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Meuterei auf der Seebühne

Der Captain muss die Hosen runterlassen

Fast jeder der 88 Zuschauer, die den Weg mit dem Tretboot zur Seebühne auf dem Aasee geschafft haben, wird diesen Stoff irgendwie kennen: Die Meuterei auf der Bounty. Auch wenn sie sich schon 1789 zugetragen hat. Sie wurde mehrfach verfilmt und die Geschichte ist bekannt. Die geht in etwa so: Ein grausam-brutaler Kommandeur der königlich-britischen Marine namens William Bligh wird als Kapitän abgesetzt. Und das geschieht dem völlig zu Recht Sein leitender Angestellter Maat Fletcher Christian übernimmt übernimmt das Kommando auf der HMS Bounty. Der Captain und seine 18 verbliebenen Getreuen werden auf einem kleinen Beiboot im Pazifik ausgesetzt.

Theatermacher Zeha Schröder vom Theaterensemble Freuynde & Gaesdte wollte es genauer wissen studierte die historischen Logbücher, Briefe und Gerichtsakten. Herausgekommen eine ganz andere Geschichte, keine Schwarz-Weiß Malerei, so0ndern eine mit ganz vielen Grautönen, Zwischentönen und offenen Fragen. Die Zuschauer folgen gebannt dieser Geschichte, die aus einem hochkonzentrierten Dialog der beiden Hauptakteure Bligh (Zeha Schröder) und Fletcher (Helge Salnikau) besteht. Bligh ist von den äußeren Insignien eines Kapitäns nicht viel geblieben, die Hose musste er runterlassen. Die Hände sind gefesselt. 

Die Rollen sind klar verteilt, die Situation gleichwohl nicht so eindeutig wie sie scheint

Nur die Kapitänsjacke mit den dicken goldenen Knöpfen ist ihm geblieben. Reden und Denken kann er noch, mindestens genauso gut wie sein Gegenüber Fletcher Christian, keineswegs ein Prolet, sondern einer aus der Oberschicht, sein Vater war Richter, sein Bruder ist Professor. Seine Lage scheint komfortabel, er hat das Sagen auf dem Boot, eine Pistole in der Tasche. Die setzt er zwar nie ein, aber er kann damit drohen. Es geht nur an einer Stelle im Stück wirklich roh und handgreiflich zu, als der Kapitän geht zu Boden geht und alleine nicht mehr hoch kommt. Fletcher hilft ihm wieder auf die Beine. Nach und nach wird dem Zuhörer klar, die beiden sind sich gar nicht so spinnefeind, sondern eigentlich Freunde, die großen gegenseitigen Respekt voreinander haben. 

Feinde oder Freunde? Der Anführer der Meuterer (Helge Salnikau, li.) und der abgesetzte Captain (Zeha Schröder) sind beides. Fotos (2): Frank Biermann

Doch durch die unterschiedlichen Rollen auf dem Boot setzt ein Prozess schleichender Entfremdung zwischen den beiden ein, die sieben Jahre zusammen auf drei Schiffen zusammen auf hoher See verbracht haben. Eine Lapalie ist letztlich der Auslöser der Meuterei, Fletcher hat Durst und köpft eigenmächtig eine Kokosnuss. Bligh weist ihn zurecht und verwarnt ihn vor versammelter Mannschaft. Die ruft Fletcher zum Sturz des vermeintlichen Tyrannen auf, der von sich sagt, dass er immer versucht habe, eine gerechter Kapitän zu sein, der sein Handwerk beim großen James Cook gelernt hat. Abgesetzt wird Bligh nicht im Handstreich, sondern in einer demokratischen Abstimmung, die knapp genug gegen in ausfällt. Das Schiff soll jetzt demokratisch geführt werden, so der Plan. Das geht doch gar nicht. findet Bligh, einer müsse doch die Verantwortung tragen in einer Notlage. Bligh und Fletcher tauschen die wohlgesetzten Worte aus wie einst Spasski und Fischer ihre Schachfiguren. Die überraschend hervorragende Akustik der Seebühne lässt eine sehr nuancierte Bühnensprache zu. Am Nachhaltigsten vielleicht ihr Dialog über das Glück. Flechter und die Seinen meinen es bei den barbusigen thaitianischen Schönheiten auf der sonnigen Insel gefunden zu haben, wo sie ein halbes Jahr überwinterten. Als die Bounty am Kap Horn nicht weiterkommt. Der Kapitän bleibt an Bord und übt sich in Lustverzicht. Sein Glück findet er eher an Land bei seiner behinderten Tochter, wenn er mitbekommt, dass es ihr trotz allem gut geht. Nach einem siebzigminütigen Wortduell, bei dem kein Seemannsgarn gesponnen, sondern philosophiert wird - gewinnen die beiden hervorragenden Darsteller. Langanhaltender Applaus bei ausverkaufter Vorstellung die ganz ohne Aloha, Säbelfechtereien und Palmwedel auskommt. Und standing ovations auf dem Tretboot - das will schon etwas heißen.  Frank Biermann

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