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Newsletter Nr. 7: Vorerst keine Taurus für die Ukraine

Olaf Scholz in Granada

Bundeskanzler Scholz lehnt die Lieferung von Taurus an die Ukraine ab.
Nun sind die Medien voll der Kritik an der Entscheidung. Die übrigens als „vorläufig“ bezeichnet wurde. Doch dabei entsteht vielleicht ein falscher Eindruck. Weshalb ich zwei Dinge anmerken möchte.

Bitte verstehen Sie mich richtig falsch: Ich möchte die Entscheidung nicht verteidigen. Ich finde sie selber falsch. Aber vermutlich aus einer anderen Perspektive als die meisten anderen.

Die verwirrenden Mechanismen der Demokratie

Zum ersten kann Scholz eine solche Entscheidung gar nicht alleine treffen. Der Bundeskanzler hat per Verfassung nicht diese Entscheidungsgewalt. Das müsste zumindest in der Führungsriege abgestimmt werden. Waffenlieferungen – zumal in Kriegsgebiete – müssen dem Bundestag zur Entscheidung vorgelegt werden.

In der Praxis sieht es aber so aus, dass die SPD als stärkste Kraft der Regierungskoalition sich hinter Scholz stellen würde. Käme es zu einem Streit innerhalb der Koalition mit Grünen und der FDP, wäre die Regierung in Gefahr. Also würden die sich vermutlich ebenfalls anschließen. Und dadurch hätte die Entscheidung die meisten Stimmen im Bundestag.

Aufgrund dieser Praxis spart man sich also den ganzen Mumpitz und sagt gleich: Scholz lehnt ab. Thema durch.
Man könnte es dennoch dem Bundestag zur Entscheidung vorlegen. Den Antrag kann jeder stellen. Aber es wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit Zeitverschwendung. Deshalb macht es auch keiner.

Das ist aus einem völlig anderen Grund wichtig zu verstehen. Solche Situationen entstehen immer wieder. Die Entscheidungen fallen quasi hinter angeblich „verschlossenen Türen“. Was aber nicht so ist. Man muss nur die Mechanismen kennen. Die Medien erklären es aber meiner Meinung nach zu selten.

Und das ist der Grund, warum die AfD dann immer wieder aufgreift, bei Abstimmungen im Bundestag seien ja kaum Leute anwesend. Nach dem Motto: Die tun ja nichts für ihr Geld. Das ist jedoch schlichter Populismus der diejenigen ansprechen soll, die diese Mechanismen nicht kennen oder verstehen. Denen Demokratie zu kompliziert ist. Die glauben, das Meiste im Bundestag passiert in diesem Plenarsaal.
Die Abgeordneten sind dann nicht lustig auf Mallorca, wenn die Stühle im Plenum leer sind. Sie sitzen in den Ausschüssen, in ihren Büros oder in irgendwelchen Meetings. Vielleicht holen sie sich auch gerade mal ein Fischbrötchen, mag sein, was weiß ich. Es geht um den verzerrten Gesamteindruck.

Wenn etwas zur Abstimmung in den Bundestag kommt, steht das Ergebnis meist vorher schon fest. Weil viel Arbeit, Gespräche und Abstimmungen bereits davor passiert sind.
Deshalb sitzen dann nur ein paar Handvoll im Plenum. Weil man eben weiß, wie die einzelnen Parteien stimmen würden.
Die Anträge der AfD zum Hammelsprung, also zum Durchzählen und zur Bestimmung der Beschlussfähigkeit, ist reinste Stimmungsmache. Umso mehr, wenn der Bundestag in der Abstimmungsphase auch mal bis nachts um zwei tagt.
(Das habe ich selber mehrfach mitgemacht wegen Gesetzesentscheiden unter Merkel. Die dann gleich dutzendfach am Fließband bis vier Uhr morgens durchgepeitscht wurden. Live am Parlamentsfernsehen, damit ich morgens sofort darüber berichten konnte.)

Geheim bedeutet, die wissen auch nicht mehr

Der zweite Punkt ist, dass sich im Kanzleramt die Geheimdienste zur großen Lage treffen. Der Bundeskanzler gilt als der am besten informierte Mann der Republik.
Denn bei nachrichtendienstlichen Informationen gilt das „need to know“: Jeder muss, darf und soll nur das wissen, was für seinen Job nötig ist. Und das bedeutet, dass ein Staatssekretär im Kanzleramt auch mal mehr weiß, als irgendwelche Bundestagsabgeordneten.

Der einzige Medienbericht, der gestern darauf einging, kam tatsächlich von ntv. In einem Interview sagte der Außenpolitiker Roth von der SPD, dass man nicht öffentlich erklären könne, warum das Kanzleramt zu der Entscheidung gekommen sei.
Roth ist Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, der geschlossen tagt und damit zu den „privilegierten Ausschüssen“ gehört. Er weiß also mit Sicherheit mehr, als der durchschnittliche Bundestagsabgeordnete.

„Es geht hier um hochsensible Fragen, die auch der Vertraulichkeit unterliegen. Da können wir nicht einfach alle Karten auf den Tisch legen und offen über alle Detailfragen reden. Es geht um ein hochkomplexes Waffensystem. Es wurden zwar ähnliche Marschflugkörper bereits von Frankreich und Großbritannien geliefert, aber der Taurus ist dann doch noch mal eine andere Nummer.“
Michael Roth, SPD, ntv, 05.10.2023

Sowas sagt keiner gerne. Denn zu leicht würden viele verstehen: „Das geht Euch nichts an.“ Was es im Grunde auch heißt. Aber alleine der Satz „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“ von de Maizière im November 2015 reichte ja schon für einen Shitstorm aus. Dabei sollte nur keine Panik verursacht werden.
Viele Menschen können es nun einmal nicht ertragen, wenn man ihnen etwas vorenthält. Nicht einmal, wenn es zum Besten für alle ist.

Ich stimme Roth zu. Taurus ist eine andere Hausnummer.
Denn man darf nicht vergessen, dass die französischen SCALP und britischen Storm Shadow (Black Shaheen) Marschflugkörper in einer Version geliefert werden, die eh zum Export bestimmt ist. Nur ein Handvoll Menschen wissen aber, welche Daten und Informationen die Taurus im Leib trägt. Und können die Entscheidung daher nicht beurteilen.

Und das wiederum macht deutlich, dass alle Kritik von anderen Politikern lediglich rein politische Äußerungen sind. Es geht nicht um fachliche Inhalte, sondern einzig darum, sich öffentlich irgendwie zu positionieren. Ganz einfach, weil sie gar nicht alle Informationen haben können, die zu der Entscheidung geführt haben.
Niemand, nicht einmal die Kritiker selber, können mit Gewissheit sagen, wie sie entscheiden würden. Kein Röttgen (CDU), kein Kiesewetter (CDU), kein Hofreiter (Grüne) und keine Strack-Zimmermann (FDP).

Was man Scholz und Kanzleramt allerdings völlig berechtigt vorwerfen muss, ist eine total beschissene Kommunikation.
Sich in Granada hinzustellen und etwas von einer Eskalation zu erzählen und dass Deutschland nicht in den Krieg gezogen wird, ist völliger Humbug und Wasser auf die Mühlen der Kritiker.

Ich würde sehr viel Geld darauf wetten, dass es bei den Hürden um Informationen geht, die man der Ukraine nicht geben will und von der man nicht will, dass sie vielleicht in andere Hände gerät.
Dann sollte man aber auch die Cojones haben, es so klar zu formulieren. Und nicht da monatelang irgendwie rumschwadronieren.

Argomento Krieg

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