SINNE
#5 Tasten und Berühren
Wir leben in, auf und mit einem lebendigen Raum, den wir Erde, Atmosphäre, Weltall, Kosmos, Galaxie, Universum nennen.
Alles in diesem Raum berührt uns, berührt unsere Haut und die Haare, unsere Gedanken und Emotionen. Genauso wie dieser Raum uns stets berührt, berühren auch wir diesen Raum. Alles beeinflusst sich die ganze Zeit gegenseitig.
Wen, was und wie wir etwas beeinflussen wollen, von wem, was und wie wir uns beeinflussen lassen möchten, liegt jedoch an uns. Es liegt an unserem Urteilsvermögen und an unseren Entscheidungen, was ich empfange und was ich gebe. Ebenso das, was ich nicht empfangen und was ich nicht geben will.
Diese Selbstermächtigung schafft einen Raum von Kraft, von Klarheit und damit von Sicherheit, den ich als grundlegend empfinde. Alles beginnt mit mir. Alles beginnt damit, dass ich mir selber vertrauen kann, dass ich diesen Raum beschütze und sauber halte, so gut es mir gelingt.
Die Verantwortung liegt bei mir
Von welcher Hand will ich mich berühren lassen? Zu welchen Worten, zu welchem Feedback und zu welcher Haltung sage ich »Nein danke«? Welche Musik berührt mein Herz so sehr, dass es anfängt zu wachsen und sich der Musik entgegenstreckt? Welche Blumen, welche Bäume zaubern mir ein Lächeln ins Gesicht? Bei welchem Essen rümpfe ich die Nase? Und wieviel Sonnenlicht verträgt meine Haut?
Der Tastsinn ist ein Nahsinn und hat viel zu tun mit den eigenen Grenzen. Wie respektiere ich diese Grenzen und wie verteidige sie, indem ich ihnen mit Gesten oder durch Worte Ausdruck verleihe? Wie öffne ich meine Grenzen für das, was ich mir wünsche und empfangen möchte? Ich glaube, gesunde Grenzen entsprechen dem Schutz und dem Selbstvertrauen, von dem ich weiter oben gesprochen habe. Und letzten Endes erzählen sie davon, sich selbst zu lieben und gut für sich zu sorgen.

Der menschliche Körper berührt über die ganze Haut und besonders über die Fingerspitzen, die Lippen, die Zunge. Dabei wird unterschieden zwischen aktiven und passiven Berührungen, wobei die »haptische« Wahrnehmung der aktive Part ist, weil unsere Hände dabei aktiv sind. Sie ertasten und berühren Strukturen und Formen und ermöglichen so die bewusste Auseinandersetzung mit unserer Umgebung, was letztendlich die Selbstwahrnehmung fördert. Wir brauchen Berührungsreize, um uns im Raum orientieren zu können.
Die sogenannte »taktile« Wahrnehmung von Berührung, Druck, Temperatur oder Schmerz entsteht passiv über die Rezeptoren unserer Haut und hat mit berührt werden zu tun.
Der Tastsinn ist der erste Sinn, der sich während der Entwicklung eines Embryos im Mutterleib entwickelt. Reize, die durch Berührung angesprochen werden, entfalten sich deutlich stärker als visuelle oder auditive Reize. Die Erfahrung von selber berühren und berührt werden, schafft eine grundlegende Orientierung, die wir brauchen um uns in inneren und äußeren Räumen zu bewegen und auszudehnen. Das wiederum unterstützt und harmonisiert emotionale Bindungen und zwischenmenschliches Verhalten.
Körperarbeit
Wie ihr wisst, liebe ich das praktische und konkrete Lernen mit dem eigenen Körper (Si apre in una nuova finestra). Schließlich ist das der einzige Raum, der (im besten Fall!) der eigenen Kontrolle unterliegt und der stets mit den Räumen von anderen Menschen und größeren Räumen interagiert, die wir als Umgebung, Umwelt, Internet, Social Media oder als Welt bezeichnen können.
Körperliche Berührung hat eine große Wirkung auf den Spannungszustand von Muskeln oder Bindegewebe. Wir brauchen Berührung um zu entspannen und loszulassen oder um anzuspannen und unsere Kraft zu erfahren. Doch körperliche Berührung geht noch viel tiefer als Knochen und sie berührt Sound, Vibration, Flow, Emotionen oder Gedanken. Sie tastet unsere kollektive und persönliche Geschichte und ihre Traumata ab, streicht über unser Potential, unsere Qualitäten und Wünsche. Sie macht den eigenen Raum wieder deutlicher spürbar und damit auch unsere Grenzen: Was lasse ich rein und was darf draußen bleiben? Sie stärkt die instinktive Wahrnehmung und lässt die Dominanz von äußeren Einflüssen, von Erwartungen und Konditionierungen verblassen.
In solch einem somatischen Milieu erwacht der eigene Wille, fängt an zu flackern und lädt uns ein uns selber zum leuchten zu bringen. Je weiter und stiller wir werden, desto heller wird es in uns. Schließlich sind wir so gut genährt, es fehlt uns an nichts. Und endlich können wir uns verschenken, können wir den Raum um uns herum berühren und beeinflussen, ohne von seinem Feedback abhängig zu sein. Können wir unsere Aufmerksamkeit mit echtem Interesse mehr nach Außen auszudehnen. Wir werden zu Raum, der um sich selber weiß.
Mögen alle Wesen glücklich sein.
Much love,
Kat