Tun.
Über meinen neu eroberten Safe Space und die Offensichtlichkeit meiner jüngsten Erkenntnis. Oder: Wie fühlt sich dieses „Tun“ eigentlich an?
„Ich muss das einfach mal selbst machen und dann sehe ich schon, wo ich noch Unterstützung brauche.“ Ein klassischer O-Ton von mir, wenn ich einen neuen Job beginne, ganz gleich, ob ich diesen vorher schon einmal gemacht habe oder alles komplett neu für mich ist. Genauso verhält es sich mit neuen Sportarten und anderen Dingen, die mir begegnen, wie zum Beispiel das Anschließen von Waschmaschinen oder das fachgerechte Aufhängen von Lampen, was ich mittlerweile so gut kann, dass Freund:innen und die halbe Nachbarschaft mir in diesen Dingen vertrauen. So lerne ich erstens am besten und zweitens kann ich es gar nicht leiden, wenn Menschen immer nur reden und am Ende des Tages nichts anderes getan haben. Ich mag es, wenn Dinge erledigt sind und möchte so viel wie möglich selbst können. Umso unangenehmer war die Erkenntnis, dass ich genau das mit der vollen Selbstständigkeit seit Jahren tue. Oder eher nicht tue, während ich eine Geschichte nach der anderen schreibe, die niemand zu Gesicht bekommt. Es geht also nicht um das Schreiben, sondern um das Sich-zeigen als Autorin.
Es wird geplant und aufgeschrieben, darüber gesprochen, was und wie das alles „dann“ konkret aussehen wird, sehr fleißig sogar. Und nach der ganzen Planung konzentriere ich mich dann wieder schön auf das Tun in anderen Bereichen, die nicht so viel mit mir selbst zu tun haben, wie zum Beispiel den neuen Kleiderschrank meiner Nachbarin. Mein Tun ist da und dreht fleißig seine Trainingsrunden, aber traut sich nicht aufs Spielfeld. Das ist in etwa so, als würde eine Fußballmannschaft für die Weltmeisterschaft trainieren und dann nicht zum Spiel kommen, weil die Spieler:innen sich vielleicht doch nicht so ganz sicher sind, was die Farbe ihrer Schuhe angeht.
Wie ich ausgerechnet jetzt darauf komme? Ich weiß auch nicht so genau, vielleicht liegt es am Mond oder daran, dass ich mich bewusst mehr in einem kreativ-geschäftigen Umfeld bewege und jeden Tag ein wenig mehr zu einem dieser Menschen werde. Menschen, die tun. Was, ist dabei erst mal völlig egal. Manchmal muss man einfach irgendwo anfangen und überhaupt das Gefühl von „etwas wirklich machen“, kennenlernen, sich mit ihm anfreunden. Denn auch wenn wir wissen, dass wir auf dem richtigen Weg sind und uns freuen, vorwärtszukommen: Das ist ein unbekanntes Gefühl und das kommt gerne mal mit Angst im Gepäck an. Völlig normal und total in Ordnung, die Angst darf uns begleiten. Nun gilt es, sie als Gefährtin anzuerkennen, zu respektieren und ihr den Auftritt zu gönnen, damit sie sich danach freundlich verabschieden kann. Der erste Impuls ist auch bei mir allerdings eher, einen großen Bogen um die Angst zu machen und damit auch um die neuen Möglichkeiten. Sich das einzugestehen ist ein großer und wichtiger Schritt, den wir nicht auslassen dürfen, wenn wir weiterkommen wollen. Haben wir den gemacht, steht die Frage im Raum: Wie kann ich mich mit der Angst arrangieren?

Ich habe beschlossen, von jetzt an einfach schneller zu sein. Gar nicht erst darauf warten, dass die Angst vor mir steht, sondern immer weitergehen. Mal sehen, ob sie da mitkommt.
