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Precht: Multipolare Ziegenpisse

Richard David Precht

Ein Kommentator hat mich nach dem neusten Schwätzerstück von Richard David Precht gefragt. Der ZDF Talk, in dem er Florence Glaub zu Gast hatte.
In dem insgesamt anklang, es sei für alle Beteiligten ja irgendwie besser, wenn die Ukraine den Krieg nicht gewinnt. Denn er, Precht, glaube, wenn die NATO „Atomraketen“ auf der Krim positioniere, würde das womöglich zur gedemütigten Zusammenbruch Russlands führen und zur nuklearen Katastrophe.

Zum ersten war in der Precht-Sendung zu Gast Florence Gaub, eine Politikwissenschaftlerin, die irgendwie an dem Themenbereich „Sicherheitspolitik“ hängt. Sie ist u.a. Forschungsleiterin am NATO Defence College in Rom.
Was Precht herausstellte, u.a. indem er sinngemäß fragte, ob Sie etwas aus Ihrer Arbeit erzählen könne, was nicht super-geheim wäre.

Screenshot der Sendung

Ich bin recht sicher, Frau Gaub hat noch nie mit irgendetwas näher zu tun gehabt, was „super-geheim“ ist. Weil sie Forschungsleiterin ist. Und, wie das bei erfolgreichen Akademikern so üblich ist, gleich mehrere Jobs hat.
Sie ist dafür zuständig, laienhaft verkürzt, wie und welche Daten man sammelt und sie auswertet. Beispielsweise hat sie die geopolitischen Folgen des internationalen Militäreinsatzes gegen Libyen untersucht und beschäftigt sich mit Wasserknappheit durch den Klimawandel in der arabischen Welt.

Mit Militär hat das unmittelbar nichts zu tun. „Sicherheitspolitik“ ist der diplomatische Hintergrund.
Wie ein Professor, der Medizinstudenten Datenbanken erklärt. Deshalb würde ich den aber nur ausgesprochen ungerne mein Hirn operieren lassen.

Am besagten NATO College werden neben Mitarbeitern der Generalstäbe auch zivile Diplomaten unterrichtet, nach meinem Wissensstand gehört Frau Gaub nicht zu den Dozenten.
Solche Menschen muss es geben und der Job ist zu achten. Kein Aber. Sie hat auch schon sehr sympathische Dinge gesagt.
Das Problem daran ist, dass diese Menschen von der Öffentlichkeit als „Militärexperten“ oder „die NATO“ wahrgenommen werden. Das sind sie nicht. Militärisch dürfte ein Carlo Masala von der Bundeswehr-Uni München eine weit größere Expertise haben, obwohl er einen sehr ähnlichen Hintergrund hat.
Die Art und Weise, wie Precht sie befragt hat, hat mir den Eindruck vermittelt, dass er davon entweder null Ahnung hat, oder bewusst den Anschein erwecken will, dass er jemanden von „der NATO“ da hat. Oder beides. Gaub ist aber vor allem Direktorin des Instituts der Europäischen Union für Sicherheitsstudien.

Precht selber ist für mich längst als Dummschwätzer außerhalb des weiten Spektrums, was ich mir noch als Informationsgeber antun muss. Wenn mein Job oder gewisse Fragen mich nicht dazu zwingen, mich mit dem Mann zu beschäftigen.

Precht kommt aus Solingen, zwei Orte weiter. Er entstammt einem zutiefst linken Milieu, das ich gerne als „Alt-68er“ bezeichne. Mutter bei Terre de hommes, als Protest gegen den Vietnamkrieg zwei vietnamesische Adoptivkinder, usw.
Und das sage ich, obwohl ich selber politisch links bin. Deshalb batike ich aber nicht oder mache komische Sachen mit meinen Chakren. Ehrlich gesagt weiß ich nicht einmal, was Chakren sind. Was diese Leute mit ihren Chakren machen, mache ich mit Bier.

Im Juni des vergangenen Jahres sprach Precht einen für mich nachhaltig wirkende Antwort während der von Tilo Jung organisierten Mamut-Diskussionsrunde „Palastrevolution 2023“.
Sinngemäß sagte er, wir hätten die Toleranz als einen unserer Werte definiert, seien aber gegenüber anderen Ländern, die unsere übrigen, demokratischen Werte nicht teilen, nicht tolerant. Und damit befänden wir uns in einem Widerspruch. Wir sollten uns unserer Werte nicht so sicher sein.
Und damit argumentiert Precht ganz genau wie AfD-Wähler, Russland und die Hamas. Nichts weniger. Nur weil er so schön erzählen kann, merkt es keiner.
Der Mann ist übrigens kein Philosoph, sondern Germanist.

Der große Philosoph Karl Popper hat schon 1945 das so genannte Toleranz-Paradoxon beschrieben, das längst etabliert ist.

„Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen.“

Auf gut Deutsch: Wer Schwerter zu Pflugscharen macht, bekommt halt Pflugscharen auf den Kopp.
Entweder, Precht hat nie davon gehört, so selbstsicher wie er das Statement vorgetragen hat. Oder er war nie in der Lage, seinem Milieu des linken Gutmenschentums (ich hasse das Wort inzwischen, hier ist es aber angebracht) zu entwachsen.

Er schlug damals vor, wir sollten eine „multipolare Ordnung, die sich nicht an den westlichen Werten orientiert“ erwarten. Das ist genau das, was Russland und China wollen. Und was die arabische Welt propagiert.
Ein Beispiel: Weil den arabischen Staaten die allgemeinen Menschenrechte nicht gefielen, wurde 1990 einfach die „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“ beschlossen. Die zwar inzwischen überholt wurde, aber der Kern bleibt zwischen wohlfeilen Werten gleich: Die Scharia als alleinige (!) Definition der Menschenrechte. Also nicht nur Hand abhacken und Kopp abschneiden, sondern gefälligst für alle.
Genau das bedeutet „multipolare Ordnung, die sich nicht an den westlichen Werten orientiert“. Wenn wir tolerant sein wollen, haben wir zu akzeptieren, dass andere nicht tolerant sind.
Und das argumentiert Precht. Die an seinen Lippen hängen, merken es nicht. Langsam glaube ich, vielleicht merkt er es nicht einmal selber.

Noch lange zu erklären, dass der Mann von Militär so viel Ahnung hat, wie ich von Füsiek, erübrigt sich bereits an diesem Punkt.
Ich finde es nur einfach immer wieder faszinierend, wie er nonchalant lächelnd mal eben die Ukraine zur Verhandlungsmasse macht, das Völkerrecht außen vor lässt und mögliche Auswirkungen eines russischen Gewinns ignoriert.

Nur bei dem Gedanken, dass dieser Mann nach wie vor für seine im selektiven, die Schmerzgrenze überschreitenden Humanismus falsch abgebogenen Thesen so oft eine Bühne bekommt, wird mir precht.

Argomento Medien und Politik

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