wie es dazu gekommen ist, dass ich mit 22 pflegende Angehörige geworden bin
Hallo, mein Name ist Darlene (kurz Dalli), ich bin 28 Jahre alt und pflege seit dem 04.01.2018 meinen Vater.
Ich möchte euch heute erzählen, wie es dazu gekommen ist, dass ich mit 22 pflegende Angehörige geworden bin und wie mein Leben so aussieht.
Alles Begann bereits im August 2016, meine Eltern waren gemeinsam im Urlaub und mein Vater hatte stark schmerzende Füße. Sie schrieben mir und haben mich gebeten, einen Termin beim Orthopäden auszumachen. Gesagt, getan und so begann der lange Weg, auf der Suche nach einer Diagnose, bis heute ohne Erfolg!
Die Symptome von meinem Vater (heute 55 Jahre alt) wurden schleichend immer mehr und vielseitiger. So fuhr meine Mutter mit ihm zum Internisten, Orthopäden, Neurologe, Rheumatologe, Endokrinologe und in die Leberambulanz. Doch jeder Arzt sagte das gleiche „so etwas habe ich noch nie gesehen“
Ich beendete im August 2017 meine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin und zog im Oktober aus. Zum Januar wollte ich den Job wechseln, ein neues Aufgabengebiet in meinem Job kennenlernen, doch alles kam anders als erwartet…
Am 03.01.2018 hab ich meinen ersten Tag in meinem neuen Job gehabt, alles lief gut. Mein Vater schrieb mir abends, dass ich bitte anrufen soll wenn ich Zuhause bin. Ich rief an, er sagte mir, dass es Mama am Abend nicht gut gegangen ist, sie hätte Kreislaufprobleme gehabt und sich übergeben. Ich fragte, ob ich vorbeikommen soll, aber Papa sagte „nein, brauchst du nicht. Der Arzt war da, es ist alles ok und sie hat was gegen die Übelkeit bekommen“. Er machte ihr abends noch eine Wärmflasche, auf die Frage, ob mein Vater ihr den Tee richten soll für den nächsten Tag, antwortete sie „nein, brauchst du nicht, kann ich morgen ja auch noch machen“.
Hat sie geahnt, was in dieser Nacht passiert? Ich weiß es nicht…
Und während ich diese Zeilen hier schreibe, läuft mir eine Träne die Wange hinunter, ich habe einen Kloß im Hals, lese die letzten Nachrichten die Mama und ich uns geschrieben habe und vermisse sie einfach so unglaublich…
Am 04.01.2018 rief mich gegen 10 Uhr mein Opa an und teilte mir mit, dass Mama verstorben ist… Eine Welt brach zusammen… ich meldete mich auf der Arbeit krank, sagte Verabredungen ab und schrieb meinem Vater „… holt mich ab und fahrt mich zu euch ich komme mit Sack und Pack“.
So packte ich meine Koffer, brachte meine Katze in ihre Transportbox und wartete darauf abgeholt zu werden. Das war die letzte Nacht in meiner Wohnung und die darauffolgenden die erste Nacht in meinem neuen Leben, als pflegende Angehörige.
Mir geht es gut als pflegende Angehörige. Ich habe mich damals bewusst dazu entschieden, habe keine 5 Minuten darüber Nachgedacht wieder Zuhause einzuziehen. Mein Vater überlegte länger, zu dem Zeitpunkt ging es ihm gesundheitlich noch wesentlich besser als heute, doch er akzeptierte meinen Entschluss und war gleichzeitig froh drum.
Als Pflegende Angehörige hat man es leider nicht leicht, denn wirklich bezahlt wird man dafür nicht. Natürlich gibt es das Pflegegeld, den „Entlastungsbetrag“, Pflegehilfsmittel und Unterstützung bei Kurzzeitpflegen. Doch am Ende war es das.
