Über das Schreiben: Auf der Suche nach dem Zwischenraum
Es ist nun einige Zeit her, dass ich meine Gedanken mit euch geteilt habe. Die letzten Monate vergingen wie im Flug und haben sich häufig wie mehrere im Zimmer verstreute Wecker angefühlt, die man nicht ausschalten konnte. An das ständige Rauschen habe ich mich irgendwann gewöhnt, auch wenn es mir schwer fiel. Es hat Spuren hinterlassen. Unerkannt und oft in subtilen Kleinigkeiten fand es den Weg in meinen Körper und in meine Gedanken. Ich war und bin noch immer müde. Müde von Worten, die ich gesucht und oft finden musste. Müde von dem in sich hinein greifen, um Inspiration für das Schreiben zu gewinnen. Aber all das hat einen wunderbaren Grund, den ich nun, mit ein wenig Stolz, aber mit noch mehr Unbehagen und unendlicher Freude mit euch teilen möchte:
Mein Erzähldebüt "Im Morgen wächst ein Birnbaum" erscheint endlich am 20.04.2023 im btb Verlag! (Si apre in una nuova finestra)
Viele Freund*innen fragen mich oft, worum es in meinem Buch geht. Ob es einen bestimmten Erzählstrang hat oder ein konkretes Thema behandelt. Oder sogar in einem zeitlich und örtlichen begrenzten Ort stattfindet. Ich würde die gleichen Fragen auch an andere Autor*innen stellen, denn ich möchte eine Orientierung haben, die mich beim Lesen leitet. Ich habe mir, um die Frage zu beantworten, besonders drei Fragen gestellt:
Was bedeutet Männlichkeit? Welchen Einfluss hat insbesondere mein Vater auf meine Vorstellungen vom Mann-Sein? Und wie können wir es als Gesellschaft schaffen, vielfältige männliche Rollenbilder zuzulassen?
Auf den ersten Blick scheinen diese Fragen klar und deutlich. Der Weg zu dieser Klarheit hat aber viel mehr eingefordert. Unzählige Worte finden, Tränen weinen, Orte (wieder) sehen und in Gesprächen Halt und Hoffnung suchen. Kurzum: Ich habe die Emotionalität unterschätzt. Und noch vielmehr: Ich musste schreiben lernen. Welche Worte gehören wohin? Welche drücken mich aus, welche nicht, welche ganz besonders? Und wohin hat sich mein Herz entwickelt?
In seiner Komplexität kann ich die Fragen für mich noch immer nicht greifen, nur aufschreiben konnte ich es. Das Ende des Schreibprozesses ist für mich daher von einer zentralen Erkenntnis geprägt:
Schreiben heißt nach Antworten zu suchen und Fragen zu finden. Und diese treffen auf ein zerstreutes Herz, das sich heftigem Unbehagen und fragilen Selbstverständlichkeiten nur mit Mühe entgegenstellt. Und genau deshalb das Leben zu spüren beginnt.
Das Buch ist das Ergebnis von Fragen, einer fragmentarischen Selbstbeobachtung und Rückblende. Mein Leben als Spiegel, dem ich in vielen Aspekten gar nicht mehr ins Auge blicken wollte. Vieles verdrängt haben wollte. Aber es tat, weil sich die Welt mir in unvorstellbarem Maße öffnete, in dem Verletzlichkeit zuließ, um mich in, durch und trotz Männlichkeit heute verstehen zu können. Wegen und trotz Deutschland.
Ich suche nach Zwischentönen, weil Narrative über migrantische Männlichkeiten, nicht zuletzt wieder durch die Silvesternachts-Debatte, schon länger Grenzen überschreiten und festgefahren sind. Nach Zwischentönen, die bei nicht-weißen Männern in einer weißen Mehrheitsgesellschaft ungern gehört werden. Ich erzähle von Vorbildern und Erwartungen, von Veränderungen und Druck. Und von der Herausforderung, Identität auch als persönlichen emotionalen Prozess zu begreifen, der mehr Fragen kennt als Antworten.
Falls ihr Lust habt herauszufinden, in welchen Zwischenraum ich mich im Buch begebe und was ein Birnbaum mit all dem zu tun hat, könnt ihr gerne das Buch schon vorbestellen (Si apre in una nuova finestra). Und auch gerne weitersagen!
Bald werde ich auch wieder regelmäßiger meine Gedanken zu Männlichkeiten in Politik & Gesellschaft teilen, bis dahin lohnt sich auch ein Blick auf meine aktuellen Artikel:
Habt einen guten Jahresstart! <3