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Israelische Offensive und der Gamechanger – für Dummies

Soldaten der IDF schauen einem Kampfpanzer Merkava nach.

Es findet eine Desinformation und Umdeutung zur gestarteten Offensive Israels statt.
Gehen wir es durch.

In einem längeren Posting schrieb ich gestern beiläufig:

„Zeitgleich berichten alle großen Medien von der angelaufenen israelischen Offensive, ohne zu berichten, was tatsächlich vor sich geht. Die Berichte beruhen ausschließlich auf Äußerungen Israels, der Palästinenser, der UN und anderer. Keine Lagebewertungen, keine Auswertungen, keine Kompetenz.

Das vielleicht alles verändernde Momentum, nämlich dass die IDF sich nicht mehr nach Sichern eines Gebietes zurückziehen will (dafür das benötigte Mehr an Reservisten), wird weder besprochen noch auch nur erwähnt. Vermutlich nicht verstanden oder zu einer dauerhaften Besetzung umgedeutet.“

Daraufhin kamen einige Fragen. Ich habe zurückgefragt.
Dabei wurde mir bewusst, dass viele vielleicht eine völlig falsche Vorstellung davon haben, was im Gazastreifen passiert.

Also zurück zu den Basics. Aus dem Lameng. Aus unserer beliebten Reihe „Komm’a bei misch bei, ich vazell dir dat“.

Der handelsübliche Krieg

In einem „normalen“ Krieg erobert man ein Gebiet und besetzt es.

Das bedeutet, eine Seite zieht sich zurück, die andere rückt nach, sichert das Gelände und bezieht dort erneut Stellung. Ein Haus, ein Dorf, eine Stadt, ein Tal, eine Halbinsel. Es wird „eingenommen“. Gräben graben, MG-Nest einrichten, Straßen sperren.
Das ist das, was beispielsweise im zweiten Weltkrieg passiert ist und derzeit in der Ukraine passiert.

Bachmut wurde über Wochen hinweg umkämpft, bis die Russen die Ukrainer endlich so weit zurückgedrängt hatten, dass sie die Stadt erobert hatten. Oder den Haufen Bauschutt, der übrig war.

Die Begriffe „Sichern“, „Einnehmen“, „Kontrollieren“ und „Besetzen“ werden synonym verwendet. Taktiker haben dafür genauere Begriffe.

Besetzen oder besetzen?

Dieses „Besetzen“ hat militärisch einen anderen Bedeutungsinhalt als politisch bzw. juristisch.
Denn das Militär erobert nur Gebiete und hält diese besetzt, damit der Feind nicht wieder dahin zurückkehren kann. Wenn der Krieg beendet ist, interessiert es das Militär nicht weiter.

Eine Besetzung im politischen bzw. juristischen Sinne bedeutet, dass ein Gebiet dauerhaft von einem Staat in Besitz genommen wird. (Besitz, nicht Eigentum!) Dazu gehört auch, dass er Regierungsaufgaben, wie beispielsweise die Polizei oder die Gerichtsbarkeit, übernimmt.

Erst da greift auch das Völkerrecht, das so etwas sehr genau reguliert. Mit einer Militäreinheit zunächst in einem eroberten Gebiet zu bleiben ist nicht reguliert. Das ist üblicher und zulässiger Teil des Krieges.

Israel hat nicht besetzt

Israel hat das im Gazastreifen bisher nicht getan. Weder das eine, noch das andere.

Hinweis: Die Argumentation der UN und anderer, Israel hielte den Gazastreifen „besetzt“, kommt vor allem daher, dass die palästinensischen Autonomiegebiete als staatliche Entität angesehen werden. Was sie seit dem Bürgerkrieg 2006 aber nicht mehr sind. Seit Anfang 2006 war kein Israeli mehr im Gazastreifen.
Hier geht es um den Krieg.

Mit Beginn der Bodenoffensive sind die Einheiten in den Gazastreifen, haben dort gekämpft und haben sich dann wieder zurückgezogen. Weder sind sie dortgeblieben, noch haben sie das Gelände dauerhaft gesichert.