Ich persönlich benötige (derzeit) keine Unterstützung durch eine Aufnahme als Kurzzeitpflege, was ich mir wünschen würde, wäre eine angemessene Entlohnung für das was ich leiste.
Stattdessen kümmere ich mich tagsüber um alles was ansteht und teilweise gehe ich Nachts noch in einem Wohn- und Pflegeheim arbeiten. Ich arbeite in Teilzeit, Blockweise, sodass ich dann immer auch mal „längere“ Zeit am Stück „frei“ habe.
Warum das frei in Anführungszeichen steht? Als pflegende Angehörige hat man nie komplett frei. Es stehen immer wieder Dinge an, Arztbesuche, Bürokratie, Medikamente richten, Friseurbesuche und Fußpflege.. Wenn es ihm nicht gut geht kommt noch Blutdruck, Blutzucker und Sauerstoffsättigung messen dazu, immer in der Hoffnung, den Auslöser zu finden, warum es ihm plötzlich nicht gut geht. Zusätzlich stehen natürlich noch die „normalen“ Dinge an, der Haushalt muss gemacht werden, die Wäsche gewaschen, Freundschaften gepflegt werden, ach und essen müssen wir natürlich auch.
Wir haben mittlerweile schon mehrere Räume renoviert und umgebaut, sodass die Selbstständigkeit von meinem Vater erhalten werden kann. So hat er ein Bett bekommen, von dem er alleine aufstehen kann, das Bad wurde umgebaut, dass in der Dusche kein hoher Einstieg mehr ist und er einen Duschstuhl hat zum hinsetzen. Hiermit schafft es Papa die Körperhygiene weitestgehend allein zu bewältigen, aber auch hier nur wenn ich Zuhause bin, da er schonmal gestürzt ist, in der Dusche, und sich hierbei verletzt hat.
Viele Aufgaben, die ich mache, werden, wenn es um den Pflegegrad geht, gar nicht mit einbezogen. Man kann nicht in Zeit messen, wenn ich stundenlang neben dem Bett von meinem Vater sitze, weil es ihm schlecht geht. Dies kann man auch gar nicht angeben! Es kann passieren, dass dies nur 1x im Monat vorkommt, aber genauso 5x die Woche! Ebenso wird nicht mit einberechnet, wenn ich meinen Vater fördere, wenn ich versuche ihn zu motivieren wieder mehr zu machen um seine Fähigkeiten zu erhalten. Ich finde es schade, dass so viele „Aufgaben“ die geleistet werden, nicht gesehen, gehört oder mit einbezogen werden.
Ich bin mehr als eine pflegende Angehörige, mehr als eine Tochter! Ich bin pflegende Angehörige, Tochter, Seelsorge, Therapeutin, Köchin, Haushaltskraft und Bürokraft.
Doch eigentlich bin ich einfach nur Dalli.
Eine Liebende Tochter, die sich einfach nur wünscht, dass pflegende Angehörige mehr gesehen werden und anständig für das was sie leisten entlohnt werden.
Mein zweitgrößter Wunsch ist es übrigens, mit meinem Vater und vielleicht sogar mit unserer Luna auf Reißen zu gehen, die Welt zu sehen und wunderschöne Erinnerungen zu schaffen, welche für immer bleiben.
Wir kämpfen weiter, dass pflegende Angehörige mehr gesehen werden und das mein Vater irgendwann eine Diagnose bekommt, denn am Ende ist eins ganz klar…
„Aufgeben ist keine Option!“
Wenn ihr mehr von mir, von uns und unserem Leben mitbekommen wollt, dann schaut doch gerne auf meinem Instagramaccount „Stephanunddalli (Si apre in una nuova finestra)“ vorbei. Ich nehme euch mit, in meine Welt als pflegende Angehörige, wenn wir in den Urlaub fahren, in meine ganz persönliche Welt mit Lifestyle und Co., vllt bald mit in mein Studium etc.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr vorbei schaut.