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Lohnt sich Fairness in der Politik?

Wir sprechen über aggressive Taktiken von rechtspopulistischen Parteien wie der AfD und die Legitimitätskrise der Politik. Wie können wir demokratische Werte wieder stärken?

Hallo liebe Wind & Wurzeln-Newsletter-Abonnent*innen.
Die erste Folge ist da und wie versprochen, gibt es die bei uns dann auch immer als Text. Wir haben euch diesmal die Zeitmarker drin gelassen, wenn euch das stört, sagt gern bescheid - dann machen wir das in Zukunft anders.

Das Transkript wurde von Whisper erstellt, das heißt: Es ist schon sehr gut - aber manchmal versteht die Software auch etwas falsch. Zum Beispiel Englisch oder Fremdwörter. Bitte nicht wundern. Wenn wir irgendwann genug Geld haben, um zwei Folgen im Monat zu finanzieren, wird das Geld, das wir darüber hinaus sammeln, für ein händisch erstelltes Transkript genutzt.

Habt ihr Fragen und Anregungen zum Podcast? Dann schreibt uns gern: katrin@hauseins.fm (Si apre in una nuova finestra) ist meine Adresse. Anregungen und Vorschläge leite ich gern auch an Marina und das ganze hauseins-Team weiter.

Jetzt aber los - hier kommt das Transkript von Folge 1: Lohnt sich Fairness in der Politik?

Krieg und Freitag:

[0:00] Ich dachte, man bräuchte eine ausgefuchste Strategie, um die Demokratie auszuhebeln. Aber anscheinend muss man bloß sehr aggressiv und verlogen sein. 

Marina:

[0:16] Hallo liebe Menschen, hier ist Marina und ihr hört meinen neuen Podcast Wind und Wurzeln. Das hier ist der Ort, in dem ihr inmitten des Nachrichtensturms mal kurz innehalten könnt. Und wir wollen uns nicht irre machen lassen von allem, was da draußen passiert, sondern genau hinschauen, analysieren und zu Schlüssen kommen, die für uns konstruktiv sind und die uns das Handeln ermöglichen. Denn das ist, was wir jetzt gerade brauchen. Eine neue Folge gibt es, wenn wir genug Geld für die nächste Folge zusammengesammelt haben. Also schaut unbedingt auf der verlinkten Steady-Seite vorbei in den Show Notes.

 Musik

Marina:

[1:15] Gerade haben wir Tobias Vogel gehört. Vielleicht kennt ihr ihn besser als Krieg und Freitag. Er ist berühmt für seine Strichmännchen-Zeichnungen. Und das, was er eben vorgelesen hat, hat er vor ein paar Wochen auf Blue Sky gepostet. Und es passt zu unserem Thema heute. Eine Frage, die von einem Hörer der Wochendämmerung gestellt wurde.

[1:35] Lohnt sich Fairness in der Politik überhaupt? Und mein erster Gedanke bei dieser Frage ist, nein. Weil wir einfach sehen, wie hilflos gerade diejenigen sind, die um Fairness bemüht sind, während da draußen ein Kampf um Macht tobt. Und wir sehen, dass man mit Lügen und mit Doppelmoral, mit Bullshitting, einfach durchkommt. Trump hat es vorgemacht und hat damit vielen gezeigt, hey, es geht. Es ist möglich. Wer unfair spielt, der hat Erfolg. scheinbar funktioniert das. Aber stimmt das? Und wenn es stimmt, warum? Und kann man das ändern? Wir gehen heute ein paar Beispiele durch, was ich meine. Dann schauen wir uns an, was die Wissenschaft sagt und dann versuchen wir eine Lehre aus alledem zu ziehen. Vor allem, wie wir uns selbst verhalten müssen.

[3:00] Okay, schauen wir zunächst in die USA. Trump offensichtlich zum zweiten Mal gewählt, mit Lügen und Schauermärchen im Wahlkampf. Und es hat funktioniert.

O-Ton Donald Trump:

[3:08] In Springfield, they're eating the dogs, the people that came in. They're eating the cats. They're eating the pets of the people that live there. And this is what's happening in our country. And it's a shame. 

Marina:

[3:24] Seit er an der Macht ist, sehen wir den unglaublich schnellen Abbau demokratischer Strukturen in den USA. Europa wurde von J.D. Vance beschimpft. 

J. D. Vance:

[3:32] Der Worte, den ich am meisten überrascht, vis-a-vis Europa, ist nicht Russland, es nicht China, es nicht irgendein anderer Externe. Und was ich überraschend ist die Worte von within.

