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Studentenproteste in den USA

UCLA Protesters

Leider habe ich inzwischen so viel Durcheinander und Falschaussagen zu den Studentenprotesten in den USA gelesen, dass ich mich dazu zumindest kurz äußern möchte.

Ursache dafür ist sicher die eher oberflächliche Berichterstattung. Die ich den Nachrichtenmedien aber nicht anlasten möchte!
Die Situation ist so durcheinander und vielschichtig, dass man dafür weit mehr berichten und erklären müsste, als ein deutsches Nachrichtenmedium das überhaupt sinnvoll kann.
Die Washington Post und die New York Times haben dazu inzwischen einen Live-Ticker ganz oben auf ihren Seiten. Und selbst die können nur Schlaglichter melden.

Columbia

Fahrt aufgenommen haben die Proteste, die inzwischen im gesamten Land stattfinden, durch ein Protest-Camp an der Columbia.
Und da kommt es bereits zu vielen Fehleinschätzungen.

Die Columbia ist eine Elite-Uni, sie gehört zur so genannten Ivy League.
Und sie ist ein Wirtschaftsunternehmen. Wie die meisten dieser hochrangigen Unis.
Die Columbia mitten in Manhattan ist im Privatbesitz. Es ist ein Dienstleiser. Die Studenten bezahlen über 50.000 $ pro Jahr, um dort studieren zu dürfen.

Und das bedeutet wiederum, dass das Gelände und die Gebäude der Universität Privatbesitz sind.
Wenn dort also Studenten zelten wollen, ist das einzig ein Problem der Uni und der Studenten. Die Polizei bzw. der Staat haben gar kein Recht, da einfach einzumarschieren. So lange keine Straftaten begangen werden, natürlich.
Umgekehrt bedeutet das aber, dass die Unis um Hilfe bitten können. Und deshalb sollte man mit Sprüchen wie „Das muss eine Demokratie aushalten“ vorsichtig sein. Die Demokratie muss viel aushalten können, aber bitte nicht in meinem Wohnzimmer.

Aber das war am Anfang wohl nicht der Fall. Ob einem die Bilder gefallen oder nicht.
Sogar die Forderungen der Studenten waren am Anfang vergleichsweise vernünftig. Nämlich ein Waffenstillstand im Gaza-Streifen. Und die Forderung an die Uni, die auch als Investor tätig ist, geschäftliche Verbindungen zu Israel zu kappen.
Was aus Sicht eines Studenten, des Kunden eines teuren Dienstleisters, eine durchaus akzeptable Forderung ist.

Viele dieser Studenten würden von anderen Unis mit Kusshand genommen werden. Und das wissen die. Weil sie sich im US-Schulsystem lange dafür den Hintern aufgerissen haben, eine Zulassung zu bekommen. Das Problem ist vielleicht aus Filmen und Serien bekannt.
Man muss also sehr vorsichtig damit sein, deutsche Erfahrungen und Umstände zur Meinungsbildung heranzuziehen.

Die Ausweitung

Etwas mehr zur Sache ging es dann in Austin. Weil… Na ja, Texas.
Texas ist auch in den USA für eine Law & Order Haltung bekannt. Und da ist auch die Polizei meines Wissens zum ersten Mal richtig reingegangen.
Die Polizei veröffentlichte nach dem ersten Einsatz, dass viele der festgenommenen Protestler wohl gar keine Studenten der Uni sind.

So haben die Proteste sich weiter hochgeschaukelt.
Und wie das weltweit nun einmal so ist, nutzen das dann diejenigen, die eh auf Krawall gebürstet sind. Auf mehreren Bildern waren Graffiti mit ACAB zu lesen (All Cops Are Bastards, Alle Bullen sind Bastarde), was ja nun nichts mehr mit Palästina zu tun hat.
An der Columbia wurde dann auch ein Gebäude besetzt und verbarrikadiert. Das ist inzwischen geräumt, dafür ist die Bibliothek in Portland besetzt.

Das nächste Problem ergibt sich auch aus der privatwirtschaftlichen Stellung. Denn einige Unis haben Präsenzveranstaltungen, also Vorlesungen, abgesagt. Zur Sicherheit für alle Studenten.
Was in Deutschland eher zu einem Schulterzucken führt, ist in den USA mehr als eine Schlagzeile wert. Denn die Studenten bezahlen ja dafür.

Beispielsweise wurde sogar einem jüdischen Professor an der Columbia von der Uni-Leitung der Zutritt verwehrt, was zu einem riesigen Aufschrei geführt hat. Diese Universitäten stehen also vor einem noch größeren Dilemma. Sie könnten theoretisch von Studenten dafür verklagt werden.

Screenshot: Washington Post, heute, 14:45h deutscher Zeit.

„I love L.A.“

Inzwischen haben aber auch die Proteste an der UCLA an Fahrt aufgenommen. Und als das gemeldet wurde, wusste ich, dass das böse werden kann.

Denn Los Angeles ist – sagen wir mal hemdsärmelig – näher an Gewalt gebaut. Und so sind auch die Studenten da wohl sehr viel radikaler unterwegs. Falls das denn alles Studenten sind.
So haben am Dienstagabend einige pro-israelische Gegenprotestler, die sich inzwischen überall in den USA sammeln, einen kleinen Teil der Proteste gestürmt und die pro-palästinensischen Protestler verdroschen.
Die haben sich dann wiederum beschwert, dass die Uni und die Polizei sie nicht davor geschützt hat.

