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Nach der KI-Welle: Das nächste Level von Kreativität mit künstlicher Intelligenz

Der Hype um generative KI-Tools hat seinen Zenit überschritten und die, die sehr früh dabei waren, sind schon unterwegs zum nächsten Level. Wie zum Beispiel die Hamburger Audio-Agentur German Wahnsinn. Die Jungs aus St. Pauli sind die innovativen Vorreiter bei allem, was mit Hören zu tun hat. Zusammen mit den unterschiedlichsten Gewerken aus ihrem Umfeld bastelt das Team ständig an neuen Ideen an den Grenzen des technisch Machbaren – und räumen dafür Preise ab. Vor allem Eduardo García, Mitbegründer und Geschäftsführer von German Wahnsinn, gilt als KI-Pionier in der Produktion und Kreation von Audio. Er weiß, wie KI effizient in seiner Branche eingesetzt werden kann. Was ihn aber besonders interessiert, sind die neuen kreativen Möglichkeiten, die technische Neuerungen wie KI bieten.

Ich kenne Eduardo schon eine Weile. Er ist nicht der Typ, der mit seinen Projekten und Erfolgen prahlt, sondern einfach für sein Ding brennt und es durchzieht. Zu diesem Gespräch habe ich ihn bei mir um die Ecke, in einem wohnzimmerähnlich eingerichteten Aufnahmeraum des Tonstudios von German Wahnsinn, getroffen. Wir haben geschnackt. Über das Gegenteil von German Angst, wie nervig es ist, wenn Leute mit KI nur sparen wollen, wie Tools wirklich kreativ eingesetzt werden können und was Kreativität in Zukunft sein kann.

Tanja Deuerling: Kannst Du zum Einstieg ein Beispiel nennen, wie German Wahnsinn KI in der Audioproduktion nutzt?

Eduardo García: Ein schönes Beispiel ist ein Nachrichten-Podcast, den wir seit Februar täglich veröffentlichen. Er wurde ursprünglich einmal die Woche von der Chefredakteurin eines Medienunternehmens in Persona eingesprochen. Dann kam die Idee eines täglichen Formats mit jeweils den aktuellen News auf. Über die Jahre hatten wir so viel Sprachmaterial von ihr angehäuft, dass wir ihre Stimme auf dieser Basis synthetisieren konnten und das wöchentliche Format auf ein Tagesformat umgestellt haben. Der Kunde ist zufrieden und die Chefredakteurin freut sich, nicht mehr so oft ins Studio kommen zu müssen.

Tanja: Ihr wart mit KI wie in vielen anderen Dingen sehr früh dran. Mittlerweile ist die KI-Welle überall hin geschwappt. Wenn ihr heute Anfragen von Kunden bekommt, worüber freust du dich und worüber
nicht?

Wie können wir etwas wirklich Tolles, Neues oder Einzigartiges machen? Wie können wir die beste Kombination von verschiedenen Tools finden?

Eduardo Garcia: Ich freue mich über Anfragen von Menschen, die das Potenzial von KI verstanden haben, weiterdenken und fragen: Wie können wir etwas wirklich Tolles, Neues oder Einzigartiges machen? Wie können wir die beste Kombination von verschiedenen Tools finden?

Tanja: Wie zum Beispiel?

Eduardo: Ein Projekt, über das ich noch nicht zu viel verraten kann, dreht sich im Grunde genommen darum, aus einer Vielzahl von Stimmen eine neue zu kreieren. Das ist die Idee. Und dabei dann noch mit verschiedenen Tonalitäten zu arbeiten, sowie das Ganze als nächsten Step auch noch zu internationalisieren. Das ist sehr spannend und schafft am Ende ein Modell, das in der Lage ist, total einzigartig zu klingen.

Tanja: Und welche Anfragen nerven dich?

Die schlimmsten Anfragen sind, wenn wir quasi so ein Fließband-Ding abfrühstücken sollen. Wenn jemand schnell nur irgendwas sparen will, ohne einen kreativen Gedanken dahinter.