Das hat zu vielen Problemen geführt.
Beispielsweise wurde ein Gebäude im Süden von Gaza-Stadt bekämpft und „erobert“. Am nächsten Tag kam ein Zug zurück, um den Tunneleingang im Gebäude zu sprengen. Die Hamas war jedoch zurückgekehrt und hat nun den Zug bekämpft, der große Mengen Sprengstoff bei sich hatte. Alle Israelis wurden getötet.

Ebenso im Juni 2024, als ein Konvoi bei Tel Sultan durch ein Gebiet fuhr, dass die IDF (Israeli Defence Forces) am Tag zuvor unter ihre Kontrolle gebracht hatten. Der Konvoi wurde angegriffen, ein Fahrzeug explodierte, acht israelische Soldaten kamen ums Leben.

Dieses grundsätzliche Problem hat später dazu geführt, dass Israel nach der Waffenruhe gesagt hat, nun seien genug Lebensmittel im Gazastreifen und man blockiere die Hilfslieferungen (…gemäß Genfer Konventionen „IV“, Art. 23). Weil die Hamas sich immer wieder versteckt und dann zurückkehrt.

Die Schlacht am Hamburger Hill wurde während des Vietnamkrieges bekannt. Der Hügel 937 bekam seinen Namen von den Soldaten, da dort Hackfleisch aus ihnen wurde.
Innerhalb einer größeren Offensive stürmten die Marines zehn Tage lang immer wieder den Hügel und mussten schwere Verluste hinnehmen. Wenn sie oben ankamen, war keiner mehr da. Sie gingen wieder runter, wurden beschossen, und das Spiel begann von vorne. Über 630 amerikanische Soldaten verloren so ihr Leben.
Das Paradebeispiel für ein so genanntes Verzögerungsgefecht.

Amerikanische Soldaten in einer Kraterlandschaft am Hamburger Hill.

Begründete Dummheit

Das hört sich erstmal ziemlich so an, als ob da irgendwer in der Planung ziemlich blöde war. (Was ich übrigens auch so sehe, da ich als ehemaliger Unteroffizier ja zu denen gehören würde, die dort verheizt würden. Is so ein Prinzipiending.)
Taktisch und Strategisch kann es dafür aber Gründe geben.

Zur Erinnerung:
Der Gazastreifen ist kleiner als Köln. Etwa so groß wie Schwedt an der Oder.
Nie von gehört? Das sagt alles.
In der Länge 40km, gäbe es eine Autobahn, wäre man in 20 Minuten durch. An der breitesten Stelle 14km.
Er ist aber sehr dicht besiedelt, denn dort leben mehr Menschen als in Hamburg.

Das bedeutet, das ist fast alles Häuserkampf.
Für ein normales Gefecht auf dem Acker benötigt der Angreifer eine Überlegenheit von etwa 2 zu 1.
In einem Verzögerungsgefecht, also wenn der Verteidiger absichtlich Raum gibt, und sich in eine bessere Position zurückzieht, benötigt man schon eine Überlegenheit von etwa 5 zu 1.
Im Häuserkampf eine Überlegenheit von 10 zu 1.

Israel hat vor allem eine „Reservisten-Armee“. Die Wehrpflichtigen müssen in der Regel drei Jahre dienen, die meisten bleiben in der Reserve. Deshalb hat Israel 170.000 aktive Soldaten, aber fast 500.000 Reservisten. Ein wehrhaftes Völkchen.

Jetzt kommt ein großes Aber:
Israel hat nur 10 Millionen Einwohner. Weniger, als in Baden-Württemberg leben, etwas mehr als die Hälfte von Nordrhein-Westfahlen. Und weniger, als alleine in Kairo leben.

Das bedeutet, dass jeder Reservist, der eingesetzt wird, spürbar in der Wirtschaft fehlt. Hinzu kommen ständige Unterbrechungen durch Fliegeralarm, Aufwand um Schäden durch Raketen zu reparieren, usw.
Laut einiger Zahlen ist die israelische Wirtschaft 2024 um etwa ein Viertel eingebrochen.

