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Von umwerfender Schönheit, verständnislosen Autobahnen und meiner Oktopus-Superkraft.

[Ein offener Brief an unseren Ferienhaus-Besitzer]

Lieber Matthias.

Es ist völlig ohne Frage, dass dein Haus wunderschön ist. Die meisten Menschen kommen dort an und sagen "Wow!", so viel ist sicher. Aber ich, ich bin dort an einem Samstag im August angekommen und dachte mein Kopf explodiert. Ich wäre fast umgekippt vor Schönheit, Erschöpfung und Dankbarkeit. (Deutlich besser, als das mir drohende Umkippen aufgrund von Magen-Darm. Aber ich greife vorweg.) Dein Haus war das traumschönste, himmlischste Ziel, dass ich mir nach diesem Höllentrip nur vorstellen konnte. Und das Ganze kam so:

Wie du weißt, war Domink schon eine Woche in Spanien auf "workation", während ich mit den Kindern und meiner Schwiegermama in den Niederlanden war. Die Reiseplanung war happig, aber machbar: um 7:25 die Fähre nehmen (2 h), dann Richtung Heimat fahren (6 h), eine Nacht bei der Oma sein und am nächsten Morgen um 11:00 zum Flughafen und mit den Kindern allein nach Spanien fliegen. Nicht unbedingt angenehm, aber kriegen wir alles hin.

Gepackt habe ich natürlich bis Mitternacht, aber auch dann war an Schlafen nicht zu denken, denn erst ging der Wecker nicht (oh weh!) und dann kam ein anonym bleibendes Kind wiederholt an mein Bett, sodass ich Sorge hatte mit 3 h Schlaf nicht fit genug für 6 h Autofahrt zu sein. (die Sorge hätte ich mir sparen können, denn an Schlafen war dann auch später im Auto nicht zu denken).

Aufgewacht bin ich dann pünktlich um 6:00, aber nicht durch den Wecker (auch diese Sorge hätte ich mir sparen können), sondern weil die arme, arme Oma auf der Toilette sitzt und einen Mülleimer umklammert. Dass sie ganz schlimm Magen-Darm hat, wurde ihr schon nachts klar und ab und zu fürchtete sie beim Weg zur Toilette in Ohnmacht zu fallen, so hat es sie ausgeknockt. Ein absoluter Apltraum.

Kannst du dir das vorstellen, Matthias? Sie ist so krank, dass sie sich kaum halten kann und muss als erstes auf ein Schiff für 2 h. Und dann Autofahren für eine absolute Ewigkeit. Die Arme tut mir so unfassbar Leid.

In meinem Kopf haben sich die Gedanken überschlagen: Was, wenn sie alle 15 Minuten kotzen muss, so wie eins der Kinder bei der letzten Runde Magen-Darm? Oh nein, und was, wenn die Kinder auch anfangen?! AAH und was, wenn ich selbst auch anfange und wir uns überhaupt nicht fortbewegen können? Ein absoluter Alptraum. 

Aber die Uhr zur Fähre tickt und ich packe leicht panisch das Auto und lasse meine Kinder voll Assi hinters Haus pieseln , damit die arme Oma die Toilette für sich hat. 

Wir sitzen dann nur eine Viertel Stunde später als geplant im Auto, da hält das Navi die nächste Überraschung für mich bereit: Der Weg zum Hafen ist 10 Min länger, als ich dachte. Hä?! Wieso? "Keine Ahnung", sagt das Navi, "aber deine Ankunftszeit ist 7:25". Kommt dir diese Zahl bekannt vor, Matthias? Ja, richtig, um 7:25 fährt die Fähre ab. Weg. Von dieser Insel und wenn wir nicht drauf sind, sitzen wir hier fest. Bei meiner Bemühung die Fähre auf eine angenehmere Uhrzeit umzubuchen wurde mir nämlich gesagt, dass alles ausgebucht ist und die nächste Fähre um 21:30 fährt. Da hätte ich nicht nur einen kompletten Tag mit kotzender Oma und ohne Ferienhaus (natürlich bei Regen), nein, ich würde auch erst so gegen 6:00 morgens am Haus der Oma ankommen und müsste ja dann um 11:00 weiter zum Flughafen. Ein absoluter Apltraum.

Und so kam es, dass ich im Morgengrauen mit gefühlter Überschallgeschwindigkeit über eine verschlafenen, westfriesische Insel fege als gäbe es kein Morgen. Und tatsächlich das Navi um 5 Min übertrumpfen konnte, ha! Als mich der nette, blonde, niederländische Jungspund gelangweilt in meine Fahrspur auf dem Schiff winkt, muss ich wirklich all meine Konzentration und Kraft darauf verwenden, ihm nicht weinen um den Hals zu fallen, zu hüpfen und zu schreien: "wir haben es geschafft, du und ich, wir haben es geschafft!!"