Eduardo: Es nervt mich, wenn Anfragen kommen, bei denen es nur darum geht, etwas möglichst schnell und möglichst billig zu machen. Wenn wir quasi so ein Fließband-Ding abfrühstücken sollen. Das sind die schlimmsten Anfragen. Wenn jemand schnell nur irgendwas sparen will, ohne einen kreativen Gedanken dahinter. Es gibt mittlerweile Tools, die so etwas versprechen, aber wir sind die falschen Ansprechpartner dafür.

Tanja: Was genau nervt dich daran?

Eduardo: Es ist ja eine Kunst, gut zu sprechen. Gestern habe ich beispielsweise auf YouTube gesurft und so eine vorgeschaltete Werbung gehört. Das war alles KI-Stimme. Und es klang fürchterlich! Es war so schlimm, dass ich dachte: Ist es schon so weit, dass den Leuten das komplett egal ist? Die Kunst der Stimme wird so missachtet und nicht wertgeschätzt. Das finde ich respektlos.

Tanja: Wann hat es angefangen, dass ihr KI dazu genutzt habt, Kreativität auf das Next Level zu bringen?

Massenfertigung ist nie unser Ding gewesen und so nutzen wir auch KI konsequent, um damit kreativ damit weiterzukommen.

Eduardo: Das war von Anfang an so. Nicht nach dem Motto: Jetzt können wir hier irgendwas automatisch abfeuern und für die Hälfte arbeiten, aber voll abkassieren, sondern wir haben uns von vornherein gefragt: Bei welchen Prozessen können wir KI zur Effizienzsteigerung einsetzen und wo ergibt es total Sinn, damit kreativ herumzuspielen und neue Türen zu öffnen? Massenfertigung ist nie unser Ding gewesen und so nutzen wir auch KI konsequent, um damit kreativ damit weiterzukommen.

Tanja: Ihr habt eine sehr erfolgreiche Lücke mit KI gefunden – ohne in die Massenfertigung zu gehen. Hattest du jemals „German Angst“, dass euch das Geschäftsmodell mit KI wegbricht?

Eduardo: Voll! Irgendwann standen wir drei Teilhaber da, haben uns angeguckt und gesagt: Uns gibt es in einem Jahr nicht mehr, wenn wir nichts ändern. Das war ein bewegender Moment, weil wir alle den gleichen Gedanken hatten: Die Technologie entwickelt sich weiter und wir müssen uns irgendwie damit beschäftigen. Das ist ja generell das Ding mit „German Angst“: Die einen nörgeln und pöbeln und unterhalten sich heute noch über den nicht gegebenen Elfmeter am Freitag. Und die anderen gucken in die Zukunft und fragen sich, wie sie mit den neuen Entwicklungen, der neuen Realität, weiter machen können. Und wir haben Letzteres getan: Wir sind weitergegangen.

Das ist ja generell das Ding mit „German Angst“: Die einen nörgeln und pöbeln und unterhalten sich heute noch über den nicht gegebenen Elfmeter am Freitag. Und die anderen gucken in die Zukunft und fragen sich, wie sie mit den neuen Entwicklungen, der neuen Realität, weiter machen können. Und wir haben Letzteres getan: Wir sind weitergegangen.

Tanja: Und wie geht es jetzt weiter? Ihr wart sehr früh dran, stehst Du nun schon hinter der KI-Welle?

Eduardo: Absolut. Die erste Welle ist jetzt durch und für uns ist das Next Level, weiter an Tools zu arbeiten, die uns die Arbeit erleichtern und neue Möglichkeiten bieten. Anders als früher haben wir mittlerweile sehr diese Software- und Developer-Gedanken entwickelt, so dass wir uns heute häufig Produkte überlegen, die wir skalieren können und die wir diversen Partnern anbieten können.

Tanja: Ist das eine technikgetriebene Kreativität?

Eduardo: Nein, tatsächlich nicht. Wir haben die Idee, und dann schauen wir, ist das möglich? Dann suchen wir Leute, die davon Ahnung haben. Zum Glück haben wir ein gutes Netzwerk, das es uns ermöglicht, uns mit diversen Gewerken, wie der Video-Gang oder der Developer- und Programmierer-Gang, von vorneherein zusammenzusetzen und immer wieder im Austausch zu sein. Dann denken alle kreativ auf der Idee rum. Jeder versucht, den anderen zu begreifen und dann diesen gemeinsamen Nenner zu finden. Bis alle sagen, okay, das könnte das nächste kleine Ding sein.