I look to Brussels, where EU commissars warn citizens dass sie sich um die sozialen Medien zu verabschieden, während der Zeit der Zivilen Unresten. The moment they spot, what they judge to be „hateful content“.

Marina:

[6:08] Und dafür baut sich eine neue Freundschaft zwischen Russland und den USA auf.

Fiona Hill:

[6:13] Ich meine, Trump, you know, certainly has been of many of these views all the way along because he's a strong man. He sees Putin as a peer, as a fellow strong man. He wants to rule the United States in the way that he thinks, you know, that Russia...

Marina:

[6:24] Das sagt Fiona Hill im Podcast Foreign Affairs Interviews vom 13. März. Wir leben in einer Welt, in der zunehmend das Recht des Stärkeren gilt. Und das Recht des Stärkeren ist eine faschistische Ideologie. Freedom House, eine Organisation, die weltweit schaut, ob Länder demokratischer oder undemokratischer werden, schreibt, seit 20 Jahren erleben wir einen Rückgang der Demokratie weltweit. Und wir müssen gar nicht in die Ferne schauen. Auch bei uns gibt es immer mehr Demokratiefeinde.

Alice Weidel:

[6:54] Der echte Wahlsieger in Thüringen ist Björn Höcke. Da sitzt er. Wir waren stärkste Kraft.

Marina:

[7:11] Und nicht nur bei der AfD. Das war vor allem im Wahlkampf sehr deutlich. Wie viel hat Friedrich Merz erzählt, was einfach offensichtlich nicht gestimmt hat? Er hat mit den Stimmen der AfD einen migrationsfeindlichen Antrag im Bundestag verabschiedet. Und in seinen Wahlkampfreden hat er einfach ohne Bezug zur Realität gegen Antifaschistinnen aufgeheizt.

Friedrich Merz:

[7:32] Ich frage mal die ganzen, die da draußen rumlaufen. Antifa und gegen rechts. Wo waren die denn, als Walter Lübcke in Kassel ermordet worden ist von einem Rechtsradikalen? Wo waren die da?

 Marina:

[7:49] Es geht also immer weniger um politische Inhalte, wie man an Markus Söder sieht.

 O-Ton Söder:

[7:54] Meine Damen und Herren, die halbe Welt lacht über Deutschland, was wir für ein Theater hier veranstalten.

Marina:

[8:00] Dabei hatten sich die Parteien im Wahlkampf ja eigentlich geeinigt, fair zu sein. Wisst ihr noch, Dezember 2024 war plötzlich Wahlkampf, ausgelöst durch die FDP mit ihrer offenen Feldschlacht. Und SPD, CDU, CSU, Grüne, Linke und FDP haben sich da geeinigt auf ein Abkommen, in dem vor allem drin stand, dass man im Wahlkampf respektvoll, sachlich und ohne Desinformation führen sollte. Und er sollte von der Kraft der Argumente und nicht von der Schärfe der Angriffe leben.

[8:48] So, Spoiler, im Wahlkampf wurde immer wieder gegen das Fairness-Abkommen verstoßen. Paula Pichotta von den Grünen bezeichnete Olaf Scholz in einem Podcast als Arschloch. Roderich Kiesewetter hatte Olaf Scholz angedichtet, der wollte nach Moskau reisen und würde Putin treffen. Und als die CDU im Bundestag mit den Stimmen der AfD ihren Antrag durchbrachte, verstieß sie maßgeblich gegen das Abkommen. darin hieß es ausdrücklich, mit der AfD und mit Parteien, die nicht auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, wird es keinerlei Zusammenarbeit geben. Kurz, es wurde immer wieder gebrochen, aber auch schon das Ende der Ampel war ja speziell.

Musik

 Marina:

[9:45] Die FDP hatte das Ende der Ampel über Wochen geplant. Und sie hatte diese großartige PowerPoint-Präsentation, die öffentlich wurde, die unendlich viel gememet wurde mit der offenen Feldschlacht. Was ich daran ja am lustigsten fand, ist, dass die FDP diese Pyramide hatte, die aber von oben nach unten funktionierte. Und ich dachte, das ist genau das Problem der Partei, die denkt, dass eine Pyramide an der Spitze anfängt.

[10:11] Aber das nebenbei, es sollte kurz so aussehen, als seien die Ampelpartner Grüner und SPD schuld. Und die FDP verließ geschlossen die Regierung, außer Volker Wissing, der aus der Partei austrat. Und in einem Essay der FAZ begründete er das mit dem großen Wort Verantwortung. Die FDP sitzt nicht mehr im Bundestag, der Plan ist nach hinten losgegangen und das heißt, vielleicht lohnt es sich ja doch nicht, unfair zu spielen und den Partner in die Falle zu locken. Oder heißt das nur, man darf sich nicht erwischen lassen?