Foto: Ein pro-Israel-Gegeprotestler provoziert

Durch die Riots in L.A. 1992 ist die Polizei aber auf so etwas besser vorbereitet. Und vielleicht auch etwas rigoroser unterwegs. Und da kommt jetzt wiederum der Status zum Tragen: Die UCLA ist eine öffentliche Uni.
Die University of California ist ein System von Unis, die Niederlassungen u.a. in L.A., Berkeley, San Franzisco, San Diego und so weiter hat. Zusätzlich gibt es noch die California State.
Die UCLA gehört zu den „Public Ivy“, den exzellenten öffentlichen Unis.

Öffentliche Unis

Und das bedeutet nicht nur, dass es an diesen Unis nicht einfach im Ermessen der Uni-Leitung liegt, ob der Staat oder gar die USA auf Bundesebene dort einschreiten. Die University of California gehört auch nicht Kalifornien, sondern den USA.
Es kann dann auch eher handfester werden. Wie in Austin.

Das Ganze sorgt in den USA deshalb für so großes Aufsehen, weil sie da ein Trauma haben.
Denn die Studentenproteste gegen den Vietnamkrieg prallten 1970 auf die sehr konservative Bundesregierung unter Nixon.
Und so setzte der Staat Ohio gegen die Studenten der ebenfalls öffentlichen Kent State University seine Nationalgarde ein. Die gezielt und scharf in die Menge schoss und vier Studenten tötete.

Das war eines von vielen Vorkommnissen, die auch in Europa die Proteste angeheizt haben. Und bis heute bei vielen, die sich als Linke sehen, zu einer verhärteten Einstellung geführt haben. Die wir dann wiederum bei Auswüchsen von Wagenknecht-Friedensdemos bis zu Palästinenser-Protesten in Berlin bewundern dürfen. Die USA wurden als imperialistisch geframed, obwohl sie die Definitionen für Imperialismus heute gar nicht mehr wirklich erfüllen.

Dass sogar das FBI klar die Schuld für das Kent-Massaker der Nationalgarde von Ohio gegeben hat spielte ebenso wenig eine Rolle, wie der spätere Rücktritt von Nixon. Der ja noch weit mehr Scheiße gebaut hat. Dafür habe ich keine andere Formulierung, tut mir nicht leid. (Watergate, Kambodscha, etc.)

Redefreiheit

Und ein letzter Aspekt ist erwähnenswert.
Bei diesen Protesten wurden und werden eindeutig antisemitische und antizionistische Parolen geschrien, plakatiert und gesprüht. Und das führt derzeit zu einer großen Debatte.

Festzumachen an dem Slogan „From the River to the Sea“, der - eindeutig und sowohl von Islamforschern als auch von Hamas, PLO und Fatah selber bestätigt - für die Auslöschung Israels steht.
In den USA gibt es jedoch die Freedom of Speech, die Redefreiheit. Man darf dort alles sagen, nur nicht direkt zu Straftaten auffordern. Das wird hierzulande ganz gerne von einigen Protagonisten mit unserer Meinungsfreiheit verwechselt, aber das wäre ein anderes Thema.

Nun beginnt eine Gegenbewegung, die solche Äußerungen juristisch in Frage stellt. Was wiederum von vielen abgelehnt wird. Vor allem mit der Begründung, dadurch soll Protest am Vorgehen Israels zum Schweigen gebracht werden.
Es kann aber dazu führen, dass die Redefreiheit juristisch und politisch in Frage gestellt wird.
Ganz persönlich gehe ich aber derzeit nicht davon aus, dass sie da viel tun wird.

…wenn die erste Nationalgarde anrückt

Diejenigen, die diese Proteste gut finden, stehen allerdings vor einem Dilemma. Denn nachdem sie ja nun die Israelpolitik der Demokraten doof finden, hat Trump die Protestler heute auch noch als „linksradikale Irre“ bezeichnet, die gestoppt werden müssten.
Viel politische Alternative bleibt da nicht. Außer „dagegen“.

Die einzelnen Vorgänge an den Unis sind sicher spannend. Und laden zum digitalen Event-Gaffen ein. Im Großen und Ganzen sind sie aber eher unbedeutend.

Ganz persönlich denke ich, es ist ein wüstes Medley aus verschiedenen Motiven.
Die einen sind Studenten, die vernünftig demonstrieren wollen. Die nächsten sind diejenigen, die vom hormonellen Krawallwunsch der Jugend angeheizt werden. Mit Protest hat der Tag Struktur, egal gegen was. Die nächsten sind tatsächliche Antisemiten, die sich das zu Nutze machen.
Und einige Professorinnen stellen sich dazwischen und jammern dann öffentlich, wenn sie verhaftet werden. Auch geschenkt.

Ich glaube – und es ist nur ein Glauben – dass viele dieser Leute ganz einfach doof sind, weil sie überhaupt nicht wissen oder verstehen, was seit 100 Jahren tatsächlich in der Region abgeht. Das zeigen auch Interviews immer wieder. Studenten von Elite-Unis, die weniger über die Welt wissen, als ein deutsches Mehrkornbrötchen.
Und genau wie alle Ungebildeten sind sie natürlich ein Kelch, in den Propagandisten und Populisten leicht das füllen können, was sie für ihre Zwecke wollen.

Ich selber verfolge es, aber eher mit einem Schmunzeln.
Aufmerksam werde ich, wenn das erste Gebäude brennt oder die erste Nationalgarde anrückt. Drunter mach ich es nicht.

Ich kann nur dazu raten, mit Meinungen, Zuweisungen und Einschätzungen aus einem deutschen Erlebnishorizont vorsichtig zu sein.

Während ich dies geschrieben habe, wurde gemeldet, dass die UCLA geräumt wurde. Die Protestler aber wiederkommen wollen.

Argomento Medien und Politik

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