Israel hat also zwar grundsätzlich die Möglichkeit den Gazastreifen militärisch zu besetzen. Also wie in einem „normalen“ Krieg nach und nach Gebiet zu erobern und zu halten. Aber es würde Israel sehr viel kosten.

Das ist der Grund, warum beispielsweise das Al-Schifa-Krankenhaus, groß wie ein ganzes Viertel, mehrfach von den IDF eingenommen wurde. Und Brutkästen dahin gekarrt wurden und Patienten nach Ägypten und Israel verlegt wurden. Und warum insgesamt vier- oder fünfmal auf das Al-Ahli-Krankenhaus gefeuert wurde und es immer noch im Betrieb ist.

Der Normalsterbliche muss sich fragen: Irgendwann sind doch keine Krankenhäuser mehr übrig, oder? (Was wiederum zur Propaganda genutzt wird.)

Foto: Angriff auf das Europäische Krankenhaus. Der Bodeneinbruch zeigt deutlich, dass Bunkerbrecher etwas unter der Erde getroffen haben. Bei dem Angriff wurde vermutlich Mohammed Sinwar getötet, Kommandeur der Hamas und Bruder des getöteten Yahya Sinwar (Si apre in una nuova finestra). 13.05.2025

Absichtliches Indielängeziehen?

Das sehe ich als primären Grund, warum Israel sich immer wieder zurückgezogen hat.

Die Zahl der Soldaten, die im Gazastreifen eingesetzt sind, wird mit etwa 160.000 angegeben. Also fast die kompletten aktiven Streitkräfte.
Aber das sind ja nicht die Soldaten, die tatsächlich am Boden da rein gehen! Das sind auch Logistiker, Militärpolizei, die Luftwaffe, die Flugabwehr und so weiter. Menschen also, die auch gegen die Angriffe der Houthi und aus dem Libanon im Einsatz sind, bei der Marine zur Sicherung oder gegen den Iran eingesetzt werden. Und Reservisten, die so häufig nach Hause fahren, dass deutschen Afghanistan-Veteranen Tränen kommen.
In modernen Streitkräften ist der Anteil der tatsächlichen Kampfeinheiten zum Rest etwa 1 zu 4.

Deshalb verziehe ich immer das Gesicht, wenn jemand schreibt, Israel hätte „das beste“ Militär der Welt. Oder „das stärkste“, „das größte“, usw.
Die spielen insgesamt in einer hohen Liga. Durch den Ausbildungsstand und die Ausrüstung. Aber alleine Deutschland hat das Achtfache an Einwohnern und kommt – selbst jetzt – auf fast eine Millionen Reservisten. Wiederhole: Selbst jetzt.
Relationen, so wichtig.

Und deshalb habe ich es von Anfang an für dumm gehalten, sich immer wieder zurückzuziehen. Es kostet im Zweifelsfall Menschenleben.
Aber es gibt nun einmal gute Gründe, die nur absolute Insider und Experten beurteilen können. Und die treten weder im Fernsehen auf, noch sind es Journalisten.
Das maße ich mir nicht an. Und es sollte auch kein anderer, der nicht zu einem sehr kleinen Kreis Erlauchter gehört. Denn das ist etwas, was die Politik vorgibt. Ginge es nach den Militärs, wäre die Sache sehr sicher längst beendet.

Nur um eine Relation zu geben (wir sind ja hier aus dem Lameng): Ich glaube, ein US-Flugzeugträger mit Begleitschiffen und ein Landungsschiff mit Marines und der Gazastreifen wäre längst die Riviera, die Trump gesehen hat.
Soweit zu den Superlativen, die ständig zu diesem Kleinkrieg kolportiert werden.

Den Vorwurf, die Rechtsaußen-Regierung Israels würde den Krieg hinauszögern um Zeit zu gewinnen, kann ich nicht nachvollziehen. Jenen, die das anbringen, fehlt zumeist die Kompetenz.
Aber ich lasse ihn als diskussionswürdig gelten. Kann man drüber streiten.
Dieser Punkt dürfte sich mit der neuen Offensive nun aber klären.