Denn der Plan der FDP war ausgefeilt und er basierte ganz zentral auf etwas, das eigentlich funktioniert normalerweise, nämlich das Ziel, ein Kernnarrativ zu setzen, das zum Beispiel den Schlachtruf beinhaltete, wir Freie Demokraten wollen nicht, dass die Ampel das Land in Geiselhaft hält. Das heißt, das Ziel war, die FDP als Helden dastehen zu lassen ungeachtet des großen Schadens, den die Partei der Regierung ja zugefügt hatte, indem sie monatelang Pläne der Koalitionspartner blockiert hatte.

[11:19] Und dieses Kernnarrativ zu setzen, genau zu planen, welche Bilder man sendet, welche Schlachtrufe man wiederholt, das sind Methoden und Strategien. Und das schauen wir uns jetzt mal genauer an.

Musik 

Marina:

[11:47] Politische Methoden und Strategien kann man ja untersuchen. Und genau das haben zwei WissenschaftlerInnen von der University of Amsterdam gemacht. Die Studie When Do Parties Lie? Misinformation and Radical Right Populism Across 26 Countries.

[12:03] Diese beiden Forschenden haben sich also angeschaut, wann und wie Eliten politische Desinformationskampagnen betreiben. Und sie sagen, die meisten machen das nicht oder zumindest nicht absichtlich. Also der große Teil der politischen Eliten orientiert sich mehr oder weniger an Fakten. Die beiden sagen auch, bekannt sei schon länger, ich zitiere, dass rechtsradikale populistische Parteien dazu neigen, Wahlvorteile durch eine desinformierte Wählerschaft zu erlangen, was darauf schließen lässt, dass solche Parteien Anreize haben könnten, ihre Wählerschaft in die Irre zu führen. Zitat Ende. Aber das war bisher nur eine Vermutung. Darum haben die beiden sich angeschaut, welche Parteien verbreiten häufiger Online-Falschinformationen und sind Falschinformationen mit populistischen Parteien verknüpft oder sind sie speziell Ausdruck der populistischen radikalen Rechten? Dafür haben sie 32 Millionen Tweets von Parlamentarierinnen aus 26 Ländern über sechs Jahre und mehrere Wahlperioden untersucht. Und das war im Jahr 2017, also lange vor der Twitter-Übernahme durch Musk.

[13:15] Und das Ergebnis werdet ihr vielleicht vermuten, je rechter, desto mehr Desinformation. Die beiden haben auch untersucht, wie Populismus und Desinformation zusammenhängen, weil es Populismus ja in allen politischen Spektren gibt, von links bis rechts. Aber das Ergebnis war, dass rechte PopulistInnen besonders viel lügen.

[13:37] Linke PopulistInnen lügen sogar besonders wenig. Genauer gesagt, linke PopulistInnen haben sich von allen untersuchten politischen Gruppen am meisten an Fakten gehalten. Es stimmt also nicht, dass linker Populismus und rechter Populismus gleich schlimm sind. Ziemlich im Gegenteil.  Und sie halten fest, wenn es um Desinformation geht, ist nicht der Populismus das Problem, sondern der rechtsradikale Populismus. 

[14:32] Und warum sind es vor allem die rechtsradikalen Populisten, die Lügen als Strategie nutzen? Die Autorinnen versuchen sich da an einer Erklärung. Grundsätzlich sprechen sie von einer Legitimitätskrise demokratischer Institutionen. Ich zitiere wieder, viele Wissenschaftler argumentieren, dass diese Krise als Reaktion auf die Aushöhlung konventioneller politischer Organisationen in westlichen Demokratien Und in einer Zeit entstand, die von neoliberalem Konsens, von zunehmender Ungleichheit und der wachsenden Macht der Wirtschaftseliten geprägt war. Und das ist wichtig, darauf kommen wir später auch noch zurück, die Leute spüren, dass es nicht gerecht zugeht. Dass die einen immer reicher werden, während immer mehr Menschen prekär oder in Armut leben müssen. Und das hat das Vertrauen in die Politik kaputt gemacht. Und nicht wenige Leute träumen deswegen vom Sturz etablierter Politik. Das sind nicht nur Rechtsradikale. Und ganz oft haben sie den Eindruck, dass die Medien Komplizen der Politik sind und zu wenig die Ungerechtigkeiten ansprechen.

[16:13] Eine weitere Methode klingt erstmal profan. Bullshitting. Der Philosoph Harry G. Frankfurt hat schon 86 einen Essay veröffentlicht, der heute vielen prophetisch vorkommt. Und zwar on Bullshit. Es beschäftigt sich mit der Technik, weder zu lügen, noch die Wahrheit zu sagen, sondern einfach zu erzählen, was sich gut anhört. Und Trump ist ein grandioser Bullshitter, einfach ein Vorzeigemodell.

