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Nullstunden

Wenn sich etwas erkennbar herab wirtschaftet, ist es schwierig, den Moment der endgültig erreichten Kaputtheit zu bestimmen. Hier jetzt bitte den Satz “Die USA sind ein tief gespaltenes Land” einfügen. Meme gewordene Binsenweisheit. Stimmt nachdenklich…

Nun ist Wahlkampf in Deutschland und, Überraschung, die Plattitüde würde ebenso gut zu einer Reportage durchs deutsche Hinterland passen. Eine zusehends fragmentierte Gesellschaft und ein seine Bezeichnung wahrlich verdienender Politzirkus sind die offensichtlicheren Teile dieser Gleichung. Die Kernschmelze unserer einst stolzen vierten Gewalt wirkt indes annähernd überraschend.

Klar, die beinahe (Si apre in una nuova finestra) täglichen (Si apre in una nuova finestra)Nazis (Si apre in una nuova finestra)in Talkshows (Si apre in una nuova finestra), die Sommerinterviews, Pro&Contra-Formate für beliebige Menschenrechte, die in kultigen Reels gipfelnden Weidel-Los-Wochos (Si apre in una nuova finestra) im ÖRR, die Waldspaziergänge (Si apre in una nuova finestra), nicht zuletzt die Nahostberichterstattung, die zu hörenden Signale könnten ewig weitergehen.

Aber gerade hier, jetzt, gestern, heute fühlt es sich an, als sei etwas zersprungen, als seien der 12. und 13.02.2025 eine Zäsur, die eigentlich offensichtlicher kaum sein könnte – und doch scheinbar schwerlich zu erkennen ist. Wir diskutieren die Begriffe Hofnarr – bzw. das H-Wort (Si apre in una nuova finestra) – und Feigenblatt, die Anzahl der Weingläser von Olaf Scholz, ob da Rassismus vorliegt; als wäre es nicht der verzweifelte Versuch eines Skandälchens, auf dessen Geschehen sich der Focus-Chefredakteur kurz vor der Wahl besinnt. Während Friedrich Merz in Anbetracht der kleinen Paschas, der Sozialtouristen, der Zahnarzttermine, der komischen Figuren, der Schäden am Deutschen Volk, der tickenden Zeitbomben, der täglichen Vergewaltigungen aus dem Asylbewerbermilieu leider nur fast die Worte fehlen; während Julia Klöckner – black is beautiful – die Frage des Feigenblatts bestätigt, landet der Luftaustausch zwischen Olaf Scholz und Joe Chialo in den Tagesthemen. Der Spiegel, das alte Sturmgeschütz der Demokratie, hat tags darauf vier Artikel zur Sache auf der Startseite, inklusive Eilmeldung. Halt stop, fünf. Einen, der sagt, man brauche die anderen vier und die gesamte Debatte nicht (Si apre in una nuova finestra). Es lebe der Binnenpluralismus.

Julia Klöckner tweetet: Black is beautiful.

Darunter ein Sharepic mit dem CDU-Logo, dem Slogan "Respekt für Dich!" und einem Lächelnden Joe Chialo
Niemand hat die Absicht, ein Mitglied des Parteivorstands zum Feigenblatt zu erklären

Die Tagesthemen waren mal ein allabendliches Fernsehlagerfeuer, ähnlich der schrulligen Tatort-Verbundenheit: Wer im Ansatz ausführlicher informiert sein wollte und sonst kaum Zeit für Nachrichten hatte, schaltete ein. 

https://www.youtube.com/watch?v=tUZP0ycThN8 (Si apre in una nuova finestra)

An diesem Abend fühlt es sich an, als habe der Promiflash-Praktikant die Redaktion übernommen (Si apre in una nuova finestra). Trump und Putin als große Jungs, die Ukraine als kleiner Bruder am Katzentisch, der ja immerhin noch über den Austausch zu seinem Schicksal informiert wird. Die USA werden nun als neutral gelabelt, es wird von Tauwetter zwischen großen Blöcken gesprochen. Den neuen Verteidigungsminister der USA, einen mutmaßlichen Vergewaltiger, der Demokratie für linken Idealismus und Bedrohung der amerikanischen Verfassung hält und dessen Tattoos irgendwo zwischen christlichem Nationalismus und Rechtsextremismus einzuordnen sind, nennt Ingo Zamperoni umstritten. Und ob sich hier gerade Dekaden von Gewissheiten verschieben – und ob sie das tun – quittieren die Tagesthemen lakonisch mit einem “wer will das sagen?”. Zu Pete Hegseths Aufkündigung des Schutzversprechens für Europa, einer Quasiaufkündigung der Nato? Zu Trumps Kolonialplänen für Gaza? Zum Vorhaben, das Wahlrecht von ca. 80% der Frauen in den USA zu beschränken? Nichts.

Stattdessen wird die Causa Hofnarr weiter hochgejazzt und aus Focus-Perspektive rezitiert. Und Alice Weidel bekommt ein ausführliches Porträt. Die nette Rechtsextremistin von nebenan (Schweiz) tanzt zu elektronischer Musik im Auto, schon gewusst?