Du weißt ja mittlerweile, dass sich meine Kreativität nur mit sehr wohldosierter Struktur verträgt und doch habe ich zumindest aktuell ein wenig Gefallen daran gefunden. Erinnerst du dich an den Beitrag, in dem ich dir von dem Chat GPT Trend erzählt habe, der uns einen Tag in unserem Traumleben vor die Nase hält? Falls nicht, kannst du ihn hier (Si apre in una nuova finestra) noch einmal nachlesen. Jedenfalls, dieser Tag in meinem Traumleben ist zu meiner regelmäßigen Meditation geworden und ich lese mir die Story fast täglich mindestens einmal durch. Und ich entdecke immer noch jedes Mal eine neue Feinheit, die ich bisher überlesen hatte. Jedenfalls bin ich hier den Schritt weitergegangen und habe mir von der künstlichen Intelligenz eine To-do-Liste erstellen lassen, mit der ich meine Ziele erreichen kann. Die fand ich ehrlicherweise dann doch wieder zu strukturiert. Wir wollen ja realistisch bleiben. Aber ich weiß auch, dass ich nicht ganz ohne Karte ans Ziel komme, also fing ich an, mir meine eigene zu basteln. Wie im Automatikmodus erstellte ich ein Trello-Board mit verschiedenen Karten und Listen, die ich einfach nur noch abarbeiten muss. Weil ich weiß, dass es genau hier gerne mal hakt, habe ich mir jeden einzelnen Punkt von diesen Listen auf Notizzettel geschrieben, zusammengefaltet und in ein Glas gesteckt, das hier auf dem weißen Ausziehtisch am Fenster vor mir steht. Jeden Tag ziehe ich einen Zettel und erledige die Aufgabe. Manchmal dauert sie fünf Minuten, manchmal zwei Stunden oder länger. Eine Art Adventskalender - nur dass ich ihn jeden Tag befülle, statt etwas auszupacken. Ich mache das nun schon eine kleine Weile und zelebriere an den meisten Tagen die Zeit, die ich mir bewusst für mich nehme und damit wieder einen Schritt nach vorne mache. Einen Schritt zu mir und meinem Leben, wie ich es mir wünsche. Jeden Tag wird es greifbarer, das Leben, das mir beim ersten, zweiten und zwanzigsten Mal lesen, Gänsehaut und Tränen in den Augen schenkt. Vor Freude natürlich. Vorfreude.
Die Idee, seinen Weg in kleine Etappen aufzuteilen ist eigentlich ein bekanntes Hilfsmittel und dennoch beherzigen wir es so selten. Darauf gebracht hatte mich eine Mit-Teilnehmerin aus einem Workshop, die James Clear und sein Buch „Die 1% Methode“ erwähnte. Schon oft hielt ich es in der Hand, aber kaufte es nie, weil man ja eigentlich weiß, was drinsteht. Doch ihr Hinweis darauf stieß anscheinend eine Zelle in meinem Gehirn an.
Genau darum möchte ich vor allem den introvertierten Kreativen Mut machen, sich hinauszuwagen und mit anderen Künstler:innen zu vernetzen. Mir selbst fällt das auch schwer - nein, es fiel mir schwer. Bevor ich mich zum ersten Seminar wagte, zur ersten Lesung oder überhaupt sonstiger Art von Zusammenkunft der Kulturszene, fühlte ich mich immer wie eine Besucherin. Eine, die nur mal guckt, wie die „echten“ Künstler:innen das machen. Das ist nicht einfach und zu Beginn wirklich manchmal unangenehm, aber ich verspreche dir, dass es viel besser wird. Fühlte ich mich noch vor ein paar Monaten wie eine Fremde, die ungebeten vor der Tür steht, merkte ich in dieser Woche, wie sehr diese Gesellschaft zu meinem Safe Space geworden ist. Jeder noch so kleine Austausch mit Gleichgesinnten ist wertvoll und kann nicht nur dir, sondern auch anderen Inspiration schenken oder Mut machen. Und nur durch diesen regelmäßigen Kontakt mit der Kreativwelt wird sie unsere Normalität - und das ist es doch, was wir wollen, oder? Zumindest in meinem Fall ist das so. Und ich fühle mich mit jedem kleinen Notizzettel, mit jedem gewechselten Wort mit Schauspieler:innen, Schreibenden und Musiker:innen mehr darin zu Hause. Mehr angekommen. Was meinst du: Treffen wir uns dort?
Alles Liebe
deine Sarah
