Kein Mensch sollte Milliardär sein
Ich weiß ziemlich genau, wer und wie ich sein will, und Schadenfreude gehört nicht dazu. Aber als ich gestern gelesen habe, wie viel Geld Zuckerberg, Bezos und Musk in den vergangenen Monaten verloren haben, fiel mir das kurz schwer:
Zuckerberg – 28 Milliarden Dollar
Bezos – 23,5 Milliarden Dollar
Musk – 130 Milliarden Dollar
Warum mir das schwerfiel?
Kein Mensch sollte eine Milliarde Dollar besitzen. Schon gar nicht mehr. Selbst 500 Millionen Privatvermögen sind ein Verbrechen. Zum einen, weil man mit so viel Geld dafür sorgen könnte, den Hunger auf der Welt zu bekämpfen. Zum anderen, weil man mit so viel Geld problemlos Politiker:innen korrumpieren kann. Kein Mensch sollte Milliardär sein.
Gefreut hat’s mich aber vor allem, weil diese drei Männer und auch die ganzen anderen Superreichen brav für Trumps Wahlkampf gespendet haben, Bezos seine eigene Washington Post sogar redaktionell entsprechend manipulierte, Musk – well, lets not talk about Musk. Und jetzt verlieren sie, weil Trump halt nur sich selbst und seinen eigenen Vorteil kennt.
Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Merz anerkennend zitiere, aber wahrscheinlich kennt er diese Welt einfach aus erster Hand, und sagt deshalb kluge Dinge über sie: “Wenn man sich eine solche Natter an den Hals holt, wird man von dieser Natter erwürgt.”
Bitter natürlich, dass es diese Superreichen einen Scheiss kümmern muss, wenn sie ein paar Milliarden verlieren. Für die ist das nur noch Spielgeld. Für Menschen in Kambodscha, die jetzt ihre Jobs verlieren wegen Trumps Zöllen, für die Rentner:innen in den USA, die ihre Pension aus Aktien beziehen, für alle Amerikaner:innen, die auf billige Medikamente angewiesen sind – für die ist das eine fucking Tragödie.
Die vergangenen Wochen halten wir in ganz Deutschland Vorträge, um zu erzählen, was wir mit der Neuen Generation vorhaben, und dabei geht’s immer auch darum, was wir aus der Geschichte für Revolutionen lernen können. Was ich dann immer sage: Wir leben ungefähr wieder 1928, kurz vor dem großen Börsencrash. Auch damals verloren zig Millionen Menschen ihre Lebensgrundlage, die Deutschen ließen Hitler erst gewähren und wählten ihn dann schließlich.
Heute: empfinde ich die Situation als noch viel dramatischer als damals. Die globalen Finanzmärkte sind vollgesogen mit Geld nach fast zwei Jahrzehnten Niedrigzins, gleichzeitig ist unsere Weltwirtschaft komplett verflochten, all das wackelt schon seit einer Weile, und Trump tritt jetzt die letzten Stützpfeiler weg.
Und spätestens bei dem Gedanken merke ich immer, warum Schadenfreude nicht nur unschön, sondern auch gefährlich ist – im schlimmsten Fall begnügen wir uns mit ihr, statt etwas zu tun, und plötzlich dann ist die AfD an der Macht.
Die Rechten bereiten sich systematisch auf den Zusammenbruch des Systems vor, auf den “Bürgerkrieg” und den “Tag X”. Die AfD will die Demokratie abschaffen, aus einer rechten Demo heraus versuchten Neonazis schon einmal den Bundestag zu stürmen, und Gruppen wie die Sächsischen Separatisten trainieren in ostdeutschen Wäldern mit echten Waffen.
Zu all dem kommt noch die Totalüberwachung durch Facebook, Instagram, TikTok und X, jetzt nochmal verstärkt durch die Macht künstlicher Intelligenz. Das ergibt einen totalitären Überwachungsstaat, wie es ihn in der Menschheitsgeschichte nie gab, und wie schreibt Björn Höcke: Man werde “nicht um eine Politik der 'wohltemperierten Grausamkeit' herumkommen.”
Auf der Demo gegen Merz’ Zusammenarbeit mit der AfD vor einigen Wochen, machte mich eine Sache glücklich. Da fuhr ein Lautsprecherwagen der Interventionistischen Linken mit, was insofern überraschend war, als dass sie linksradikal ist und vom Verfassungsschutz beobachtet wird, während die Demo insgesamt vom bürgerlichen Campact organisiert wurde. Ähnlich ging es mir, als Luisa Neubauer anbot, auf der Pressekonferenz gegen die Kriminalisierung der Letzten Generation zu sprechen. Angesichts der Weltlage entstehen da Bündnisse, die vor einigen Wochen und Monaten undenkbar waren.
Dass die Linke ach so mehr zerstritten sei, als die Rechte, ist ein altes Klischee, das ich nicht glaube: Ich habe als Reporter genug Zeit mit Rechten verbracht – die hassen sich teils leidenschaftlich untereinander. Und trotzdem streiten wir uns natürlich zu oft und verlieren das Ziel aus den Augen: in dieser Zeit bestehen und für eine lebendige Zukunft, eine liebenswerte Zukunft einstehen.
Russland und Ukraine, Israel und Gaza, Männer und Frauen – es gibt vieles, über das man streiten kann. Themen, die wichtig sind, die schwierig sind. Immer wenn ich mit einer Person an so ein Thema komme, und es droht, uns zu entzweien, versuche ich mich zu fragen: Gibt es da nicht viel mehr, was uns eint, als was uns trennt?
Und wenn die Antwort ja ist, dann sehe ich diese Person als Verbündete. Wir alle sind verschieden, ja, und das anzuerkennen, ist unsere Stärke.