Tanja: Was würdest du dir von KI für deinen Bereich wünschen?

Eduardo (lacht): Sie soll all das machen, was mir keinen Spaß macht, also alles, was so unnötige Zeit frisst.

Tanja: Aber was passiert, wenn diese unangenehmen Sachen und die Routinen wegfallen?

Eduardo: Dann haben wir ganz viel Zeit und können uns damit beschäftigen, wie wir damit alles noch besser machen.

Tanja: Ist das nicht zu anstrengend?

Eduardo: Total anstrengend! Es ist ja manchmal ganz schön, einen Tag Buchhaltung zu machen und nicht denken zu müssen. Aber man muss da so ein bisschen unterscheiden zwischen bewusst Dinge noch wahrnehmen und so richtig uncooler Arbeit. Bei einem Produktionsprozess nehmen wir fünf Tage lang ein Hörbuch auf. Dann hast du unfassbar viele Takes und die kreative Arbeit darin war, den Schauspieler die Schauspielerin zu lenken, dass die Aussprache toll ist, dass die Tonalität toll ist, dass das Spiel toll ist, all das. Danach brauchst du aber nochmal locker sechs, sieben, acht, neun Tage, um das zu schneiden, bis alle Fehltakes draußen sind und es hörbar ist. Für diesen letzten Schritt möchte ich beispielsweise einfach ein Knöpfchen drücken, fertig.

Tanja: Viele Tätigkeiten, die früher noch als kreativ galten, kann jetzt die KI machen. Was macht den echten Kreativen noch aus?

Es bleibt immer bei der Idee. Das ist beim Song so, das ist beim Buch so. Entweder hast du die Idee oder du hast die nicht.

Eduardo: Es bleibt immer bei der Idee. Das ist beim Song so, das ist beim Buch so. Entweder hast du die Idee oder du hast sie nicht. Wie toll ist es, dass du jetzt in der Lage bist, als Autor oder Autorin zu sagen: Ich habe die tolle Idee, und ich hole mir ein paar Tools, die mir helfen, mich zu strukturieren und so weiter. Aber es kommt auf den Erstimpuls an – und KI kann das dann ausführen. Deswegen habe ich überhaupt keine Angst, was passiert. Dieses: Oh Gott, die KI wird uns überlaufen und unsere Musik wird nicht mehr gehört werden. Ja, da muss ich eben besser sein und irgendwie gucken, dass ich einen anderen Ansatz finde.

Tanja: Ist menschliche Kreativität dann nur noch die Boutique und der Rest ist Kaufhaus?

Eduardo: Würde ich jetzt schon bei ganz vielen Dingen sagen, ja.

Tanja: Letzte Frage: Glaubst du, dass es eine Renaissance des Menschen gibt durch die KI?

Eduardo: Ja, unbedingt, ich glaube das wirklich. Und das ist ja was Schönes.

Tanja: Dankeschön.

Eduardo García ist Mitbegründer und Geschäftsführer von German Wahnsinn (Opens in a new window), einer der renommiertesten Audio-Agenturen in Deutschland, sowie Mitbegründer des Hörbuchlabels “Atmende Bücher” (Opens in a new window). Als Musikverleger, Tonmeister und Produzent entwickelt er seit den 1990er Jahren kreative Audio-Konzepte, darunter Podcasts, Hörspiele und VR/AR-Lösungen. Er ist ein Pionier in der Hörbuchproduktion und hat an preisgekrönten Projekten wie der "Reckless"-Reihe von Cornelia Funke gearbeitet. García setzt sich für den Einsatz von KI in der Audioproduktion ein und ist Mitbegründer einer KI-Allianz für "Brand Voices". Er sieht in KI ein Potenzial zur Erweiterung kreativer Möglichkeiten und zur Effizienzsteigerung in der Branche, betont jedoch die Wichtigkeit, die menschliche Kreativität zu bewahren. Garcías Arbeit hat ihn zu einer einflussreichen Figur in der Diskussion über die Zukunft der Audiobranche gemacht.

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