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durchgelesen: Claudia Kemfert - Schockwellen

Nachdem Claudia bei Patrick und Jens sowie auch bei Tilo war, wurde ich erst auf die gute Frau aufmerksam. Engagiert und fachlich sicher, handelt es sich in der bürgerlichen Landschaft um eine Ausnahmeerscheinung. Das Buch hat mich vor allem wegen des letzten Drittels wirklich positiv überrascht. Allein durch die Zielstellung, Energiesicherheit und Klimawandel zu versöhnen, folgt für Claudia eben, dass Dezentralisierung und somit die kommunale Perspektive auf Gesellschaft eine zwingende Notwendigkeit darstellt.

Der Teaser, dass es sich bei ihrem neuen Buch um den Thriller handelt, wie die Geopolitik durch die russische Gasmafia zugunsten von Putin manipuliert wird, war für mich zunächst nicht beeindruckend. Viel mehr interessierte mich der Ausblick auf die Verstrickungen der deutschen Politelite von Schröder über Altmaier bis Merkel.

Und in der Tat, das Buch beginnt mit schleppenden Erzählungen über die letzten Jahrzehnte ab Willy Brandt. Leider sind diese Abschnitte notwendig, um das Debakel der letzten vier Jahre zu kontextualisieren… grml - schnöde Geopolitik. Claudia malt das Bild von Putin als berechnendem Imperialisten. Nicht zuletzt halte ich dieses Bild deshalb für angemessen, weil Claudia viele empirische Belege der letzten Jahrzehnte liefert, die sich wie eine Roadmap Putins lesen. So gibt es eine detaillierte Liste von Erpressung und Nötigung Putins gegenüber anderen Staaten und dem geschickten Ausspielen Dritter und Vierter Player in einem Markt, der auf konstantem Supply klimaschädlicher Low-Entropy basiert. Dieser Abschnitt ist für mich besonders interessant, weil er eben meine theoretischen Überlegungen zur Preisbildung unterstützt. Zur Erinnerung: In meinem Buch konstruiere ich anhand des elementaren Begriffs der Entropie und meiner Gewaltdefinition ein vollständiges Weltmodell inkl. Preisbildung.

Der Vorwurf des Buches folgt zugleich: Die BRD war naiv, und Gerhard Schröder ist ein korrupter alter Sack. Allgemein sind die fundierten Seitenhiebe gegen Altmaier und auch Merkel großartig und exakt das, was ich mir erwartet habe, als ich das Buch kaufte. Ebenfalls bekommt die Ampel ihr Fett weg, und insbesondere Scholz muss sich vorwerfen lassen, dass er wissenschaftliche Fakten kleinredet, weil er 1 kleiner Pimmel ist.

Eine weitere Stärke des Buches ist die präzise, aber gut verständlich dargebotene wissenschaftliche Faktenlage zur Energieversorgung, unter Berücksichtigung der Klimafrage, unter der Nebenbedingung, weiterhin im Interesse des Staates die Ausbeutungsmaschine der Kapitaltransformation zu gewährleisten.

Natürlich ist Claudia keine Marxistin, aber dafür lese ich das Buch ja sowieso nicht. Freilich spielt das Prinzip der Ausbeutung und der Machthierarchien für sie keine Rolle. Deshalb stellt sie immer wieder naiv wirkende Gretchenfragen. Im Anbetracht der offenkundigen Korruption unterstellt sie lediglich Unwissenheit. Wo sie Putin klare imperiale Berechnung ausweisen kann, möchte Claudia die scheinbare Zwecklosigkeit einer wissenschaftlichen Beraterin ob der toxischen Machtkontexte nicht sehen. So bekomme ich regelrecht Mitleid bei den folgenden Zeilen:

„Wir benötigen nichts Geringeres als eine Energierevolution“, zitierte mich die Nachrichtenagentur Reuters. Ich dachte dabei nicht an Waffen, Kanonen und Menschen, die mit Gewalt die Parlamente stürmen. Ich dachte an eine umfassende friedliche Transformation unseres Energie- und Wirtschaftssystems. Und ich war genau wie alle Kollegen aus dem Stern-Forschungsteam in der ganzen Welt sicher, dass diese Revolution jetzt überall in Gang kommen würde. Denn die Zeichen deuteten in der gesamten westlichen Welt auf eine große Entschlossenheit.

- I feel your pain :’)

Aber grundsätzlich naiv ist Claudia deshalb keinesfalls. Sie beschreibt sehr anschaulich die Prozesse und die böse Absicht großer Player. Sie zeigt auf, wo genau Kapitalinteressen den Konflikt mit moralischen Standards und wissenschaftlichen Erkenntnissen für sich gewinnen, indem sie Mafiamethoden anwenden. Toll! Noch besser wären diese Kapitel nur, wenn Claudia eine Prise morfscher Hierarchiekritik einstreuen könnte. Alternativ kann das Buch auch aus der Andreas-Kemperschen Perspektive gelesen und analysiert werden. Die apokalyptische fossile Männlichkeit steht Claudia und uns allen im Wege.

Umso interessanter ist der letzte Teil des Buches, eben genau weil ihr die Kritik am Ausbeutersystem als solchem abgeht. Sie argumentiert schlicht aus einer Perspektive der Sicherheit, Infrastruktur und der Klimapolitik und kommt beim gottverdammten dezentral organisierten Anarchismus heraus. Das sagt sie freilich so nicht, aber ich erkenne es eben deutlich :)

Selbst die Hierarchiekritik kommt folgerichtig im Buch zur Sprache, und sie schafft es, das Ganze so auch einem bürgerlichen Publikum zu pitchen. Das ist wirklich eine gelungene Leistung. So wünsche ich mir wissenschaftliche Kompetenz.

Video das durch dieses Buch beeinflusst ist:

https://youtu.be/5xMyBVfNH90 (Si apre in una nuova finestra)
Argomento morfsche Buchrezensionen

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