[16:43] Wie funktioniert Bullshit? Er funktioniert durch die komplette Ignoranz der Wahrheit oder von Fakten. Und er funktioniert, weil Menschen oft vor einer Wahl stehen. Sie können sich auf unangenehme Fakten berufen, zum Beispiel wir leben in einer radikalen Veränderung des weltweiten Klimas und erleben deswegen zunehmend Naturkatastrophen, Dürren, Überschwemmungen, Waldbrände, Anstieg des Meeresspiegels, gefährdete Küstenstädte oder ein potenziell tödlicher Virus breitet sich in der ganzen Welt aus –, Oder sie fallen auf Lügen rein. Und Lügen, so erklärt Frankfurt, müssen sehr genau auf die Wahrheit abgestimmt sein. Ein Lügner kennt die Wahrheit und fabriziert passgenau eine abgestimmte Lüge, die genau so gut ins Bild passt, genau so plausibel sein könnte, aber eben doch nicht stimmt. Und deswegen ist Lügen anstrengend. Denn man muss sich darum kümmern, dass es keine Widersprüche oder Versprecher gibt.

[17:44] So ein Bullshitter kümmert die Wahrheit nicht. Er muss sich um gar nichts kümmern. Logik ist egal, Widersprüche sind völlig normal. Es genügt eine im Brustton der Überzeugung vorgetragene Geschichte, die gut klingt. Und deswegen ist es auch völlig egal, dass Trump gestern sagte, Selensky ist ein Diktator und heute sagt er, er ist der beste Präsident aller Zeiten und morgen wird er ihn aus seinem Büro mobben. 

[18:11] Der Bullshitter muss keine Zeit verlieren. Er kann einfach jederzeit drauf losreden. Und er bietet den Leuten eine Fluchtroute aus der Realität. Dem Bullshitter interessiert das Klima nicht. Das tödliche Virus wird egal. Und das ist das, was mächtig ist. Er gibt damit seinem Publikum die Erlaubnis, sich nicht dafür, also für die Fakten generell, interessieren zu müssen. Es ist die Entlastung von der Last der Realität.

Oder anders gesagt, wenn wir von Fairness in der Politik sprechen, dann erwarten viele Menschen eben auch, dass die Politik fair, also gerecht ist. Wir halten fest, dass Politik als ungerecht wahrgenommen wird, macht die Menschen anfälliger für den strategischen Einsatz von Desinformation. Und die kommt von ganz rechts.

Steve Bannon:

Flood The Zone.

Marina:

[19:40] Das war Steve Bannon, der Spin-Doktor und Kommunikationsstratege hinter der Methode Trump. 2017 als offizieller Chefstratege im Weißen Haus. Und ich muss sagen, ich finde Bannon ja sehr sympathisch. Ich meine, er ist Faschist, aber er ist wenigstens offener Faschist. Er sagt den stillen Teil laut. Er erklärt uns freundlicherweise ganz genau, was die Faschisten tun werden. Und bis heute bleibt diese Strategie. Trump sorgt dafür, dass man mit dem Faktenchecken einfach nicht hinterherkommen kann. Faktenchecks interessieren ihn und seine Anhänger nicht. Man entledigt sich der ernsthaften Auseinandersetzung mit dem Hinweis Fake News Media. Es ist eine spiegelbildliche Anschuldigung. 

[20:25] Da geht es nämlich unter anderem auch um diese spiegelbildliche Anschuldigung, dass ich anderen immer vorwerfe, was ich eigentlich selbst auch tue.

[20:32] Sagte Maria Timchenko in der Wochendämmerung. Die AfD und BSW stellen einfach Behauptungen auf, am besten mehrere in einem Satz. Und der Moderator widerlegt eine, aber der Rest bleibt unwidersprochen stehen.

Annika Brockschmidt:

[20:47] Scheiße an die Wand werfen und gucken, was hängen bleibt. Das ist die Strategie.

Marina:

[20:51] Sagt Annika Brockschmidt, Historikerin und Expertin für die Brandstifter innerhalb der Republikanischen Partei in den USA.  Solange ich emotionale Wahrheiten erzähle, kann ich absolut bullshitten, was Fakten betrifft. Ich kann auf Fakten völlig pfeifen. Ich werde Menschen ansprechen. Und das sehen wir bei der Debatte um Migration. Da werden nicht nur die emotionalen Wahrheiten der allgemeinen Verunsicherung angesprochen, nein, sie werden auch erzeugt. Man schürt Angst, statt aufzuklären. Und wenn ich die Menschen ängstlich habe, kann ich ihnen alles erzählen, was ihnen diese Angst vermeintlich nimmt.

