MDR-Faktencheck: Und wieder Taurus
Der heute Morgen veröffentlichte Faktencheck des MDR zeigt exemplarisch, was an der Taurus Debatte schiefläuft.
Es findet von allen Seiten eine Desinformation statt. Je nachdem, welcher Standpunkt vertreten wird.
Der MDR vertritt offenbar den Standpunkt, dass die Menschen blöde sind.
Geschrieben hat den überraschend kurzen Faktencheck „Taurus-Marschflugkörper müssen nicht von Bundeswehr bedient werden“ Juliane Neubauer.
Die freie Reporterin und Podcasterin ist laut MDR vor allem bei „gesellschaftspolitische Themen, mit besonderem Blick auf Familien, Frauen und Nachhaltigkeit“ aktiv. Darüber hinaus hat sie „viele Jahre als Musikjournalistin gearbeitet“.
Sie checkt zwei Aussagen von Alice Weidel.
Dafür zitiert sie Fabian Hoffmann, den sie lediglich als „Waffenexperten“ vorstellt. Ob das Gespräch tatsächlich für diesen Faktencheck geführt wurde, bleibt unklar.
Die deutsche Bedienung
Weidel sagte: „Taurus kann nicht bedient werden von irgendwelchen Ukrainern. Deutsche Soldaten müssten zur Ertüchtigung von Taurus in die Ukraine geschickt werden.“
Hoffmann wird zitiert: „Ich glaube, die Leute, die behaupten, der Taurus könnte nur von Deutschen Soldaten bedient werden, gucken nur auf die Ukraine. Ich glaube, sehr oft haben die überhaupt keine Ahnung, dass dieses Waffensystem auch in andere Drittländer exportiert wurde – wie Spanien und Südkorea.“
Neubauer fügt an: „Laut Hoffmann ergibt es keinen Sinn, dass ein Militär ein Waffensystem kauft, dass ein anderes Militär bedienen muss.“
Hinweis: Schweden hat ebenfalls Taurus, die haben das System mit entwickelt.
Ich erkläre es – zum gefühlt dreihundertsten Male, so einfach es geht:
Taurus ist ein System. Nicht nur die „Raketen“. (i.e. Marschflugkörpern)
Das System besteht aus:
„Raketen“
Computer und Software zum Eingeben der Flugdaten
Spezialisten zum Eingeben der Flugdaten
Daten
Diese Daten sind nicht einfach Landkarten. Grundlage ist ein dreidimensionales Geländeabbild. Zusätzlich werden feindliche Abwehrstellungen eingegeben, die die „Rakete“ über-, unter- oder umfliegt.
Das bedeutet, dass die Aussage von Alice Weidel schlicht falsch ist.
Das bedeutet aber auch, dass es zwei Möglichkeiten gibt.
Entweder, Deutschland gibt das ganze System ab, inklusive der immateriellen, geheimen Komponenten. Wie die Software für die Eingabe. Woher die Daten dann kommen sollen, sagt niemand. (Die Abgabe der Daten zur Flugplanung wäre eine Angriffsvorbereitung und damit eine aktive Hilfe.)
Oder es müssten eben doch deutsche Soldaten machen.
Ich bin sicher Fabian Hoffmann, übrigens Doktorand an der Uni Oslo, hat Frau Neubauer nur gesagt, was sie hören wollte. Oder sie hat nur geschrieben, was sie für relevant hielt. Falls das Gespräch überhaupt für diesen Beitrag stattgefunden hat.
Denn ich kenne solche Interviews. Ich habe selber mehrere gegeben und kenne diese journalistische Arbeit. Hintergründe, die für Fachleute relevant sind, fliegen raus. Ich habe schon dpa-Korrespondenten mitten in Pressekonferenzen aufspringen sehen, nachdem sie vorher zu spät gekommen sind. Es interessiert nur, was man als Produkt, also Beitrag, verwerten kann.
Taurus und Moskau
Weidel sagte: „Taurus erreicht Moskau. Das wäre die rote Linie für Putin.“
Hoffman wird zitiert: „Selbst wenn die Reichweite tatsächlich 700 Kilometer wäre, dann müsste man diesen Taurus direkt an der Grenze zwischen der Ukraine und Russland abschießen. Das geht aber faktisch nicht.“
Neubauer fügt an: „Aktuell schießen die Ukraine ähnliche Marschflugkörper, wie zum Beispiel die britische Storm Shadow, mehr als 100 Kilometer hinter der Grenze ab.“ (vermutlich Aussage Hoffmanns)
Das ist in seiner Absolutheit schlicht falsch.
Ein Krieg ist dynamisch. Beispielsweise könnte die Ukraine in Wellen fliegen, so wie Israel es jüngst vorgemacht hat. In einer Welle werden Flugabwehrsysteme Russlands ausgeschaltet, in einer späteren Welle kommen Drohnen – über die die Ukraine verfügt und die bereits mehrfach Moskau erreicht haben – um die Flugabwehr zu überfordern und einige Flugzeuge mit Marschflugkörpern.
Die Entfernung der ukrainischen Grenze bis Moskau beträgt etwa 500km, sie müssten also nicht weit nach Russland rein, wenn überhaupt. Sind die Taurus abgesetzt, hätte Russland keine Möglichkeit mehr, sie abzufangen. Vermutlich würde Russland nicht einmal alle sehen.
Die Aussage Weidels ist Mumpitz, da Putins rote Linien ein völlig anderes Thema sind. Es ist die übliche Angstmacherei. Als wenn Russland dafür die NATO angreifen würde.
Die Aussage, dass Taurus Moskau erreichen könnten, ist aber eher richtig. Zumindest theoretisch.
Auch wenn der Einsatz absolut keinen Sinn ergibt.
Warum er aus meiner Sicht keinen Sinn ergibt, habe ich bereits ausführlich erklärt. (hier… (Si apre in una nuova finestra))
Das kommt dabei heraus, wenn der MDR eine Gesellschaftspolitik- und Musik-Journalistin über Krieg schreiben lässt. Deren ausschließlicher Job scheinbar darin besteht, andere zu befragen und daraus einen kürzeren Text zusammenzuschrauben, als diesen Beitrag. Und Menschen mit weniger Medienkompetenz oder Fachwissen merken es nicht.