Also Matthias, Etappe 1 ist genommen.
Auf der Fähre sitzt die Oma benommen, aber unendlich tapfer und hält ihre Augen geschlossen, bis wir da sind. An Land ging's dann erstmal auf die niederländische Autobahn, die mich nicht versteht und die ich nicht verstehe. Mein Navi leider auch nicht. Es würden wohl eher 7 Stunden werden. Hä?! Wieso? Ach, sei's drum. Miristallesegal.

Und dann kam natürlich der Moment, der kommen musste. Die Oma löst sich aus ihrem komatösen Zustand und gibt mir ein kurzes Zeichen, vermutlich sieben Sekunden später stehen wir am Straßenrand und leiden fürchterlich. Also sie leidet mehr, weil sie einfach so entsetzlich krank ist und kein Mensch dafür woanders sein sollte als zu Hause. Und ich leide, weil sie mir so unendlich Leid tut. Und weil wir trotz wirklich guter Schwiegermutter-Schwiegertochter-Verbindung bisher keine Verhaltensrichtlinie für Erbrechen in Co-Präsenz vereinbart hatten. Soll ich ihr Raum geben und ein bisschen weg gehen? Will sie lieber nicht allein sein und braucht sie meine Hilfe? Jeder Gedanke ist von einer dünnen Schicht aus Panik vor Ansteckung umhüllt, was auch die Kinder deutlich zu spüren bekamen. Die waren natürlich zuckersüß und um ihre Oma besorgt, wollten streicheln und trösten und so sage ich tatsächlich Sätze wie "fass die Oma nicht an! Wo sind die Desinfektionstücher?!". Meine Nerven lagen durchaus auch ein bisschen blank, oh ja.

Irgendwie haben wir es wieder ins Auto und auf die Straße geschafft und eigentlich hätten die nächsten Stunden von der Sorgen dominiert sein müssen, wann und wir oft ich wieder rechts ran fahren muss. Aber dafür war keine Zeit, denn ich musste ja sechs Stunden als Oktopus Auto fahren: "Hier sind die Kopfhörer, reich deiner Schwester bitte auch einen, nein, wir haben das Ballett Tiptoi Buch zu Hause, nein, an das mit den Jahreszeiten komme ich nicht dran, ja, nimm das ipad, mitistallesegal, wir waren doch grad erst Pipi machen, ja, hier sind noch Brote/Äpfel/Kekse/Naschen/purer Zucker zum Löffeln, miristallesegal, ich muss jetzt FAHREN!". Zur Strafe schickt mich das Navi auf einen 20 minütigen Umweg, dabei hab ich alles richtig gemacht, ganz sicher, ich könnte es schwören. Die Kinder müssen abwechseln Pipi, zocken, streiten, quengeln und nach 7 Stunden und ohne weiteren Zwischenfall kommen wir vollkommen fertig im großelterlichen Haus an. Flo und Debbie, die dort auch wohnen, verarzten mich mit Gin Tonic, guten Gesprächen und einem Kaffee am Morgen, der mir die Hoffnung gibt, den Rest auch noch schaffen zu können.

Am nächsten Tag sind immer noch alle symptomfrei und wir fahren zum Flughafen. Dort brauchen wir über eine Stunde um durch die Security zu kommen so voll ist alles und ich stelle den Kindern in der Schlange Turnaufgaben, weil die Dreijährige gern irgendwo hin maschieren und ihre eigene Reise machen möchte. Puh. Im Duty Free Bereich angekommen darf sich dann jedes Kind einen Lutscher aussuchen, ich muss aber an der Kasse feststellen, dass mein Geldbeutel im Auto geblieben ist. Mist. Lutscher gehen zurück. Ich habe wirklich unfassbar tapfere Kinder.

Die Kleinste hab ich mir dann in die Trage auf den Rücken gesetzt um weitere Automonie-Anfälle zu verhindern, Koffer, Tasche und Rucksack hinter mir her gezerrt (wir hatten nur Handgepäck), einen Koffer hat die Große genommen. Bevor ich den Flugzeugmodus im Handy eingeschaltet habe, ging noch eine kurze Nachricht an den Dominik raus: "Ich werde nie wieder meinen Superhelden-Status in Frage stellen. 🦸‍♀️"

Und dann, lieber Matthias, dann sind wir gelandet. Und wurden vom Dominik abgeholt und kamen kurz später in deinem wunderschönen Haus an. Es ist wirklich unfassbar, unsagbar schön. Ihr habt so viel Liebe, Zeit und Kraft investiert, das sieht man. Jeder wird beim Anblick "wow!" sagen. Aber ich, ich wäre fast umgekippt vor Schönheit, Erschöpfung und Dankbarkeit.
[Deutlich besser, als Umkippen wegen Magen-Darm]

What a ride!
Eine acht-armige Sabrina

P.S. Matthias, kannst du mir sagen woher diese wunderschönen Vorhänge im Schlafzimmer kommen?  Auch eine Superheldin braucht mal neue Vorhänge ;)

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