[21:54] So, jetzt haben wir ein paar Strategien kennengelernt, die alles andere als fair sind, aber leider extrem verbreitet. Und damit komme ich jetzt zurück zu der Kernfrage.

[22:06] Ist Fairness in der Politik etwas, das sich lohnt? Sollten wir weiter versuchen, sie zu betreiben?

[22:14] Denn während diese Strategien ihren Trägern immer weiter zur Macht verhelfen, sind wir als Demokraten gefangen in einer Dauerschleife aus Empörung, Fact-Checking und Beschuldigung der Bigotterie. Wir sagen, Elon klagt über Meinungsfreiheit, dabei schränkt er selbst die Meinungsfreiheit ein. Er ist Bigott, er ist in sich inkonsequent, das ist nicht logisch. Hier himmlischer Richter, der ist Bigott, ich habe das bessere Argument. Das Problem ist nur, es gibt keinen Richter da oben und es interessiert niemanden, ob jemand bigott ist. Es geht um Macht und wir sind gefangen im Spiel der Faschisten. Sie wollen uns als gute, anständige, faire Demokraten binden in Fact-Checking, in ständige Reaktionen. Denn solange wir auf jede ihrer Lügen reagieren, reden wir die ganze Zeit über ihre Lügen. Solange wir darüber diskutieren, ob Immigranten auch Menschenrechte haben, unterstützen wir einfach nur diese Diskussion. Wir öffnen die Frage, wir stellen die Menschenrechte selbst in Frage. Das heißt, unser guter Wille zur Fairness macht uns eigentlich zu Handlangern des faschistischen Narrativs und des faschistischen Plans. Ist es also nicht an der Zeit, dass in Anführungszeichen die Guten auch unfair spielen?

[23:43] Ist es nicht Zeit, dass wir mit den gleichen Mitteln begegnen, dass wir auch um Macht kämpfen? Und meine Antwort darauf ist ein klares Ja und Nein. Und ich möchte zuerst begründen, warum Nein. Denn das Problem ist, Faschisten verschaffen sich durch diese Art von Bullshitting Macht, weil es zu ihrer Ideologie passt. 

[24:08] Faschismus hat ein völlig anderes Verständnis von Wahrheit als Demokratien. Wir Demokratinnen und Demokraten denken immer, eine wahre Aussage leitet sich aus der Realität ab, aus der messbaren, beobachtbaren Realität. Faschisten sehen das genau andersrum. Für sie gibt es eine Art mystische, unantastbare Wahrheit, deren Aussprechen und Wiederholen die Realität an sich beeinflusst. Also zum Beispiel, die Deutschen sind das größte Volk der Welt, ist eine gesetzte Wahrheit. Sie wird nicht beobachtet, sie kann nicht angezweifelt werden. Sie ist einfach da und sie wird durchgesetzt gegen jede Realität, die dem widerspricht. Und das bedeutet, es hilft uns nicht, genau so zu denken. Denn wenn wir genau so denken und handeln, landen wir auch im Faschismus. Wir landen im Postfaktischen. Wenn wir keine Fakten mehr haben, die wir beobachten können, keine Wahrheit, die messbar ist, die sich von der Realität ableitet, dann können wir als Demokraten über nichts mehr reden. Dann gilt auch für uns das Recht des Stärkeren.Und das ist maßgeblich nicht, was eine Demokratie ausmacht. Wir müssen uns unterhalten über objektive Dinge. Wir müssen uns über den Klimawandel unterhalten und ihn lösen. Denn sonst fällt er uns auf die Füße.

[25:31] Wir profitieren nicht davon, dass wir unfair sind. Wenn Politik Foulspielen normalisiert, dann schwindet das Vertrauen in die Politik. Wenn dieses Was-interessiert-mich-mein-Geschwätz-von-gestern normal wird, wie bei Merz und der Schuldenbremse, und Fakten im Wahlkampf keine Rolle spielen und Versprechen gemacht werden, die man nicht halten kann, dann schadet das der Demokratie und der Politik. Und davon profitiert nur die Rechtsradikale und alle anderen verlieren.

