, in dem sie nicht existente Probleme zu bekämpfen vorgibt. All jenen, die immer fordern, man müsse im Kampf gegen die extreme Rechte auch die Sorgen und Nöte der weißen Menschen ernst nehmen, sollten diesen Film sehen und erkennen: Die sogenannte “Judenfrage”, also der praktizierte Antisemitismus, rangierte in den dreißiger und vierziger Jahren weit oben in der Liste der Themen, die die Menschen beschäftigen. Und war als Problem zu hundert Prozent erfunden. Die Jüdinnen und Juden Europas waren eine Bedrohung für niemanden. Und doch wurde Deutschland schuldig, setzte alles daran, diese Menschen zu ermorden.

Wie es dazu kam, erzählt dieser wichtige Film. Berater war übrigens der glänzende Zeithistoriker Thomas Weber, dessen Buch über Hitler im Ersten Weltkrieg unbedingt zu empfehlen ist.

Ab Donnerstag im Kino.

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In den französischen Talkshows kann man dauernd die Klage über die Überfremdung, sogar über den Bevölkerungsaustausch hören, aber der Alltag ist der einer multikulturellen Gesellschaft. Das gilt nicht nur in der Nationalmannschaft, sondern eigentlich in allen Branchen und Lebensbereichen – außer eben für die Panels solcher Talkshows.

Der Philosoph und Meisterkoch Fabien Vallos macht es sich zur Aufgabe, die Vielfalt der Küche rund um das Mittelmeer zu dokumentieren und setzt der Ideologie von der Reinheit eine herrliche gastronomische Vielfalt entgegen. Heute ein besonderes Huhn-Rezept:

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Kopf hoch,

ihr

Nils Minkmar

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