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Folge 47

Vorweg

Etwas schade für euch und mich finde ich, dass Häme als Blickwinkel und Stimmungslage gerade nicht angemessen erscheint, denn ich habe drei wunderbare Themenkomplexe, über die ich lang, breit und hämisch schreiben könnte, ohne dass es die Falschen treffen würde; vielleicht mische ich dem New Frohmanntic einfach ab und zu ein kleines Hämehäppchen bei. Die Häme-Themen wären Homestory-Bildklischees – da habe ich ein richtiges Sammelalbum –, persönlich gehaltene Immobilienkaufgesuche und start-uppige Bilder-Mal-Events. Es würde auch nicht komplett hämisch werden, zumindest bei dem einen Thema nicht. 

Etwas Altes: Natur-Entbundenheit

Habt ihr auch als Kind Instant-Bananenmilch getrunken und erst Jahrzehnte später kapiert, dass es nicht länger als deren Anrühren dauert, nämlich nur ungefähr zwanzig Sekunden, mit dem Pürierstab eine reife Banane und 0,2 Liter Milch zu vermengen? 

Habt ihr auch wie ich fast Heureka geschrien, als ihr begrifft, dass man Tomatensamen gar nicht kaufen muss, sondern aus Tomaten gewinnen kann? 

Heureka!

Ich finde es unglaublich lustig, wenn mir bei manchen Angelegenheiten rückwirkend klar wird, wie entfremdet ich zwischenzeitlich der Natur (oder naturnahen Kultur) gewesen bin, obwohl ich nicht mal immer in größeren Städten gelebt habe. Der Geist der 1970er und -80er war selbst in ländlicheren Regionen so stark von Automatisierung, Convenience und Fortschritts-Feel geprägt, dass man einfach nicht auf die Idee kam, sich zu fragen, ob es in der nicht industrialisierten Form vielleicht genauso schnell und gut gehen könnte. 

Aber trotzdem jetzt bitte nicht in so einen Manufactum-Heidegger-Berghütten-Naturkult verfallen. Impfungen etwa waren in den 1970ern eine richtig gute Idee, und sie sind es immer noch.    

Etwas Neues: Souvenir-Upcycling

Ihr kennt das, man ist unterwegs, will irgendwas Schnelles essen, sagen wir einen Milchreis oder Bulgursalat, aber der Gedanke, ein Massivplastikbesteck einmal zu benutzen und dann wegzuwerfen, ist im Jahr 2022 nicht so angenehm. Ich hatte deshalb schon x-mal überlegt, mir ein wiederverwendbares Minibesteck zu kaufen, es aber immer wieder vergessen und auch nie ein hübsches gesehen. Jetzt habe ich kurzerhand bei meiner Mutter so einen nienienie benutzten silbernen Souvenirlöffel aus Venedig mitgenommen, er ist winzig, weil eigentlich für eine Zuckerdose gedacht. Ihn dabei zu haben und zu benutzen, macht mir seitdem auf absurde Weise Freude. Ja, vielleicht reisen wir nicht mehr oder nicht mehr so viel, aber die Souvenirs der Menschen vor uns noch weiterzubenutzen, während die Orte dazu im Internet aufgesucht werden können, das ist doch hübsch. Wenn ihr zuhause keine Schublade mit unnützem Kleinbürgerinnenkitsch habt, Souvenirlöffel gibt es auch für ein paar Euro in jedem Trödelladen. 

Etwas Geborgtes: Ein Zitat

»Erst die Frau ohne Begleitung hat die große Stadt, egal welche, zu dem gemacht, was sie heute ist.«  – Katja Kullmann, Die singuläre Frau (Si apre in una nuova finestra), 136

 