[26:05] Aber das Problem bleibt, wer würdigt denn Fairness? Die Mehrheit der Wählenden tut es derzeit nicht. Im Gegenteil, die Demokraten in den USA sind gelähmt, weil sie sich zwangshaft anständig verhalten wollen. Dieses when they go low, we go high. Aber solange Rechte nach Macht streben und Linke nach Reinheit, haben Rechte das Sagen und Linke ein gutes Gewissen. Damit ich übrigens nicht sagen will, dass die Demokraten in den USA Linke sind und dass das Problem ist. Nein, das Problem ist, dass die Demokraten in den USA genau die gleichen reichen Eliten sind. Aber das führt uns vielleicht zur nächsten Frage. Vielleicht ist die Frage von Fairness gar nicht die aktuell drängendste Frage.

[26:50] Liberalismus und Demokratien haben ja mehr zu bieten als Anstand und Fairness. 

[26:57] Und ich glaube, es wird wieder Zeit, die Ideen in den Mittelpunkt zu stellen. Die Grundidee der Demokratie ist ja, dass jeder darin eine wertvolle, wichtige Ressource ist. Jeder ist Experte, Expertin ihres oder seines Lebensbereichs. Wir sind alle wertvoll, einfach nur weil wir Menschen sind. Selbst wenn wir gar nichts beitragen, haben wir eine inhärente Würde. Und das ist eine Erzählung, die die Demokratie hat, aber nicht benutzt und nicht unbedingt lebt. Fairness ist ja mehr als nur der Umgang miteinander innerhalb der Politik. Fairness gehört auch in die politischen Maßnahmen. Sie müssen sich wieder gerecht anfühlen. Der große Erfolg der Partei Die Linke lässt sich vielleicht genauso erklären. Sie waren die Einzigen, die sich nicht daran beteiligt haben, im Wahlkampf beim Überbietungswettbewerb mitzumachen, wer am meisten abschiebt. Stattdessen haben sie auf Gerechtigkeitsthemen gesetzt, wie bezahlbare Mieten und soziale Gerechtigkeit. Und wenn sie jetzt noch ihr Verhältnis zum russischen Faschismus in den Griff kriegen, könnten sich alle Parteien daran ein Beispiel nehmen. Kompromisse muss man in einer Demokratie machen, aber nicht mit jeder Position. Ich finde zum Beispiel, wir müssen bei Menschenrechten wieder kompromisslos werden.

[28:23] Wir müssen an unsere eigene Geschichte glauben, dass jeder Mensch wertvoll ist und eine gute Ressource und dass Menschen demokratisch repräsentiert sein sollten. Wir müssen wieder über Gerechtigkeit diskutieren. Und diese Diskussion werden die Rechten nicht anbieten und Reiche nicht und Konzerne nicht. Und ich glaube, auch von den Medien wird sie nicht ausgehen. Wir müssen sie setzen. Und das Problem ist, das können wir nicht, wenn wir uns zu Gefangenen immer wieder rechter Narrative machen, sie immer wieder widerlegen wollen und uns baiten lassen in diese Debatte, die wir gar nicht führen wollen, die uns ablenkt von dem, worum es eigentlich gehen muss. Und deshalb gibt es genau eine richtige Strategie, einem Faschisten zu antworten in der Debatte. Und die ist, halt die Klappe.

[29:12] Und das wird vielen Menschen schwierig erscheinen, weil uns beigebracht wurde, nett zu sein und fair zu sein und gerecht zu sein und streiten lernen und diskutieren lernen. Aber es gibt Themen und Ansätze, die Hass sind, die purer Hass sind, die Ablenkung sind, die nicht da sind, um eine Debatte zu führen, sondern um den Debattierclub kaputt zu machen. Und zu diesen Menschen gibt es nur eine richtige Erwiderung. Halt die Klappe, deine Position ist hier nicht willkommen. Du als Mensch kannst okay sein, aber lass deinen Faschismus draußen, lass deinen Rassismus draußen. Die sind hier nicht willkommen. Und ich möchte das vielleicht runterbrechen. Stellt euch vor, ihr seid auf einer Party. Und auf der Party taucht ein total betrunkener Typ auf, den ihr kaum kennt. Und der fängt an, über eure Freundin Sarah herzuziehen und sagt, Sarah ist fett und sieht komisch aus und hat lila Haare und wie dämlich sieht sie aus, werdet ihr sagen, hey, lass uns darüber diskutieren, dass Sarah gar nicht so fett aussieht und lila Haare sind hier willkommen und setzen wir uns an den Küchentisch und debattieren oder sagt ihr, hey, betrunkener Typ, wenn du dich hier so aufhörst, dann geh, verlass meine Party.

[30:34] Es ist für uns alle offensichtlich, dass unsere Solidarität, unsere Liebe zu unseren Freunden uns gebietet, jeden auszuschließen, der sie angreift. Und das ist politisch nicht anders.

