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Über die Magie von Milchreis

Milchreis ist süß und weiß und warm und weich. Wie eine Wolke aus Muttermilch. Wie ein kleines Schaf aus Vanille. Wie etwas, das ich ganz dringend dann brauche, wenn ich zu lange über scharfe und harte Dinge nachgedacht habe.

Ich habe nichts dagegen, mich an meinen Gedanken zu schneiden. Stahl und Feuer im Kopf sind besser als Watte. Ein mit klingengleichen Schwungfedern beflügelter Geist trägt weiter als einer umhüllt mit Kükenflaum.

Aber wenn man zu lange in eisiger Klarheit unterwegs ist, wenn man aus Versehen in den Spiegel schaut, und eine einzelne blutrote Träne auf einer blassen Wange kleben sieht, wenn an dem Horizont, an dem die Sonne stehen sollte, Dunkelheit aufzieht, dann weiß man, dass man zu weit und zu lang dort war, wo es schön ist, aber weh tut.

Dann ist es an der Zeit, den Körper mit kuscheligen Stoffen zu umhüllen und, am allerwichtigsten, Milchreis zu kochen.

Neulich habe ich mich in einer Geschichte verirrt. Nicht nur ein vom Weg abkommen und etwas durch die Wildnis streifen, sondern so, dass ich irgendwann nicht einmal mehr wusste, wo sondern sogar wer ich bin.

Da waren glänzende Schuppen auf meinem Rücken und ein Huf an meinem Fuß, und wenn ich mit der Hand über meine Kopfhaut fuhr, spürte ich zwei Hörner, die darauf drängten, hindurch zu brechen.

Die Farbe meiner Augen konnte sich nicht entscheiden und wechselte zwischen Himmelgrau, Purpurbraun und Kerzengrün. Außerdem war ich mir sicher, dass es natürlicher sei, auf vier anstatt auf zwei Beinen zu gehen.

Dabei führte die Geschichte mich unterdessen dahin, wo es beinahe zu kalt zum Atmen war, dahin, wo es begann, leichter zu werden, immer weiter zu gehen anstatt umzukehren, und das ist allgemein nicht ungefährlich.

Zum Glück gibt es eine kleine Türe, die jemand für mich offenhält ohne es zu ahnen, eine Türe, die ich stets wiederfinde, egal, wie weit ich in der wirren Irre verloren gehe. So auch diesmal. Aber die Kälte hatte mir alle Sätze und noch mehr geraubt, und meine Nase war so rot gefroren, als hätte der Winter selbst mir einen Kuss drauf gepresst.

Also tat ich das einzige, was dazu führen würde, wieder wenigstens beinahe ein Mensch zu werden: Ich kochte Milchreis.

Im größten aller Töpfe, den ich zu finden vermochte. Mit Fingern, die zitterten.

Zuerst wirbelten die Reiskörner wütend durcheinander, hart und klein und kalt, wie meine Gedanken.

Dann begann die Hitze, sie träge und weich zu kochen. Der Duft nach Erde und Zuhause und Vanille steigt auf, und erinnert mich wieder daran, wer ich bin.

Die Milch lief über, weil sie das immer tut, wenn ich Milchreis mache, egal, was ich dagegen unternehme, und jetzt wird der Geruch schärfer und trägt Feuer in sich, und alles blubbert und zischt und sprudelt. Das ist die Phase, in der es kurz noch einmal laut und wirr wird, bevor die süße Stille einkehrt, und alles auf einmal weich und weiß und warm ist. Wie eine Wolke aus Muttermilch. Wie ein kleines Schaf aus Vanille.

Spätestens als ich mich mit meiner Schüssel auf den Boden setzte, denn Milchreis darf man niemals an einem Tisch essen, spätestens als ich den großen Löffel in den dicken, zimtbestreuten Berg schob, wusste ich wieder, wo meine Hände hingehörten.

Und nach dem ersten Löffel wurden auch meine Gedanken wieder weich und freundlich und trollten sich zum Spielen. Mit leerem Kopf und vollem Bauch kann man sich nicht verirren. Man schläft einfach irgendwann ein und seufzt vielleicht nur einmal kurz wohlig in einem schnuckeligen Traum.

Das ist die Magie von Milchreis.

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