Etwas Uncooles: Nostalgischer Bildungskitsch

Inspiriert von einem Twitter-Thread (Si apre in una nuova finestra) möchte ich den Gedanken aufwerfen, dass die pauschale Hochschätzung von Menschen, die weitgereist sind und viele Bücher haben, meines Erachtens auf den Müll kann. Sie stammt aus einer Zeit, als zum einen Menschen, die nicht reisten und lasen, so gut wie keine Berührung mit nicht in der Nähe lebenden Menschen und anderen Kulturen hatten, also zwangsläufig engstirniger waren; zum anderen existierte früher kein Verständnis davon, dass die Bildung durch Reisen und Lesen weniger Menschen immer auf Kosten vieler anderer Menschen gegangen ist. Außerdem wurden und werden da wie so oft unausgesprochen nur weiße oder weiß vorgestellte Menschen bewundert. Oder hat man schon davon gehört, dass Menschen mit Fluchterfahrung, aus der man sachlich betrachtet bestimmt sehr viel über Menschen, Gesellschaften, Kulturen lernt, mitbewundert werden? Außerdem ist, was Menschen heute nach offiziellen Bildungsreisen (Studiosus!) über »Land und Leute« berichten, oft wirklich allerschlimmster Kitsch. Kitsch mit starkem Rassismusgehalt, lieb gemeint natürlich. 

Mit dem Wissen von heute angemessener wäre es, Menschen darum zu beneiden, dass sie viel reisen und lesen durften. Bewundern, wenn man unbedingt bewundern muss, sollte man hingegen Menschen, die ihre Bildung nutzen, um nicht nur persönlich voranzukommen und zu glänzen, sondern für andere Menschen und eine bessere Welt einzutreten. Und an dieser Stelle wird deutlich, dass dies aktuell besonders oft Menschen tun, die ihre Bildung nicht mehr primär beim klassischen Reisen und Lesen erworben haben, sondern in der ständigen Berührung und Auseinandersetzung mit anderen Menschen in sozialen Medien. Die Pandemie hat diese Entwicklung sogar noch verstärkt, allerdings teilweise auch auf unangenehme Weise, weil jetzt auch einige Oldschool-Gebildete denken, dass sie aufgrund von ein paar Zoomkonferenzen digital gebildet sind. (Nei-hein.)

Es wird Zeit für einen neuen Bildungsbegriff, der einerseits Wissenschaft nicht relativiert und andererseits die kategorialen Umwälzungen bei dem, was heute Allgemeinbildung ist, mitdenkt.

Zeitgenössische Bildungsreise

Rubrikloses

Burberry schickt mir eine Werbemail zu neuer Kollektion namens »Universal Passport«. Ich finde den Namen angesichts von Menschen, die wegen fehlenden Premiumstaaten-Passes vor Grenzen stehen und sterben gelassen werden, ziemlich geschmacklos, ist aber von Burberry bestimmt metropolitisch lieb gemeint. 

Wieso nennt GALA auf Instagram Prinz Philip »den treuen Prinzgemahl«, lesen die keine Klatschzeitschriften? Oder meinen sie, seit er tot ist.

Ich lade dieses Jahr schon zum dritten Mal am 1. Mai Hexen auf meine Insel Laseronia in ACNH ein; Digitalisierung plus Pandemisierung hat wirklich zur totalen Instantanisierung geführt. Wenn ihr auch spielt und kommen möchtet, meldet euch gern. 

House of Girlssplaining hat gleich zwei neue Brand-Ambassadoren: Luther (Si apre in una nuova finestra) und Hegel (Si apre in una nuova finestra)

Falls euch eine Person mit struktureller Macht zu nahe tritt, sucht sofort Hilfe. Redet mit Freund*innen, lasst euch von Expert*innen beraten, droht mit juristischen Konsequenzen. Von selbst lassen solche Menschen nicht locker. Und, nein, es ist nicht auch irgendwie eure Schuld.

Meine nicht twitternde Mutter hat angesichts des Sahara-Sand-Himmels in München gedacht, dass Putin »den Knopf gedrückt« hätte. Auf meine Nachfrage meinte sie, nein, Angst habe ihr das nicht gemacht. Angst macht meiner Mutter beispielsweise die Vorstellung, in meinem Garten könnte bei Sturm ein Baum umstürzen. – Ich hätte gern eine App, die in Menschen Angst und Furcht je nach Realitätsgehalt mit angemessenen Emotionen koppelt. Vielleicht sähe die Welt dann anders aus, ziemlich sicher sogar.

Auf Insta bieten sie fünf pastellfarben schokolierte Erdbeeren für EUR 19,90 an, und ich muss sie nicht mal kaufen, um mich schuldig zu fühlen. 

Guerlica

Zurück zu Twitter, nein, lieber nicht, wir sehen uns nächste Woche. Seid lieb, nur nicht zu Nazis.

XOXO,  
FrauFrohmann

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