[30:47] Wir müssen einfach konsequent sein in dem, woran wir glauben, wenn wir daran glauben. Und wenn wir an Menschenrechte glauben, dann ist es keine Antwort zu sagen, wir debattieren mal, ob Menschenrechte ein Ding sein sollten für diese und jene Gruppe. Und das kann schwerfallen, weil Nazis dann hingehen und sagen, ihr seid unfair, ihr schließt uns aus, damit seid ihr nicht besser als die Faschisten.

[31:14] Und wir sind Opfer und wir sind ungehört. Und jetzt müsst ihr alle ganz stark sein. Das müssen wir einfach aushalten. Wir müssen einfach damit leben, dass Nazis sich zu Opfern machen. Denn das werden sie immer machen. Wir können Faschisten gar nicht so freundlich behandeln, dass sie sich nicht als Opfer aufführen. Das ist Teil ihrer Ideologie. Eine Wahrheit für euch. Faschisten sind Versager. Ich meine damit nicht, dass sie arme, abgehängte Menschen sind. Viele Faschisten sind gut gebildet, fantastisch vernetzt, gehören fest zur Mittelschicht und sie sind gefährlich. Aber sie sind auch Versager. Faschismus ist eine Versagerideologie, weil sie aufs Verlieren ausgerichtet ist. Sie hängt davon ab, dass man eine immer kleiner werdende In-Group gegen eine immer größer werdende Out-Group verteidigt, weil man irgendwo immer den Bösen suchen muss, um weiter Bullshitten zu können. Denn Bullshitten muss man ja auf Kosten von jemandem, denn für die eigentlichen Probleme hat man keine Lösung. Und wir können uns nicht von Versagern einlullen lassen, weil wir Angst haben, dass sie sich dann als Opfer aufspielen.

[32:29] Wir müssen unsere Diskurse setzen. Und dann kommt das zweite Problem. Wie setze ich einen Diskurs? Denn ganz ehrlich, ich vertraue den Medien nicht ganz darin, dass sie diese Stärke haben, auszuhalten, dass jemand sich als Opfer darstellt. Gerade in dem Bemühen, fair zu sein, alle Seiten zu hören, blablabla. Das heißt, worin wir vielleicht ein bisschen unsere zimperliche Art ablegen müssen, ist, wie wir selbst Diskurse setzen. Und ich möchte dafür ein blödes Beispiel vorbringen. Ich war mal unterwegs Abendessen mit einem sehr unangenehmen Menschen. Der Mensch war sehr lange in Politik und Wirtschaft und sehr aggressiv und von sich überzeugt und hat versucht, mir den Gefallen zu tun, mich in Argumentation auszubilden anscheinend. Und das hat er gemacht, indem er mich immer wieder verbal angegriffen, herausgefordert hat, ich mich verteidigen musste und er wollte mit Tough Love eine Art Sparring-Partner für mich sein, was mich unglaublich erschöpft hat über den Verlauf des Tages. Und als er dann beim Abendessen angefangen hat, über seine eigenen Mitarbeiter zu lästern, während sie daneben saßen, hatte ich zu viel.

[33:41] Ich habe ihn unterbrochen und ich habe gesagt, ich werde Ihnen jetzt meine Lieblingsfakten über Koalas erzählen. Und dann habe ich ihm meine Lieblingsfakten über Koalas erzählt. Dass sie bei Waldbränden explodieren. Dass sie so dumm sind, dass sie mit Eukalyptus nichts anfangen können, wenn er auf einem Teller liegt, statt auf einem Ast zu hängen. Dass sie die einzigen Beuteltiere sind, deren Zähne nicht in irgendeiner Weise nachwachsen, weil sie sie durch Pflanzen abkauen und sie einfach sterben, wenn ihre Zähne abgetragen sind. 

[34:08] Kurzum, er hat mir zugehört und dann hat er zum ersten Mal an diesem Tag geschwiegen. Er konnte gar nichts erwidern, weil das nicht in seinem Drehbuch stand. Das stand überhaupt nicht im Playbook, was man machen soll, wenn einem der Gegenüber plötzlich etwas erzählt, wofür er sich genuin begeistert und was nichts mit Politik zu tun hat. Ich habe ihn sprachlos gemacht. Und es gibt ein paar Dinge, die machen Rechtsradikale sprachlos und handlungsunfähig. Und das ist ganz zentral Solidarität, Neugier und gegenseitige Wertschätzung. Sie können damit grundlegend nichts anfangen, weil das völlig aus ihrer Ideologie rausfällt. Und ich finde es so schön, mit Liebe und Freundlichkeit, aber mit aggressiver Liebe und Freundlichkeit etwas entgegenzusetzen, was den Gegenüber sprachlos macht. Wir müssen kompromisslos, genauso laut und selbstsicher, wie sie das tun.

