Deutschland, (d)ein Armutszeugnis
Im Themenschwerpunkt „Ein Armutszeugnis“ der aktuellen Ausgabe beschäftigen wir uns auf 14 Seiten mit dem Thema Armut:
Pfandflaschen aus dem Müll fischen, Fremde nach Geld fragen oder Hartz IV. Über 14 Millionen Menschen leben in Deutschland in Armut. Wir erklären, warum das so ist. Außerdem: Wie bettelnde Menschen diskriminiert werden und wie eine nachbarschaftliche Solidargemeinschaft sich gegen soziale Ausgrenzung engagiert. Und ein neuer Hype am Buchmarkt: Bücher ehemals armer Menschen.
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„Die Tafeln werden überrannt von hungrigen Menschen, während die Supermärkte randvoll sind mit Lebensmitteln, wobei das, was sich nicht verkauft, im Hinterhof in Containern entsorgt wird. Es wäre genug für alle da, das gilt sogar global.“
– Sabine Nuss, politische Ökonomin
Die politische Ökonomin Sabine Nuss erklärt, wie Armut und Reichtum im Kapitalismus existieren und warum auch Sozialstaat und Chancengleichheit das Problem nicht an der Wurzel packen. Ein Interview von Missy-Autor*in Merle Groneweg.
„Das größte Problem ist die Einsamkeit. Vieles im Alltag hat mit Geld zu tun: sich im Café treffen, ins Kino oder ins Freibad gehen. Wer sich das nicht leisten kann, gehört irgendwann nicht mehr dazu.“
– Simon von der Initiative „Wilhelmsburg Solidarisch“
Eine Initiative aus Hamburg zeigt, wie aus sozial Ausgegrenzten eine Gemeinschaft wird – und warum solidarische Netzwerke unverzichtbar sind. Missy-Autorin Mali-Janice Paede hat sich mit „Wilhelmsbrug Solidarisch“ getroffen, wo man sich für Betroffene einsetzt und Unterstützung bietet.
„Heute ist Betteln in Deutschland grundsätzlich erlaubt. Deshalb nutzen Kommunen immer wieder Umwege, um es zu unterbinden, wie etwa das Benennen und Verbieten ganz bestimmter Bettelformen. In Bremen ist z.B. „aufdringliches und aggressives Betteln“ (also das aktive Ansprechen) untersagt.“
– Missy-Autorin Amira Klute
Bettelnde Menschen werden verstärkt aus Innenstädten verdrängt. Die Stadt Hamburg etwa setzt auf Verbote, die rechtlich umstritten sind. Begründet werden sie mit dem subjektiven Sicherheitsgefühl derer, die nicht betteln müssen. Missy-Autorin Amira Klute schreibt über die Verdrängung von bettelnden Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und Innenstädten.
„Die neuen Bücher über Klassismus, Armut und Herkunftsscham sind immer Rückschautexte: So war es damals bei mir, so schwer hatte ich es, meine Eltern hatten es sogar noch schwerer, und jetzt bin ich Teil der Mittel- oder Oberschicht und schaue noch mal zurück. [...] Viele von ihnen richten sich allerdings an ein bürgerliches Publikum und zementieren die Verhältnisse.“
– Missy-Autorin Paula Irmschler
Bücher über Klassismus, Armut und Herkunftsscham sind bei Verlagen beliebt und verkaufen sich gut. Ändern tut das eher nichts. Warum in Armut aufgewachsen zu sein, auf dem Buchmarkt trendy erscheint, reflektiert Missy-Autorin Paula Irmschler.