Ampel aus, Donald an
Liebe Newsletter-Abonnent*innen,
das Ringen um die Präsidentschaft hat endlich ein Ende. Nach einem nervenaufreibenden Wahlkampf konnte sich ersten Prognosen zufolge Surangel Whipps Jr. gegen seinen Kontrahenten Thomas Remengesau Jr. durchsetzen und damit sein Amt verteidigen. (Die wichtigsten Nachrichten rund um die Wahl finden Sie zum Nachlesen in unserem Liveblog (Si apre in una nuova finestra).)
Welche Konsequenzen eine weitere Legislatur Whipps Juniors für die Republik Palau und die westliche Welt haben wird, lässt sich bisher nicht absehen. In Europa fallen die Reaktionen jedoch verhalten aus, das Schweigen der Staatsoberhäupter ist bisweilen ohrenbetäubend.
Eine frische Brise Optimismus weht indes aus den USA über den großen Teich zu uns herüber, deren Bürger am 5. November ebenfalls zur Wahl eines neuen Präsidenten aufgerufen waren.
Erleichterung auch in der Bundesrepublik. Nach der Entlassung von Finanzminister Lindner hatten Beobachter mit dem Schlimmsten gerechnet. Dessen Anhänger bilden eines der unberechenbarsten Politiker-Fandoms des Landes und gelten als besonders kampflustig, wenn es um die Verteidigung ihres »gelben Helden« geht. Zum Äußersten kam es, insbesondere wegen logistischer Probleme, jedoch nicht.
Gute Nachrichten gab es diese Woche auch von Oppositionsführer Merz, der einen ganz persönlichen Erfolg feiern konnte. Er sei am späten Mittwochabend »kalt erwischt« worden und könne es selbst noch gar nicht richtig glauben.
Seiner Erektionsreise widmet Merz Insidern zu Folge die kommende Ausgabe seines Newsletters #MerzMail. Ein ausführlicher Essay soll dann Anfang nächsten Jahres folgen. Wie es der Zufall so will, hat auch unser Autor Torsten Gaitzsch Essays zum Thema seiner aktuellen Kolumne gemacht.
Hallöchen, liebe »Fans«!
Weil der Essay dieses Jahr seinen 60. Geburtstag feiert, habe ich endlich mal Susan Sontags »Notes on ›Camp‹« in voller Länge gelesen. Nach der so erhellenden wie amüsanten Lektüre fällt mir nicht viel ein, was es zu ergänzen gäbe. Zweierlei aber schon!
1.) Die Autorin gibt als »starting point« der Erscheinung Camp das ausgehende 17. und beginnende 18. Jahrhundert an. Da ich ein Mann bin und also mehrmals täglich an das Alte Rom denke, habe ich mich gefragt, ob es campe Dinge nicht schon ebendort gab. Gerade das, was wir gemeinhin mit der berüchtigten spätrömischen Dekadenz verbinden – pseudohellenische Prachtvillen, figürliche Trinkgefäße, sich in purpurner Tunica auf dem Diwan lümmelnd Weintrauben in den Mund fallen lassen –, schreit doch geradezu High Camp! Danach zu recherchieren, ist nicht leicht, denn googelt man »ancient rome camp«, kommen Artikel über Caesars Militärlager. Immerhin den Abstract eines Beitrags in The Gay & Lesbian Review konnte ich auftreiben: Könnte, fragt der Verfasser, die Beschreibung Homosexueller und die dabei verwendete Sprache bei Dichtern wie Catull, Martial, und Juvenal nicht eine frühe Form literarischen Camps sein? Forschen Sie bitte selbst weiter.
2.) Etwas, das bei Sontag nicht vorkommt, zur Zeit der Entstehung des Aufsatzes aber fröhliche Urständ feierte: campe Camps. Damit meine ich jene britischen Holiday Camps für Familien der unteren Mittelschicht und darunter, mit »Guckkästen in der Schwimmbeckenwand, mit maritimem Plastikdekor davor und einem Café dahinter, aus dem die Besucher in ein knallbuntes, menschenbestücktes Aquarium blicken können. Dazu Themenrestaurants und riesige Ballrooms« und allerlei Quatsch-Bespaßung mehr (Quelle: Monopol Magazin (Si apre in una nuova finestra)). Herrlich!
Meine Lieblingsstelle in den »Notes« ist übrigens Punkt 10: »Camp sees everthing in quotation marks. It’s not a lamp, but a ›lamp‹; not a woman, but a ›woman.‹« Dass in amerikanischen Texten Punkte und Kommata vor das Abführungszeichen gesetzt werden, ist übrigens auch reichlich campy.
Ihr »Autor«
Torsten Gaitzsch
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