[35:26] Etwas entgegensetzen, das inhaltlich wahr ist. Nämlich, dass Menschen sich gehört fühlen müssen. Dass sie leben müssen in Würde. Dass sie gerecht teilhaben müssen an einer Gesellschaft. Dass ihr Wert nicht davon abhängt, was sie in Erwerbsarbeitsstunden da reinbringen. Wir müssen aggressiv das Bild einer positiveren Zukunft zeichnen, in der wir in Einklang mit unserem Planeten, mit unseren Ressourcen und unseren Mitmenschen leben und füreinander verantwortlich sind.

[36:00] Und darf ich jemanden beleidigen, wenn er das versucht zu sprengen? Ja, allerdings, ich darf absolut jemanden beleidigen, der Faschismus macht. Immer. Auch weil emotionale Kommunikation so wichtig ist. Auch das können wir von rechten Populisten lernen und sollten wir. Politik besteht nicht nur aus dem, was wir Rationalität nennen. Rationalität und Emotionalität sind keine Widersprüche. Sondern Politik ist auch Emotion. Und wir müssen unserer emotionalen Wahrheit auch Gehör verschaffen. Das heißt, wenn ich über Putin und die Ukraine spreche, ja, ich benutze Schimpfwörter. Und wenn das jemanden stört, dann können sie mich mal, denn emotionale Kommunikation ist wichtig. Und ja, ich darf auch Nazis hauen, um meinen Nächsten zu schützen. Denn ich handle nicht aus Kampf gegen das, was ich hasse. Ich handle, um das, was ich liebe, zu beschützen.

Musik

Marina:

[37:18] Wir nehmen also mit. In den westlichen Demokratien hat die Politik ein Vertrauensproblem. Und es liegt wahrscheinlich daran, dass die neoliberale Politik der 90er und Nullerjahre viele Leute einfach abgehängt hat. Und je rechter, desto unfairer, desto mehr Lügen, desto mehr Bullshit und Flooding-the-Zone-Methoden werden angewendet. Und ja, wir brauchen dringend Medien, die das bloßstellen und die Lügner und Bullshitter nicht davon kommen lassen. Aber wir brauchen vor allem auch eine andere Politik, die sich wieder um Gerechtigkeit und Menschenrechte kümmert. Inhalte müssen wieder wichtiger werden als Methoden. Und ihr könnt dazu beitragen. Schreibt eure wichtigsten Inhalte, das, wofür ihr brennt, An eure Abgeordneten. Steckt sie in super bunte Umschläge. Tut ein Foto von einem Pferd dazu.

[38:19] Schickt es an Redaktionen. Es ist egal, was ihr macht. Seid kreativ, seid freundlich, seid laut. Übertönt den Bullshit-Diskurs und überhört ihn. Geht nicht darauf ein. Sagt, was ihr wollt. Hört euren Nächsten zu, euren Mitmenschen. Nicht den Leuten in Talkshows. Redet mit denen, die an Talk interessiert sind und weniger an Show. Und denkt immer daran, dass Solidarität im positivsten Sinne radikal ist.

[39:00] Das war die erste Folge von Wind und Wurzeln. Danke, dass ihr bis hierhin zugehört habt. Denkt daran, den Podcast zu abonnieren, dann verpasst ihr keine neuen Folgen. Und apropos neue Folgen, wir machen das so. Immer wenn genug Geld dazugekommen ist, gibt es eine neue Folge. Denn so ein Podcast macht sich nicht von allein. Ich bedanke mich ganz herzlich für hauseins, für die Produktion dieses Podcasts. Katrin Rönicke hat mit mir zusammen diese Folge redaktionell vorbereitet und das Skript geschrieben. Musik und Schnitt sind von Oliver Kraus. Das Cover-Art ist von Graphorama. Und danke auch an das Social-Media-Team von hauseins. Das alles kostet 3.500 Euro pro Folge. Also wenn ihr dabei helfen wollt, die nächste Folge möglich zu machen, dann schaut mal in eure Show Notes. Ihr könnt Wind und Wurzeln bei Steady unterstützen oder direkt einen Betrag auf das Konto von hauseins überweisen. Dabei nicht vergessen, Wind und Wurzeln in den Verwendungszweck zu schreiben. Wir hoffen, dass so genug zusammenkommt, dass wir mit diesem Podcast auch werbefrei bleiben können, weil das politisch wichtig ist, sich nicht nur durch Werbung zu finanzieren. Darüber vielleicht in einer nächsten Folge. 

[40:13] Bis dahin danke für alle, die uns unterstützen und bis zum nächsten Mal.

 

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