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Was schreibst du?

Über die Frage, wie man seine Kunst erklärt und wann man eigentlich ein:e echte:r Schriftsteller:in ist. Können wir nicht einfach nur schreiben?

Immer wenn ich anderen Menschen erzähle, dass ich schreibe, fällt irgendwann die Frage: „Worüber schreibst du denn?“. Manchmal erscheint es mir wie echtes Interesse, aber oft wird auch nur aus Höflichkeit gefragt oder weil man den Smalltalk noch etwas länger aufrechterhalten möchte. Je nachdem wie ich die Frage meines Gegenübers einschätze, fällt meine Antwort darauf aus. Wenn es um oberflächliches Interesse und darum geht, einfach nur irgendetwas zu sagen, dann reagiere ich darauf meist mit einem: „Ach, ich schreibe einen Blog und arbeite natürlich am großen Roman“. Darauf folgt ein „Oh wie toll, ja viel Erfolg!“ und die Unterhaltung wird entweder wieder auf das Wetter gelenkt oder freundlich beendet. Im Gespräch mit ebenfalls kreativ schaffenden Menschen gibt es in der Regel bereits in der Fragestellung einen kleinen, aber sehr wichtigen Unterschied: „Woran schreibst du denn gerade?“ Begegnet mir jemand mit dieser Fragestellung, dann bin ich mir fast sicher: Du schreibst auch oder kennst mich schon!

Und obwohl ich es liebe, mich mit anderen Schreibenden auszutauschen und das auch für sehr wichtig halte, überfallen mich in diesen Momenten immer wieder Gedanken, in denen ich mich als Schriftstellerin kleinmache. Egal was und wie viel ich selbst schon geschrieben habe, wie regelmäßig ich Worte in meinen Laptop tippe: Ich denke immer, dass die anderen Autor:innen viel professioneller sind, dass sie besser und erfolgreicher sind. Nun kann ich durchaus schon einiges an Schreibpraxis vorweisen und zu schreiben gibt mir immer wieder ein wunderbares Gefühl. Das Schreiben ist für mich wie nach Hause kommen. Warum ist es mir dann immer noch nicht möglich, mich darüber auszutauschen, ohne mich mit allen anderen zu vergleichen und dabei in meinem Kopf immer die „Schlechtere“ zu sein? Da komme ich mir doch ganz schön heuchlerisch vor, wenn ich hier in meinen Schreibimpulsen predige, dass es kein richtig oder falsch gibt und wir alle einzigartig sind. Ja, das sage ich nicht nur dir, sondern auch und insbesondere mir selbst. Und das ist völlig in Ordnung, wir machen das hier zusammen.

Obwohl es in Ordnung ist und ich meine eigene Reise auch zelebriere, frage ich mich natürlich, warum das so ist. Woher kommt dieses ständige sich vergleichen, immer besser sein wollen und dieser Druck, andere übertreffen zu müssen? Wir haben doch mittlerweile gelernt, dass wir alle einzigartig sind und das Schreiben kein Leistungssport ist! Ich habe schon gewonnen, denn ich schreibe. Davon bin ich ehrlich überzeugt. Und dennoch werde ich so schnell unsicher und verfalle in diese völlig absurde Bewertungsschiene. Ich hab da eine leise Ahnung, wo dieses Verhalten seinen Ursprung haben könnte…

Vor ein paar Tagen unterhielt ich mich mit Freund:innen darüber, ob man gerne noch einmal zurück in seine Schulzeit gehen würde. Ist das nicht so ein typischer Spruch? „Später wünschst du dir die Schule zurück!“ Völliger Schwachsinn, wenn du mich fragst. Jeden Tag werden Leistungen beurteilt, Lernfortschritte verglichen und Schwächen hervorgehoben, während besondere Talente in den Hintergrund rücken, denn es gilt unbedingt diese Schwächen zu entfernen. Persönliche Interessen und Individualität sind nur erwünscht, wenn sie in den Lehrplan passen und der Weltanschauung von Lehrenden entsprechen. Ja, ich verallgemeinere das hier und es gibt sicher die ein oder andere Ausnahme. Innerhalb des Systems. So habe ich meine Schulzeit erlebt und ich empfand sie nicht als schön oder bereichernd. Ich konnte es damals gar nicht abwarten in die Schule zu kommen und zu lernen, bis ich verstanden habe, dass es gar nicht wirklich darum geht, sich Wissen anzueignen und Schulnoten mehr mit der Fähigkeit sich anzupassen zu tun haben als mit meiner Intelligenz. Wer aus der Reihe fiel, war mangelhaft. Und nun soll das alles gar keine Rolle mehr spielen und ich kann einfach das tun, was mich glücklich macht? Und damit kann ich erfolgreich sein? Ich glaube, das hat mein inneres Kind noch immer nicht ganz begriffen. Erinnerst du dich denn gerne an die Schulzeit?