Die Offensive

Israel hat nun angekündigt, eroberte Gebiete zu besetzen.
Deshalb hat es mehr Reservisten zu den Waffen gerufen. Und das kann ein „Gamechanger“ werden.
Kann, nicht muss.

Israelische Reservisten bei der Vorbereitung der Offensive.

Foto: Israelische Reservisten bei der Vorbereitung der Offensive. (18.05.2025)

Das ist schwer zu beurteilen. Umso mehr, da die Medien erneut Arbeitsverweigerung betreiben. Denn um Aussagen israelischer Politiker, der IDF und der Hamas wiederzukäuen, braucht man 2025 keine Medien mehr. Da reicht sowas wie mein Blog, und selbst das ist mir persönlich schon zu blöde.

Kommen wir also auf den Anfang zurück.
In meinen Augen wird hier von den Journalisten und den Propagandisten das militärische Besetzen mit dem politischen Besetzen a priori gleichgesetzt. Und von der UN. Denn von einer dauerhaften, also juristischen und politischen Besetzung, haben Israel und die IDF nix gesagt.
Heute erklärte Netanjahu noch, die „Kontrolle“ übernehmen zu wollen. Was ich als militärisches Besetzen deute.

Ausgenommen natürlich die Rechtsextremisten im Kabinett, vor allem Ben-Gvir und Smotrich. Die haben sehr eindeutig von einer dauerhaften Besetzung und sogar von Siedlern gesprochen.
Aber die poltern seit Beginn des Krieges herum.
Mein Job ist die militärische Beurteilung. Und für die haben diese eindeutig rechtsextremen Kräfte in der Regierung bisher keine erkennbare Auswirkungen gehabt.

Wenn Smotrich etwas zum Krieg raushaut, ist das in meiner Wahrnehmung vergleichbar damit, als würde die Ministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen Verena Hubertz von der SPD etwas zur Lieferung von Taurus erzählen.

Diese Regierung besteht übrigens aus sieben (!) Parteien. Die Netanjahu zum Machterhalt unter einen Hut bringen muss. Schert nur eine aus, zerbricht die Regierung. Unsere Ampel mit drei Parteien ist schon eher mäßig gelaufen.
Man kann Netanjahu einiges vorwerfen, aber Jonglieren kann er.
(Muss ich noch erklären, dass ich die Regierung im demokratischen Rahmen scheiße finde, oder reicht das?)

Es ist zulässig, vor einer dauerhaften Besatzung zu warnen oder das zu verurteilen. Mir persönlich ist es inzwischen gleich. Da ich zwar eigentlich für eine Zweistaatenlösung bin, aber inzwischen jegliche Hoffnung auf eine Staatenbildung durch die Palästinenser verloren habe. Die dafür zwingend notwendig ist.

Aber wenn man diese militärischen Grundlagen nicht kennt, ist man sicher überfordert. Verständlicherweise.
Für mich persönlich wird erst eine dauerhafte Besetzung daraus, wenn Israel beginnt, auch dauerhaft Regierungsaufgaben im Gazastreifen zu übernehmen, ohne zu erklären, wie es weitergeht. Aber das kann noch Monate hin sein.
Alles andere ist Alarmismus.

Daher sehe ich nicht nur viele der Aussagen von Journalisten, die das nicht erklären und vielleicht gar nicht verstehen, ebenso als Propaganda, wie die Aussagen vieler Social Media Kommentatoren.

Heute Morgen hat Netanjahu verkündet, dass wieder Hilfslieferungen in den Gazastreifen gelassen werden. Nach massiven Protesten aus der eigenen Regierung hat er erklärt, dass sei auf Druck von Verbündeten passiert.

Es wird Frühling in Gaza.

Aufsteigender Rauch einer Bombe hinterm Horizont vor einem Feld Sonnenblumen.
Argomento Krieg

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