Die journalistische Kapitulation geht mehr oder minder munter so weiter (Si apre in una nuova finestra). Ein Afghane, ausgerechnet, rast tags darauf in München mit seinem Auto in eine Verdi-Demo. Markus Söders Bewertung – Anschlag – wird getickert. Falschinformationen zum Täter, die sich der Innenminister mal eben zusammengereimt und später kleinlaut korrigiert hat, werden ohne Einordnung paraphrasiert. Ungewissheiten – hat der Täter evtl ein islamistisches Schreiben abgesetzt? – als Fragen getitelt, auf die es inhaltlich keine Antwort gibt.

Tagesschau-Startseite mit angezeigtem Liveblog zur Münchner Sicherheitskonferenz. Der tickert gerade ganz groß ++Vance beklagt Demokratie-Verlust in Europa++
Liveblogs sind zu beklagen

Liveticker als Dauerzustand. Ein Grundrauschen von Eilmeldungen, von ersagt-siesagt, von Clickbait, von Ungewissheiten, Schnellschüssen, Korrekturen. Und allerhand Themen und Perspektiven, die dabei untergehen. Flood the zone with shit nannte der amerikanische Rechtsextremist Steve Bannon das. Die schiere Menge an Reizen, Informationen, Aktionen lähmt das Gegenüber. Der Versuch des Einordnens, Korrigierens, Gegenhaltens endet in Überforderung.

Wir sehen dabei zu, wie die Welt, wie wir sie kennen, aus den Fugen gerät. Wir verhöhnen diejenigen, die die Vorgänge benennen und warnen, als hysterisch. Wir sind so abgelenkt von der Frage, ob man einen durchweg inkompetenten Pflaumenaugust, dessen größte (Si apre in una nuova finestra) politische (Si apre in una nuova finestra) Leistung (Si apre in una nuova finestra) noch die DJ-Performance auf CDU-Parteitagen (Si apre in una nuova finestra) war, als das bezeichnen darf, was er ist. Oder wie viel wir denn nun wann wohin abschieben.

Wo waren wir? Ach, abgelenkt, abgelenkt vom sogenannten bigger picture.

Wir sind längst mittendrin. Dogwhistles wie irreguläre Migration sind plötzlich ein normaler Begriff, den fast alle Parteien nutzen. Die Grünen bekennen sich zu Vielfalt und unserem Einwanderungsland, das sich eben sehr genau aussuchen will, welche Migras gut genug für uns sind. Und klar, abschieben wollen sie auch – mit Vollstreckungsoffensive! Eine sozialdemokratische Partei, die sich mit ihrer Härte gegenüber den schwächsten Gliedern der Gesellschaft brüstet, ist ihren Namen nicht mehr wert. 

Und die Union? Die Partei der Mitte hat sehr genau beobachtet, wie ihre amerikanischen Freunde von den Republikanern das Feld bearbeiten. Sie nutzen den Anstand ihrer politischen Konkurrenz. Sie zwingen zur Reaktion. Sie ignorieren innere Widersprüche. 

Die christlichen Kirchen sind not amused? Markus Söder droht ihnen, nichts ist so christlich wie der Wille der Partei. Die Kirchen sollten sich nicht einmischen und besser mit wirklich christlichen Themen befassen. Zum Beispiel Schwangerschaftszwang. 

Sie drohen gemeinnützigen Organisationen mit Entzug von Geldern (Si apre in una nuova finestra). Sie delegitimieren den Protest von Millionen Menschen. Sie hinterfragen das Demonstrationsrecht (Si apre in una nuova finestra), ehe sie sich hinterfragen. Sie legen die Axt an die Zivilgesellschaft.

Wenn die Konservativen sich – auch wenn eine derartige Bezeichnung schnell zu Abmahnungen und Anwaltskosten führen kann – in Worten und Taten so konsequent rechtsextrem verhalten, bleiben allen Lippenbekenntnissen zum Trotz eigentlich nur noch die Rechtsextremisten als Partner übrig. Die, mit denen sie gerade gezwungenermaßen, aber absolut ausnahmsweise und eigentlich gar nicht so richtig zusammengearbeitet haben, es niemals, aber auch in Zukunft wieder tun würden.

Friedrich Merz gibt einer lachenden Alice Weidel im Zuge eines TV-Duells die Hand
Sie können ja doch miteinander!

So schwinden unsere Sicherheiten und Privilegien sukzessive dahin. Das Momentum, in dem wir unserer Privilegien allmählich bewusster wurden und evtl. einmal anfingen, sie zu teilen, erwies sich als frommer Wunsch; stattdessen verlieren wir sie.

Ohne allzu pathetisch und raunend klingen zu wollen, hallt Heidi Reichinneks Schlusswort ihres Frusts auf Fritz im Bundestag nach: Der Satz mit den Barrikaden, er könnte bald allzu wörtliche Notwendigkeit sein.

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