Heute ist Bildung für mich ein großer Luxus und ich bin ständig dabei etwas Neues zu lernen. Ist es übrigens nicht erstaunlich, dass ich die Berufsschule später sogar mit Auszeichnung und mein Studium an der Journalistenschule mit 1,6 abgeschlossen habe? Wenn Talente gefördert, Individualität akzeptiert und Interessen verfolgt werden, dann kann aus Mangelhaft etwas Wunderbares werden: Einzigartigkeit. Leidenschaft. Erfolg. Ein glücklicher, neugieriger und offener Mensch. Wer sich schwer in ein vorgeformtes Konstrukt einfügt und die Welt gerne aus mehreren Perspektiven betrachtet, fällt oft in die Rolle des Sonderlings. Und die Sonderlinge und Außenseiter:innen waren zu meiner Schulzeit immer falsch. Ich glaube, so werden sie immer noch oft gesehen. Als etwas, das nicht passt und das korrigiert werden muss. Wann begreifen wir denn endlich, dass „anders“ nicht „schlechter“ bedeutet?

Ich gebe zu, damit habe ich bei meinem eigenen Schreiben große Schwierigkeiten. Wie seltsam, oder? Ist es nicht gut, wenn man sich von der Masse abhebt? Es wäre doch unfassbar langweilig, wenn alle in ein und demselben Stil über die gleichen Themen schreiben würden. Ich selbst lese sehr gerne über Nischenthemen und genieße die Unterschiede in der Schreibe meiner Lieblingsautor:innen. Aber wenn meine Kapitel anders aussehen, als bei anderen und meine Erzählperspektive von der Norm abweicht, möchte ich sofort alles ändern und anpassen. Zum Glück bin ich ein wenig im Austausch mit anderen Schreibenden und weiß: Es geht ihnen auch so und wir entscheiden uns trotz allem immer wieder dafür, bei uns selbst zu bleiben. Denn es geht hier um unsere Kunst. Nicht um die der anderen!

Wenn es um die Frage geht, was ich eigentlich schreibe, dann neige ich dazu, auch immer gleich Ziele zu nennen: den großen Roman, ein Sachbuch, den zweiten Teil eines Kurzgeschichtenbandes. Als würde die Aussage „Ich schreibe“ nicht für sich allein stehen können. Nicht, weil andere das so sehen, sondern weil ich denke, mein Schreiben müsste mit einer Leistung verknüpft sein. Bin ich nur dann eine Schriftstellerin, wenn ich etwas leiste oder auf etwas hinarbeite? Natürlich nicht. So ganz genau kann ich allerdings auch nicht definieren, wann man zu einer „echten Schriftsteller:in“ wird. Vielleicht ist das auch gar kein Zeitpunkt, an dem es so weit ist, sondern mehr ein Gefühl. Oder man drückt es ganz einfach aus und sagt: „Du schreibst, also bist du ein:e Schriftsteller:in.“

Also, lasst uns lernen, einfach nur zu schreiben. Und falls du gar nichts mit dem Schreiben am Hut hast und diesen Blog aus reinen Mutigkeitsgründen oder weil du mit mir befreundet bist, liest: Im Grunde geht’s hier nicht (nur) ums Schreiben. Es geht um alles, was wir tun, ob das nun in irgendeiner kreativen Form, beim Sport oder in der Arbeit oder Schule stattfindet. Den Mut zu haben, einfach nur zu sein und Dinge auf seine eigene Art und Weise zu tun, absolut wertfrei und auch mal völlig ohne Ziel, einfach weil wir sie gerne tun.

Bis nächste Woche!

Alles Liebe

deine Sarah

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